Freitag, 24. September 2021

Levin Goes Lightly: Konsequent wandelbar [Update]

Auch dieser junge Mann kommt von der dunklen Seite und ist dort zudem schon eine Zeit lang unterwegs. Levin Stadler alias Levin Goes Lightly startete seine wandelvolle Karriere 2013 mit der EP "Dizzy Height", das Debütalbum "Neo Romantic" erschien zwei Jahre später und brachte ihm den Ruf eines schillerndern Pop-Chamäleons ein. Wieder zwei Jahre darauf gelang mit "GAPS" der endgültige Durchbruch, Vergleiche mit David Bowie kamen postwendend und wogen natürlich schwer. 2019 folgte mit "Nackt" eine deutliche Wende, die Texte deutsch jetzt und der Sound weit weniger dunkel. Schwierig für alle, die sich mal auf eine Richtung festgelegt hatten. Dass Stadler sich davon nicht irritieren lässt und im bewährten Rhythmus weiterarbeitet, nötigt Respekt ab - am 5. November wird bei Tapete Records nun der vierte Longplayer "Rot" erscheinen, er soll härter, intimer sein und ganz am Ende erwartet uns mit "Knowing Me, Knowing You" sogar ein Abba-Cover. Bevor wir das hören dürfen, kommt heute erst mal die Vorabsingle "Flirren" heraus, begleitet von einer Reihe Tourterminen.

09.10.  Winterthur, Akzent Festival 
07.12.  München, Milla 
08.12.  Nürnberg, Z-Bau 
09.12.  Linz, Kapu 
11.12.  Berlin, Schokoladen 
12.12.  Hamburg, Goldener Salon 
13.12.  Hannover, Lux 
14.12.  Mainz, Schon Schön 
15.12.  Köln, Jaki 
16.12.  Dresden, Ostpol 
17.12.  Stuttgart, Merlin   
 
Update: Gerade noch von DAF gesprochen, da stellt der Levin seinen DAF-Track ins Netz - hier ist der "Liebhaber".



Montag, 20. September 2021

Shady Nasty: Aus dem Rahmen

Außergewöhnlich ist vielleicht ein allzu starkes Wort, aber gewöhnlich ist das, was das australische Trio Shady Nasty anbietet, nun auch wieder nicht. Die Stücke der ersten EP von Kevin Stathis (Gitarre, Gesang), Haydn Green (Bass) und Luca Watson (Drums) aus dem Jahr 2017 klangen noch ziemlich analog und angerockt, das Klangbild wandelte sich allmählich und mittlerweile sind die drei bei einer eigenwilligen Melange aus Post-Punk, Rap und Elektronika angekommen. Und wo der Sound schon nicht in ein gängiges Raster passt, da fallen auch die Videos (in Zusammenarbeit mit Harry Welsh) aus dem Rahmen - alles zwischen Billig-DIY und Filmkunst ist dabei, gern irritierend, nur nicht langweilig. Für den 8. Oktober ist nun die Veröffentlichung ihrer vierten EP "Clubsmoke" mit vier Tracks bei Royal Mountain Records angekündigt, drei davon (IBIZA, PRETTYB0YZ, R0LL1N' H1LLZ) können wir hier in Audio plus Video präsentieren.







Christin Nichols: Eine Sehnsucht namens Malibu

Bevor wir uns als Hinterherläufer allzu arg blamieren, sei hier noch, gerade rechtzeitig zur Veröffentlichung ihrer neuen Single "Malibu", auf Christin Nichols' aktuelle Soloaktivitäten hingewiesen. Die Schauspielerin und Musikerin, auch bekannt als weibliche Hälfte des Berliner Electro-Punk-Duos Prada Meinhoff (zusammen mit René Riewer), hatte in diesem Jahr bekanntlich schon drei recht unterschiedliche Singles, mal deutsch, mal englisch, ins Rennen geschickt - "Sieben Euro Vier", "Neon" und "Today I Choose Violence" - als Nummer vier kommt nun die sehnsuchtsvolle Erinnerung plus Roadmovie dazu. Sie selbst ergänzt: "Malibu. Ein Song wie eine Jugend in einer Kleinstadt. In einer Zeit, wo die größten Probleme die aufleuchtenden Straßenlaternen waren und man vom Spielen nach Hause musste, nachdem man den ganzen Tag draußen in der Sonne war. Samtvorhänge, VHS-Kassetten, Eistee und ein besonderes Gefühl von Sicherheit, während man gleichzeitig die unendlich scheinenden Möglichkeiten des Lebens zum ersten Mal erlebt hat. Malibu ist das Gefühl zwischen erwachsen werden, sich sicher fühlen und gleichzeitig so frei sein, wie man es danach nie wieder war." Alle Songs werden sich auf dem Album "I'm Fine" befinden, das am 21. Januar 2022 erscheinen soll.









Freitag, 17. September 2021

Figure Of Speech: Herz und Faust

Ein Album, das man mit großer Spannung erwarten darf, wird am 1. Oktober von Figure Of Speech erscheinen. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich der Musiker, MC und Autor Derek Edwards, wohnhaft in Bristol. Seiner Hautfarbe wegen oft genug selbst mit Rassismus konfrontiert, setzte der Mord an George Floyd den endgültigen Startpunkt für diese Platte - gemeinsam mit dem Label Boca 45 spielte er die mutmaßlich fünfzehn Tracks ein, von denen wir hier "Stand Firm" schon einmal anspielen dürfen. Auf dem Cover des Longplayers werden sich übrigens zwei simple Piktogramme befinden - ein Herz und eine Faust. Wenn wir hier nicht ganz danebenlieben, sollte es also um Kampf, Stolz, Liebe und Leidenschaft gehen - als Überschrift über das Ganze schreibt Edwards in aller Deutlichkeit: "This is an anti-racist album." Wer nicht warten möchte, kann auf seiner Soundcloud-Page schon einige ältere Stücke anhören.

Pa Salieu: Rebel for a cause

Zwei Veröffentlichungen gilt es heute noch zu erwähnen - eine gerade erschienene und eine, die erst noch kommt. Von Pa Salieu Gaye aus dem britischen Coventry, kurz Pa Salieu, haben wir erst kürzlich in Verbindung mit bad guy Slowthai gehört, der auf der Single "Glidin'" als prominentes Feature auftauchte, unbekannt ist der Rapper mit gambischen Wurzeln aber beileibe nicht. Im vergangenen Jahr nämlich droppte der Junge eine Reihe erfolgreicher Singles, die sich hernach alle auf dem Mixtape "Send Them To Coventry" fanden, vor einigen Tagen wiederum erschien die neue EP "Afrikan Rebel" mit drei starken Tracks zwischen Grime, Drill und Afrobeat. Für letzteres gesellt sich Obongjayar zu Salieu, den wir auch von einer Collabo mit Little Simz von deren Album "Sometimes I Might Be Introvert" kennen. Palieus Statement zu seiner 12" liest sich im Übrigen wie folgt: "Fundamentally Afrikan Rebel is about being proud and loud about where you come from in. For me that is Africa. Growing up in the UK especially having spent my early years in Gambia wasn’t always easy being black and especially not black African with an African accent, but I have always been taught to be proud of who I am and have never shied away from that fact for better or for worse." Er ergänzt: "I see the word ‘Rebel’ only in the most positive sense. Those figures through history that have fought against the odds to stand up for what they believe in have always intrigued and inspired me. ‘Rebel’ is a mindset that helps keep me strong and I hope I can encourage others to be vocal about their beliefs and stand up for what they feel is right."



Donnerstag, 16. September 2021

Courtney Barnett: Das Große im Kleinen [Update]

Wo wir gerade gedanklich in Australien sind - auch von der folgenden Dame ist in diesem Jahr noch Neues zu erwarten: Courtney Barnett hat soeben die Veröffentlichung ihres dritten Studioalbums angekündigt. Und weil wir wissen, dass sie ein Talent dafür hat, die großen Dinge auf die kleinen, alltäglichen herunterzubrechen und das auf eine sehr gefühlvolle, unverstellte Art, kann das gerade in Zeiten des emotionalen Durcheinanders, in das uns die Pandemie zwingt, nur eine gute Nachricht sein. Und es überrascht nicht, dass dies auch das Thema der Platte und der ersten Single "Rae Street" geworden ist. Hier nämlich - visuell sehr schön umgesetzt von W.A.M. Bleakley - geht es darum, den Blick auf die Mitmenschen, die Fürsorge nicht zu vergessen, das eben, was uns ausmachen und lenken sollte. "Things Take Time, Take Time", so der Titel der am 12. November erscheinenden Liedersammlung, wird zehn neue Songs enthalten, produziert wurde sie von Stella Mozgawa, die Fachkündigen auch als Drummerin der Kapelle Warpaint ein Begriff ist. Und folgt damit dem Debüt "Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit" aus dem Jahr 2015 und dem Nachfolger "Tell Me How You Really Feel" (2018) - wir dürfen gespannt sein.

Update: Ganz frisch und ebenso erfrischend ist das Video zur neuen Single "Before You Gotta Go", unter Regie der Australierin Claudia Sangiorgi Dalimore versucht sich Barnett am Field-Recording.





Mittwoch, 15. September 2021

A Place To Bury Strangers: Sonderangebot

Remix-Alben liegen noch immer im Trend und würden im Dow Jones wahrscheinlich Höchstkurse erzielen. Die Währung, in welcher der Erfolg von Musik gemessen wird, sind aber immer noch Streams und Verkäufe. Und weil sich an einem Record Store Day die treuesten, neugierigsten und auch die potentesten Kunden bei ihrem Dealer einfinden, werden eben dort die speziellsten Tonträger präsentiert. Remix-Alben beispielsweise. Auch A Place To Bury Strangers haben eines davon gemacht. Erst kürzlich mit ihrer EP "Hologram" erfolgreich reüssiert, gibt es von dieser 12" nun eine erweiterte Variante zu erwerben. Ihr eigenes Imprint Dedstrange wird also am 26. November "Hologram: Destroyed And Disassembled" veröffentlichen - ganze dreizehn Tracks werden sich darauf finden, Arbeiten von Daniel Fox (Girl Band), Penelope Isles, Do Nothing, Bodega, Ganser, Plattenbau, Randy Randall (No Age) und vielen mehr. Zeitgleich mit dieser Nachricht geht heute übrigens auch das Video zum Song "Playing The Part" unter Regie von Heather Bickford raus.

09.03.  Hamburg, Hafenklang
10.03.  Dresden, Beatpol
29.03.  Zürich, Bogen F
20.03.  München, Backstage
05.04.  Münster, Gleis 22
12.04.  Berlin, Hole 44
13.04.  Köln, MTC
 




Talk Show: Auf der Suche nach dem Momentum

Es gibt Dancetracks, die haben etwas ganz Spezielles, das auch dann nicht verschwindet, wenn sie wieder und wieder gespielt werden. "Blue Monday" von New Order ist ebensowenig totzukriegen wie "A New Error" von Moderat, und auch Underworlds "Born Slippy" bleibt, auch wegen "Trainspotting", für immer im Gedächtnis haften. Es ist also nicht Ehrenrühriges dabei, will man als Band eben dieses Momentum erreichen, ein paar Takte für die Ewigkeit einspielen. Talk Show aus London sind noch jung und gierig, sie haben 2020 mit ihrer Debüt-EP "These People" einen beachtlichen Erfolg gelandet und setzen nun alles dran, dies zu toppen. Und so wird das Quartett im nächsten Jahr eine weitere 12" mit dem Namen "Touch The Ground" veröffentlichen, aufgenommen mit Hilfe der Herren Joe Goddard und Al Doyle von Hot Chip. Und die erste Single, die wir heute vorstellen, heißt also "Underworld" - Sänger Harrison Swann erläutert dazu: "This was the first of the “new batch” we started with. It’s our own 'Born Slippy'. Finding a groove and locking into it collectively really shaped the way we approached the other tracks. Rhythm first. Vocals and guitars second. Stemming from the thumping techno drum beat and lots of noisy rhythms, this track’s a high energy intro to the new EP and a statement of intent."



Dienstag, 14. September 2021

Makthaverskan: Auf ewig

Es ist noch nicht allzu lange her, da kam gefühlt jede volle Stunde eine neue Shoegazing-Band mit einem hoffnungsvollen Song um die Ecke, die Hälfte dieser Gruppen stammte wiederum aus Schweden und nur wenige davon blieben wirklich im Gedächtnis. Zu letzteren aber zählen mit Sicherheit Makthaverskan aus Götheburg, und zwar seit Jahren - schließlich sind sie seit 2009 zusammen und haben schon drei Studioalben veröffentlicht. Nummer vier ist nun für den 11. November unter dem Namen "För Allting" (zur deutsch "Bis in alle Ewigkeit") bei Run For Cover Records angekündigt, die erste Single nennt sich "This Time" und kommt heute zu Gehör.

Body/Dilloway/Head: Kalkulierter Kontrollverlust

Jemanden in die Mitte zu nehmen hat immer eine fürsorgliche, beschützende Komponente, ob das bei diesem Beispiel auch zutrifft, können wir allerdings nicht ergründen: Kim Gordon, äußerst umtriebige Musikerin und bildende Künstlerin, hatte sich ja vor ca. zehn Jahren mit Bill Nace zusammengetan, um auch nach der Auflösung von Sonic Youth unter dem Namen Body/Head weiterhin der Improvisation, dem Gitarrenspiel und hier natürlich besondern dem Noise und dem Feedback zu huldigen, zwei Alben haben die beiden zusammen aufgenommen ("Coming Apart", 2013 und "The Switch", 2018) und diverse Konzerte gespielt. Nun wurde das Projekt um Aaron Dilloway erweitert, es liest sich jetzt Body/Dilloway/Head und veröffenlicht nunmehr als Trio bei Three Lobed Recordings eine neue Platte mit drei Tracks. Dilloway ist manchem als Mitbegründer der experimentellen Band Wolf Eyes aus Detroit bekannt, wie man liest, steuert er zum Sound der Gitarren geloopte Elektronik bei, einen ersten Eindruck gibt es hier und heute mit dem Stück "Goin' Down". Kim Gordon zu der neuen Partnerschaft: "Making this record with Aaron Dilloway, who I have always admired so much, added in another layer of unknown and another way of giving up control. Aaron took our sounds / music as a source and had ‘his way with it’ so to speak, crushing whatever narrative that existed in order to enter into it and making something different than what we would have done as Body/Head."

Montag, 13. September 2021

Familienalbum # 37: Mac McCaughan

Wenn ein Bandleader sich entschließt, ab und an solo zu arbeiten und dieser noch dazu Mitbegründer eines ziemlich bekannten Indielabel ist, dann kann man a) davon ausgehen, dass der Mann Ahnung vom Handwerk hat und dass sich b) auch eine Reihe von Musikmenschen finden werden, die gern mit ihm gemeinsame Sache machen wollen. Beides trifft für den hier geschilderten Fall zu - Mac McCaughan ist einerseits Frontmann der Kapelle Superchunk und hat zudem die Merge Records mit aus der Taufe gehoben. Und, darüberhinaus, gibt es für seine nunmehr zweite Eigenarbeit mit dem Titel "The Sound Of Yourself", die am 24. September quasi im Eigenverlag erscheinen wird, viele engagierte Mitstreiter*innen, so zum Beispiel Yo La Tengo und Jon Wurster, Michael Benjamin Lerner von Telekinesis und bei der aktuellen Single "Burn A Fax" dann Mackenzie Scott alias Torres und Matt Douglas (The Mountain Goats). Als ob das nicht schon genug wäre, ziert die Platte ein Bund Bananen und da haben wir wieder einmal unsere Suchmaschine angeworfen und reichlich gebogene Südfrüchte aus allen Epochen und in verschiedensten Reifegraden gefunden, allseits bekannte, ikonografische und auch weniger berühmte Exemplare. Das alles wie gewohnt von links nach rechts und oben nach unten.

Mac McCaughan "The Sound Of Yourself", The Charlatans "Between 10th and 11th", The Dead Milkmen "Smoking Banana Peels", The Dandy Warhols "The Monkey House", Chris Rea "Gods Great Banana Skin", Ween "Bananas And Blow", No Frills "Haulin' State Of Mind", Niki And Gabi "Hair Tie", Chk Chk Chk (!!!) "As If", Deep Purple "Bananas", The Velvet Underground "The Velvet Underground And Nico", Full Of Fancy "The Acid Creeps", Conkarah "Banana Feat. Shaggy", Pisse "Kohlrübenwinter", The Dickies "Bananasplits", Kraan "Dancing In The Shade"

Sonntag, 12. September 2021

Low: Gegen die Macht der Gewohnheit

Low
"HEY WHAT“

(Sub Pop)

Es muss also nicht immer so sein. Dass man mit zunehmendem Alter bequemer, ängstlicher wird, dass man auf Sicherheit bedacht ist und lieber der Gewohnheit folgt, als mit ihr zu brechen und Neues auch auf die Gefahr hin zu probieren, daran zu scheitern. Viele Musikerinnen und Musiker, kommen sie in die Jahre, folgen dem immergleichen Schema, auch mit dem Hinweis, für den Ausbruch und die Innovation wären sie nicht mehr zuständig, dafür gäbe es schließlich die Jungen, Verwegenen. Doch wo steht geschrieben, dass nicht beides geht – das Vorrecht der nachwachsenden Generation auf den Umsturz anzuerkennen und zugleich sich selbst ständig herauszufordern? Alan Sparhawk kann, auf das Thema angesprochen, recht treffend dazu einsteigen: „That’s what young people should be doing—they should be smashing it and building their own vocabulary.“ Kein Neid, keine Wehmut klingt da bei dem mittlerweile Fünfzigjährigen durch, sondern Offenheit und auch Neugier. Und selbst? Mit Ehefrau und künstlerischer Partnerin Mimi Parker hat er das gemeinsame Projekt Low zu einem ziemlich einzigartigen Hort ständiger Veränderung und Kreativität gemacht. Kaum eine andere Band der letzten Jahrzehnte hat derart konsequent neue Technologien und Produktionsmöglichkeiten ausprobiert und auch genutzt, kaum jemand hat den Sound ähnlich mutig vorangetrieben und erneuert wie Low.



Erste Ansätze, der Elektronik mit all ihren Facetten deutlich mehr Platz einzuräumen, gab es auf dem Album „Ones And Sixes“ aus dem Jahr 2015 zu hören, so richtig experimentell und nahezu dekonstruktiv wurde das Duo dann auf der folgenden Platte „Double Negative“. Wir erinnern uns an Stücke wie „Tempest“ und „Disarray“, wo die digitale Verfremdung hörbar vorangetrieben und im Kontrast mit dem zarten, zweistimmigen Gesang zu neuen Höhen geführt wurde. Schon da war das Knirschen, Wummern und Dröhnen, was man eher vom Industrial kennt und dem wir jetzt auf „HEY WHAT“ in jedem Song begegnen, vorweggenommen. Sparhawk dazu: „The more we try to fragment and abstract it out - even to see how far we can go until it’s not music anymore - that’s where it becomes interesting to us.“ Und weiter: „I want to hear it get kicked off its algorithm and scramble to try to find it again. Maybe it’s revenge - I want to see technology break as much as it has broken me (Pitchfork)". Der Ansatz, die Technik an ihre Grenzen zu führen, bis man selbst an die eigenen stößt, ist mutig, aus Sicht eines Künstlers aber wohl alternativlos und schlüssig. Und er macht dieses neue Album damit zu einem neuerlich eindrucksvollen Werk.



Schon wenn eingangs die „White Horses“ zu abgehackten Störgeräuschen und Dronegitarren, (welche Sunn o))) nicht besser hätten spielen können) heranfliegen, ist man so dermaßen bei der Sache und unbedingt begierig zu erfahren, wie weit Low diesmal zu gehen bereit sind. Sehr weit, wie wir im Laufe der fünfundvierzig Minuten erfahren. Ob die allnächtlich wiederkehrenden Dämonen besungen werden („All Night“), die Angst um die Zerbrechlichkeit der Welt („I Can Wait“), die Liebe („Don’t Walk Away“) oder Wut über die ungerechte Verteilung der Lasten („More“), immer wird die Harmonie der beiden Stimmen von wuchtigen, teils psychedelischen Soundscapes begleitet. Manchmal, wie bei „Disapprearing“, bringen die Bässe alles dermaßen zum Vibrieren, dass man fast Angst um die Hardware bekommt – an ein Leiserdrehen ist allerdings nicht zu denken. Und selbst „Days Like These“, das als vermeintlich konventioneller Song beginnt, entfaltet sich mit zunehmender Spieldauer zu einem raumgreifenden Opus, nur um am Ende ins Sphärische und Jazzige hinüberzugleiten. Einfach ist hier nichts, fesselnd dagegen alles. Low schaffen auf „HEY WHAT“ eine Spannung und Klangtiefe, wie sie Pink Floyd einst in ihren Frühwerken zuwege brachten. Beeindruckend, ohne Abstriche.

03.05.  Köln, Kulturkirche
09.05.  Hamburg, Uebel und Gefährlich
10.05.  Berlin, Festsaal Kreuzberg



Freitag, 10. September 2021

Amyl And The Sniffers: Wucht und Wahrheit

Amyl And The Sniffers
„Comfort To Me“

(Rough Trade)

Schon als Amy Taylor 2016 gemeinsam mit ihren Schnüfflern und der ersten EP „Giddy“ auf der Bildfläche erschien, war die Reaktion absehbar: Das ist die, die immer Ärger sucht und macht, der man auf dem Schulhof besser aus dem Weg gegangen ist, die aufmuckt und anrennt, auch wenn sie sich dabei mal eine blutige Nase holt. Eine wie Amy Taylor hat man im Geheimen immer beneidet um ihre Furchtlosigkeit, ihr großes Maul und die Lässigkeit, mit der sie durch die Straßen streunte und jeden Gegenüber schon mit Blicken zugrunde richten konnte. Trotzdem blieb man lieber auf Abstand, weil man der Urgewalt, die sie ausstrahlt, ohnehin nicht gewachsen war. Und ist. Denn an das fabelhafte Debüt von 2019 schließt nun eine Platte an, die noch schneller, noch kompromissloser ist. Die Songs allesamt mächtige Schläge in die Magengrube – „Guided By Angels“, „Freaks To The Front“, „Choices“, „Security“ und wie sie alle heißen, kurzatmige Bretter zwischen Punk und Garagerock, verfeinert mit jeder Menge herrlicher Gitarrensoli, die man so heute kaum noch zu hören bekommt.



Natürlich ist „Comfort To Me“ ein Lockdwon-Album, Taylor hat es selbst gesagt. Ein Song wie „Hertz“, geschrieben mit der Wut der Eingesperrten, die raus will in die Natur, ungezähmt, frei („I’m literally dying. I just want to get to the country and fucking not be in the city!“, Apple Music) – das Video dazu von einer Intensität, einer fieberhaften Umtriebigkeit, die nicht weiß wohin mit sich. Manchmal wird es dagegen richtiggehend komisch – etwa beim Song „Maggot“, erklärtermaßen ein Liebeslied. Taylor vergleicht den Moment, wo sich die Maden über einen Tierkadaver hermachen, mit der absoluten Hingabe, ein Bild, das einem nicht so schnell aus dem Kopf geht. Auf die Frage des Guardian, dem sie ein kürzlich ein Interview gab, wer dann sie wohl sei, Made oder Kadaver, gab sie übrigens zur Antwort: „I don’t know. Both! That’s love.“ Taylor als streitbar zu bezeichnen, wäre eine schamlose Untertreibung, mit ihr möchte man sich nicht anlegen. Ihre Abrechnung mit der australischen Politik während der katastrophalen Buschfeuer oder im Umgang mit den Ureinwohnern des Kontinents haut sie jedem, der/die es hören will, bei „Capital“ um die Ohren, Menschen, die sie in der Freiheit ihrer Entscheidungen, auch was die Karriere ihrer Band angeht, beschneiden wollen, bellt Taylor ein zorniges „Don’t Fence Me In“ entgegen.



Und doch weiß sie, dass ihre Außenwirkung ein sehr einseitiges Bild zeichnet. Gesungen klingt das so tough wie bei „Security“, wo sie dem Bouncer vorm Pub erklärt: „I distracted you with all of my bullshit, I covered myself in distractions, colours and patterns. You couldn't see the real me, I wanna deceive you, you're stupid I'm fast“, um ihm dann zu versichern: „I’m not looking for trouble, I’m looking for love.“ Es ist eine Gratwanderung für sie, nicht zur Ruhe zu kommen, stets unter Strom zu stehen – in besagtem Interview denkt sie laut darüber nach: „It hits you like a waterfall: How do I retrain my brain to not be intense and think differently and feel OK about feeling sad? I wanna punch stuff and do cartwheels and fucking yell, but that’s not good all the time.“ Diesen reflektierten Teil von ihr bei all der wilden Unberechenbarkeit, die sie auf Konzerten, in ihren Songs ausstrahlt, nicht aus dem Blick zu verlieren, ist zugegeben nicht ganz so einfach. Ihre Warnung dazu: „„Don’t box me into your simple idea of me. It’s not as simple as it looks.“ An der Wucht dieser Platte ändert das aber überhaupt nichts.

Glass Animals: Shut up and dance!

Endlich sagt's mal einer! Das hier geht also raus an alle Labertaschen, Quasselstrippen, Mitschnacker, Neunmalgscheiten, Diskutanten und Debattierer. Klappe halten - tanzen! Die Aufforderung (in etwas höflicherer Form) kommt von einer unserer Lieblingsbands, den Glass Animals, die im Anschluss an ihr formidables Album "Dreamland" und die ebenso gelungenen Remixarbeiten dazu nun einen neuen Song am Start haben. "I Dont Wanna Talk (I Just Wanna Dance)" ist bestes Hitfutter für die gerade wieder zaghaft geöffneten Clubs genauso wie für die heimische Küche oder den Arbeitsplatz sowieso.



Die Ärzte: Nur zur Erinnerung

Sie haben es ja selbst geschrieben: "Gitarre, Bass, Schlagzeug, Tempo, Melodie, Hookline. Ordentlich laut." Fertig ist also die Laube, hier dann der neue Song von Die Ärzte. Zeit für was "Noise" singen Bela, Farin und Rod, doch neu - Verzeihung - noi ist hier leider nichts. Sollte es wohl auch nicht sein, war ja eher als Rückmeldung nach längerer Enthaltsamkeit gedacht - heute im Dreierpack mit den Songs "Auserzählt" und "Dolby". Um die neuen Platte "Dunkel" anzuschieben, die in zwei Wochen erscheinen wird. Und um die Konzertreise nicht aus dem Blick zu verlieren, die im kommenden Jahr über Deutschland hinwegfegen soll. Und halt, wir wollen nicht kleinlich sein - denn schließlich wurde als muffeliger Security-Mann ja noch Darling Bjarne Mädel engagiert. Und der macht im Clip nun wirklich mal was Anderes als sonst so.







Donnerstag, 9. September 2021

Nation Of Language: Die richtige Mischung [Update]

Als ihr Debtalbum "Introduction, Presence" im vergangenen Jahr erschien, da konnte man als Kind der 80er endlich mal stolz aufblicken und denen, die immer noch behaupten, in dieser Zeit wäre nichts Wegweisendes erschienen, frech ins Gesicht lachen - seht ihr, so klingt es, wenn man die richtigen Vorbilder wählt. Um so schöner, wenn damit noch nicht Schluss ist. Denn den beiden Standalone-Tracks der vergangenen Monate folgt nun der Hinweis auf ein neues Album von Nation Of Language. "A Way Forward" soll am 5. November kommen und "Across That Fine Line" ist seine erste offizielle Single. wie man liest, haben Ian Devaney (Gesang, Gitarre, Perkussion), Aidan Noell (Gesang, Synths) und Michael Sue-Poi (Bass) viel deutschen Krautrock und frühe Elektronik á la Kraftwerk und Neu! gehört, man darf also einmal mehr gespannt sein.

Update: Ein DIY-Video im doppelten Sinne - "Wounds Of Love" ist die nächste Single vom kommenden Album und beschäftigt sich mit dem Verlorensein nach dem Ende einer langen Beziehung und dem Kampf mit sich selbst ... gefolgt von den Singles Nummer drei und vier "This Fractured Mind" und "A Word And A Wave".

10.01.  Köln, YUCA
14.01.  Hamburg, Turmzimmer
19.01.  Berlin, Kantine Berghain
20.01.  Zürich, Kater









Clinic: Kaum zu fassen [Update]

Ist da vielleicht jemand, der einen Groll gegen diese Band hegt. Und zufällig gerade auch deren Wikipedia-Seite pflegt? Anders ist es nicht zu verstehen, dass dort bei der Liverpooler Band Clinic, immerhin schon seit über zwanzig Jahren wacker und ununterbrochen im Geschäft, unter Stil der Passus "Post-Punk-Revival" vermerkt ist. Revival?! Schon klar, dass es selbiges gibt und sich auf den Trittbrettern allerlei Sound-a-Likes tummeln, die gern etwas vom Erfolg der Altvorderen und Originale abhaben würden. Aber Clinic?! Gut, sie waren und sind schwer einzuordnen, wo früher beim Debüt "Internal Wrangler" viele Gitarren waren, stehen heute die Keyboards (die sie noch immer mit Vorliebe auf den Flohmärkten dieser Welt erstehen) - wenn man aber kein passendes Etikett findet, ein falsches, hier sogar ehrabschneidendes, aufzukleben, ist dann schon etwas frech. Sei's drum, Adrian Blackburn und Kollegen haben bei Domino Recordings für den 22. Oktober ein weiteres Album angekündigt, "Fantasy Island" soll es heißen und nach "Fine Dining" kommt gerade der Titelsong mit Video um die Ecke. Und wir freuen uns und hoffen inständig, dass sie bald auch wieder mal höchstselbst auf den Brettern stehen.

Update: Man konnte und kann über die Musik von Tina Turner sehr wohl geteilter Meinung sein, aber ihre Version von Ann Peebles Hit "I Can't Stand The Rain" (Private Dancer, 1984) gehört sicherlich mit zu ihren besten Songs. Ob gleiches für The Clinic gilt, muss jede/r selbst entscheiden, hier jedenfalls ihre Version.





Mittwoch, 8. September 2021

Gustaf: Jede Menge Spass [Update]

Wenn man weiß, dass ein jedes Ding zwei Seiten hat, dann ist alles gut. Also, nicht immer gut, aber man ist zumindest vorbereitet. Und bei der New Yorker Band Gustaf sollte man sich wohl auf einiges gefaßt machen, denn schaut man sich die Presseshots oben und die Videos unten an, dann wird schnell klar, warum die Freunde aus einer so chaotischen Stadt kommen müssen. Im vergangenen Jahr erschienen von der Band die beiden Singles "Design" und "Mine", nun kündigen Tine Hill (Bass), Vram Kherlopian (Gitarre), Melissa Lucciola (Drums), Tarra Thiessen (Gesang, Percussion) und Lydia Gammill (Gesang) für den 1. Oktober via Royal Mountain Records ihr Debütalbum "Audio Drag For Ego Slobs" an. Das alles wird von dem neuen Song "Book" und zwei Tourterminen flankiert - sieht ganz so aus, als könnte man mit ihnen viel Spaß haben.

16.11.  Berlin, Cassiopeia
17.11.  Haldern, Haldern Pop Bar

Update: Aller guten Dinge sind vier. Haha, nicht wirklich lustig. Wirklich lustig ist aber das Video zur neuen Single "The Motions" unter Regie von Araque Blanco.








MUNA: Die Rückkehr der Türöffnerinnen

In Sachen Queerpop waren MUNA schon immer die mit den besten Ideen, den griffigsten Hooks, dem tollsten Syle und ja, auch mit dem größten Herzschmerzfaktor. Zwei Alben hat das Trio aus Los Angeles bislang veröffentlicht - das grandios Debüt "About U" (2017) übertraf tatsächlich alle Erwartungen, entsprechend schwierig war es für "Saves The World" zwei Jahre später, die Platte konnte sich aber durchaus behaupten, MUNA blieben also im Gespräch. Und waren für nachkommende Acts wie King Princess, Girl In Red oder Clairo durchaus Türöffnerinnen. Nach einer Akustik-EP steht nun offenbar neues Material an, denn gerade haben Katie Gavin, Josette Maskin und Naomi McPherson via Saddest Factory Records ihre neue Single "Silk Chiffon" vernetzt und als Zusammenarbeit mit Phoebe Bridgers, deren Tour sie in den nächsten Woche passenderweise begleiten werden. Über den Inhalt des Songs gibt es, schaut man sich das Video von Ally Pankiw an, nicht viel zu rätseln, die Band meint schlicht es wäre ein lied "for kids to have their first gay kiss to".


Sonntag, 5. September 2021

Pink Milk: Tiefschwarz mit Überraschungen

Auch wenn der warme Spätsommer momentan noch andere Signale sendet - unsere sonntägliche Rundreise steht heute ganz im Zeichen dunkler und eher unterkühlter Sounds. Wir beginnen passenderweise oben im Norden, und zwar auf der schwedischen Insel Gotland. Dort haben 2017 Maria und Edward Forslund die Formation Pink Milk gegründet, für ihre Spielart von Post-Punk, Gothrock und Shoegazing waren die Vorbilder in Bauhaus, Joy Division und den Cocteau Twins schnell benannt und nach dem ersten Album "Purple" gab es an deser Auswahl auch keinerlei Zweifel. Überraschungen waren bei aller Düsternis dennoch zu hören, so sind einige der Songs auch in schwedisch eingesungen und das Duo traute sich für den Schluss der Platte gar an ein Cover des Schnulzenhits "I Want To Know What Love Is" von Foreigner. Für den 22. Oktober ist nun das zweite Album "Ultraviolet" via Black Hair Records angekündigt, mit "Here Comes The Pain" schicken sie heute die letzte Vorauskopplung nach "Vill Ha Dig" und "Blue Eyes (River Of Glass)" in die Runde.