Mittwoch, 23. September 2020

Sault: Das Manifest

Sault
„Untitled (Rise)“

(Forever Living Originals)

Wie sollen wir sie nennen? Die Unermüdlichen? Die Unbeugsamen? Die Unergründlichen? Oder vielleicht doch die Unfehlbaren? So rätselhaft sich das Londoner Künstler*innen-Kollektiv Sault gibt, so schwer ist auch ihr Output mit den gängigen Superlativen zu fassen: Bemerkenswert, was sie hier, nachdem ja im vergangenen Jahr derer zwei Alben erschienen sind und im Sommer 2020 schon das nächste folgte, erneut vorlegen. Eindrucksvoll, weil Quantität und Qualität auf sehr seltene Weise Hand in Hand gehen und Sault das Kunststück fertigbringen, mit jedem ihrer Werke noch ein Level draufzusetzen. Und das sowohl in thematischer als auch musikalischer Hinsicht. Wurde "Untitled (Black Is)" noch das Versprechen nachgeschickt, konzentriert bei der Sache bleiben zu wollen, nimmt ihnen das beim nun folgenden „Untitled (Rise)“ angesichts der eindeutigen inhaltlichen Ausrichtung ohnehin jede/r ab. Self empowerment rules also, es geht um das Wiedererstarken des Gemeinschaftsgefühls aller persons of color (POC), um Erwachen, um Stärke, um den Kampf und das Überleben. Und zwar in jedem einzelnen Track des Albums. Bei aller möglichen Verkürzung könnte man vielleicht von einer Art schwarzem Manifest sprechen. Ähnlich wie beim Vorgänger „Black Is“ gibt es bei Sault kaum Sprachbilder, Zwischenebenen, Metaphern, alles wird hier klar und direkt angesprochen, Missverständnisse sind ausgeschlossen.

Jedes der fünfzehn Stücke transportiert so einen Teil der übergeordneten Message, die hier vermittelt werden soll, funktioniert mal als Mutmacher, Trostspender, Antreiber, mal geht es gegen Lügen und Vorurteile, dann wieder darum, sich auf Gemeinsamkeiten und Stärken zu besinnen, auch um religiöse Quellen und Wurzeln, die ins Bewusstsein rücken. Sault proklamieren mit einfachen, verständlichen Worten, sie wollen also nicht nur gehört, sie wollen auch verstanden werden. (Und das nicht nur mittels Gesang, sondern wie bei „Rise“, „You Know It Ain’t“ und „No Black Violins In London“ auch mal in Form eindringlicher Monologe oder wie bei „The Black And Gold“ als reines Instrumental, das Stimmung statt Stimme transportiert). Wenn Sault textlich im besten Sinne monothematisch agieren, lassen sie sich bei Sound des Albums in keinster Weise festlegen und packen erneut eine Klangvielfalt in die Arrangements, die nur schwer ihresgleichen findet. Hier wird dem Soul gehuldigt, werden Jazz und Funk gefeiert, wechseln smoothe Streicher und leises Piano mit wilden Percussion-Jams – allein der Song „I Just Want To Dance“ fegt mit seiner sagenhaften Energie jede vornehme Zurückhaltung in viereinhalb Minuten rückstandslos weg. Die trippigen, klackernden Beats hört man auf „Rise“ weniger oft als noch auf „Black Is“, es geht hier deutlich analoger zu, der Lust beim Zuhören tut das keinen Abbruch. Ein ganz großer Wurf, schon wieder.

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