Freitag, 28. Juni 2019

Le Butcherettes: Kaum zu bändigen

Le Butcherettes
„Live At Clouds Hill“
(Clouds Hill)

Dachgeschosswohungen haben ja in den letzten Jahren einen etwas zweifelhaften Ruf erlangt, auch und besonders in Hamburg. Denn gerade dort schlägt die Gentrifizierung über alle Stadtviertel erbarmungslos zu, Schanze, Altona, St. Pauli – der Kiez in seiner ursprünglichen Form geht langsam aber sicher vor die Hunde, alles wird kern- und luxussaniert, mach’s gut, alte Hanse. Auch in Veddel an den Elbbrücken wird das nicht anders aussehen, allerdings hat man dort schon vor Jahren zumindest eine Adresse einer sehr lobenswerten Verwendung zugeführt. Gleich in der Nähe des sogenannten Entenwerders befinden sich nämlich in einem altehrwürdigen Backsteinbau die Studios und Aufnahmeräume von Clouds Hill Recordings. Und unter diesen Dachschrägen, zwischen allerlei nerdigem, musikalischen Liebhabergerät, treffen sich in unregelmäßigen Abständen verschiedenste Künstler zu Sessions vor Kleinstpublikum – Pete Doherty war zu Besuch, Omar Rodriguez-Lopez ließ sich dort von Jean-Hervé Perón (Faust) um ein Haar das Bein absägen und auch Oberarzt Bela B Felsenheimer musizierte in denkwürdiger Atmosphäre. Zuletzt im März zu Gast die fabelhaften Le Butcherettes aus dem mexikanischen Guadalajara.



Nun weiß, wer Teri Bender Gender jemals mit ihrer Band live erleben durfte, um die kaum zu bändigende Wildheit und Wucht des Garagenpunk-Quartetts. Denkbar schwierig also, diese Energie in einem Take auf Tape (denn das ist die Philosophie der Reihe) und hernach auf limitiertes Vinyl zu bannen. Und dennoch scheint es gelungen. Die Aufnahmen sind in Anbetracht der selbstverordneten Spontaneität vielleicht nicht gerade ein Klangwunder, aber die acht Stücke der 12“, allesamt vom aktuellen Album „bi/MENTAL“, kommen trotzdem roh und räudig genug daher, so dass man eine Ahnung davon bekommt, wieso Konzerte der SchlachterInnen sonst eher kultischen Opferzeremonien als durchgeplanten Genußevents gleichen. Eingezählt wird das Ganze mit Benders furiosem Monolog – mutmaßlich direkt aus dem Kopf ihrer Mutter, die eine laute Klage über rastlose Einsamkeit und unstillbare Lust führt. Danach schwankt alles, wie auf dem Original, zwischen monströsem, schartigem Riffgetrümmer und eingängigen Rocknummern, getrieben von Benders Stimmgewalt. Ein wirklich lohnenswertes Dokument ungebremsten Spieltriebs.

30.06.  Berlin, Bi Nuu
03.07.  Dresden, Chemiefarik
04.07.  München, Feierwerk

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