Donnerstag, 29. April 2010

Gefunden_58



Das ist natürlich die Nachricht, auf die alle Interpol-Fans seit Wochen gewartet haben - jeden Tag auf die unaktualisierte Website mit der mageren "2010" zu starren bringt auf Dauer ja auch keine wirkliche Freude. Ob das nun allerdings auch der Song ist, für den sich das lange Warten gelohnt hat - das neue Stück "Lights" gibt es Gratis-Download - bleibt abzuwarten. Etwas befremdlich ist die Einstiegsoptik der neuen Seite geraten, nach Naturfotografie nun die technoide Schriftzugsanimation, die eher an die THX-Filmchen im Kino erinnert als an eine Avantgarde-Band.
http://www.interpolnyc.com/

Mittwoch, 28. April 2010

Gehört_133



LCD Soundsystem „This Is Happening“ (DFA)
James Murphy ist ein lustiger Kerl. Erst kürzlich konnte man in der SPEX, dem Besserwisser- und Auskennerblatt Nummer eins, Murphys Ansichten über die Figuren der Sesamstraße, insbesondere seinen Favoriten Kermit und dessen spezielle Charakterzüge lesen. Kermit nämlich habe die seltene Gabe, sich bei Peinlichkeiten unangenehm berührt zu fühlen und dies mit seinem unnachahmlichen Knautschblick zum Ausdruck zu bringen. Peinlichkeit, so Murphy weiter, sei eine große Triebfeder menschlicher Entwicklung und werde generell sehr stark unterschätzt. Soso. An dem neuen Album von LCD Soundsystem jedenfalls ist so überhaupt nichts peinlich, es ist sogar – sorry, möchte man fast sagen – mutmaßlich schon jetzt eines des besten dieses Jahres. Nur wenigen seiner Kollegen – er ist ja eher Projektmanager denn Bandleader – gelingt es mit so unverschämter Lockerheit, zwischen endlos gelooptem Dancetrack und klassischer Songstruktur hin- und herzuschalten und das nun schon mit dem dritten Album in Serie. Auch „This Is Happening“ weiß in jeder Hinsicht und jeder Minute zu überraschen: Der Opener „Dance Yrself Clean“ beginnt noch leise und fast schüchtern, nur um dann zur Mitte hin urplötzlich mit vier Schlägen gleichsam zu explodieren und dem Hörer damit klar zu machen, dass lauwarmer Kuschelpop hier nicht zu haben ist. Das folgende „Drunk Girls“ ist dann einer von diesen grandios hingerotzten Songs, die Murphy anscheinend immer aus der Tasche zaubern kann, die auch ahnen lassen, warum dieser Mann soviel Spaß daran hatte, eine Punkband wie Six Finger Satellite zu produzieren. Eben dieser Song ist im Übrigen auch ein Grund, warum LCD Soundsystem sich mit Coverversionen von Joy Division nie zum Affen gemacht haben, weil sie anders als mancher Grabschläfer wissen, dass JD zu einem nicht unerheblichen Teil auch eine fabelhafte Tanzband waren. Weiter mit „One Touch“ – ein Synthesizer stöhnt sich in höhere Lagen, Sprechgesang und treibender Retrobeat, perfekt. „All I Want“ eröffnet mit zuckersüßer New-Order-Hookline, bevor Murphy das Ganze mit herrlich umeinandertorkelnden Dissonanzschleifen verziert und so die allzu verführerische Harmonie gleich selbst wieder bricht. Und so geht es klug dahin, über das gesungene Understatement von „You Wanted A Hit“ mit Joachim-Witt-Gedächtniseinstieg – „...we are not dangerous...“ (und ob!) und „...you wanted a hit but that’s not what we do...“ (was denn sonst?), zum lässigen und zugleich vertrackten „Pow Wow“, das wiederum verteufelt an den ollen Diskokram von Hot Chocolate erinnert – der Mann kennt keine Schmerzen. Wie auch immer – diese Platte ist nicht nur niemals peinlich, sie wird auch zu keinem Zeitpunkt langweilig, macht Spaß, hat Witz und James Murphy ist spätestens jetzt eine, meine Lieblingsband.
http://www.lcdsoundsystem.com/thisishappening/

Donnerstag, 22. April 2010

Gelesen_5



T.C. Boyle „Das wilde Kind“ (Hanser)
Dieses Buch hat mir wieder einmal bewiesen, dass man auch auf sehr unterschiedlichen Wegen zum selben Ziel gelangen kann. Denn früher, meint vor ungefähr zehn Jahren, wäre mir ein neuer Titel von T.C. Boyle nicht einfach nur zufällig in die Hände gefallen. Zu diesem Zeitpunkt hatte jeder neue Roman schon in ungelesenem Zustand den Stellenwert einer Bibel, gehörten Sachen wie „Grün ist die Hoffnung“, „Wassermusik“, „World’s End“ und „América“ zur Kategorie Bücher, deren Namen ohne Überlegen der Frage „Du mußt allein auf eine Insel. Was nimmst Du ...?“ folgten. Früher. Denn irgendwann war ein rätselhafter Sättigungsgrad erreicht, den ich mir selbst schlecht erklären konnte, „Ein Freund der Erde“ wurde noch pflichtgemäß, aber mit viel Mühe beendet, danach aber habe ich den zauseligen Amerikaner irgendwie aus den Augen verloren, hat mich eine Neuankündigung, so ich sie mitbekam, nicht mehr gereizt.
Vor ein paar Tagen nun habe ich mir dieses Buch gegriffen, weil ich das Cover umwerfend fand und mich der Titel – vielleicht geht das manch anderem jungen Vater auch so – auf eine fast rührende Art angesprochen hat. Neugier also und dann die Feststellung, doch wieder bei Boyle gelandet zu sein.
Der Klappentext verrät, dass Boyle den Erzählstrang dieses Buches ursprünglich für „Talk Talk“ verwenden wollte, sich dann aber anders entschied – gut so, ich hätte ein lesenswertes Buch verpaßt. Denn die Lektüre war, wenn man das anhand des eher traurigen Themas überhaupt sagen darf, sehr erfreulich. Boyle schafft es, mit seiner sprachlichen Kunstfertigkeit eine sehr beklemmende, der damaligen Zeit entsprechende Grundstimmung zu erzeugen, zieht den Leser zudem mühelos in den Plot und entläßt ihn am Ende ähnlich bedrückt und ratlos wie einen Großteil der handelnden Personen. Dass die Umerziehungsmaßnahmen dieses ausgestoßenen Kindes schlußendlich zwangsläufig scheitern müssen, wird in Kenntnis der beschränkten Mittel früherer Zeiten und der gesellschaftlichen Schranken und Zwänge überdeutlich und schnell klar. Insofern kann das Buch durchaus auch als erwachsener Gegenentwurf zum Dschungelbuch und der doch sehr kindlich-naiven Sichtweise auf das Schicksal von Mowgli herhalten, wenn auch dieser Vergleich – zugegeben – arg weit ausholt.
Boyle jedenfalls, das zumindest für mich die wichtigste Nachricht, hat mich wieder und ich werde wohl zukünftig wieder etwas genauer in den Verlagsankündigungen stöbern müssen.
http://de.wikipedia.org/wiki/T._C._Boyle

Dienstag, 20. April 2010

Gehört_132



The Hold Steady "Heaven Is Whenever" (Rough Trade)
Okay, das können wir kurz machen: Keine Ahnung, woher diese Band ihre Meriten hat, warum sie in der Fachpresse so umjubelt wird, warum sie um Himmels Willen noch unter der Firmierung Indierock läuft. Das ist ganz hundsgemeiner Collegerock der langweiligen, der sehr durchschnittlichen Sorte. Möglich, dass sie früher mal besser waren, möglich auch, dass sie einen erstklassigen Ruf aus alten Tagen zu verteidigen haben, vielleicht sehen sie auch einfach nur zu smart aus, als das man ihnen solche Musik zutrauen würde - wenn ich ehrlich bin, will ich das aber gar nicht wissen. Für die intelligente Version jedenfalls greife ich mir Nada Surf aus dem Regal, für mehr Spaß vielleicht Weezer, aber The Hold Steady bleiben leider ungekauft stehen. Und wenn dann wieder irgendein Schlaumeier daherkommt und meint, man solle doch erst mal die Dolby-5.1-Superduperversion abwarten und diese dann noch drei Wochen wirken lassen, dann soll er das gefälligst allein machen, da ist mir meine Zeit zu schade ...
http://theholdsteady.net/

Gehört_131



Paul Weller „Wake Up The Nation“ (V2)
Dass ein Mann wie Paul Weller, der in diversen Nachschlagewerken neben Herren wie Brown und Cash schon in der Topkategorie „Godfather of ...“ geführt wird und noch dazu mehrmals öffentlich schamlos mit den Gebrüdern Gallagher fraternisiert hat, dass so ein Mann keine Versagens- und Berührungsängste kennt, dürfte jedem klar sein. Nicht ganz so wohlmeinende Menschen haben allerdings nach seinen letzten Veröffentlichungen (vorerst kleinlaut) behauptet, der Kerl habe ein Motivations-, schlimmer noch, ein Kreativitätsproblem. Nichts, aber auch wirklich gar nichts davon ist auf „Wake Up The Nation“ zu hören, man möchte im Gegenteil sogar kühn behaupten, Weller klang selten so laut, so frisch und – ja, straight. Man muss sich wirklich fragen, in welchen Jungbrunnen er wohl gefallen ist, denn Song auf Song holt Weller Überraschendes aus der Wundertüte, läßt nichts aus und hält dieses Tempo bis zum Ende der sechszehn Stücke auch tatsächlich durch. Mit „Moonshine“, „Wake Up The Nation“ und „Fast Car, Slow Traffic“ ist er so nahe bei The Jam wie selten zuvor, bei „Two Fat Ladies“ regelt er am Ende sogar die Drehzahl noch um eine punkige Spur höher. Dazu gibt es erstklassigen Northern Soul (No Tears To Cry), Progrock (Andromeda) und selbiges in der psychedelischen Breitwandvariante (Find The Torch, ...), wo selbst ein „Schalala“-Refrain irgendwie charmant wirkt, aufgepimpten 70s-Rock bei „7&3 (Is The Strikers Name)“ und „Up The Dosage“, Instrumentals, Swing und Shuffle (Aim High, Trees) – die ganze Palette, das volle Programm. Deutlich zu hören, dass da jemand mit viel Spaß bei der Sache war. Dass der Mann sich nun auf seine alten Tage auch noch zum politisch ambitionierten Protestler mausert, nur weil der Plattentitel diese Vermutung hergibt, ist nicht zu erwarten – dafür gehört er wohl schon zu lange zum hippen Establishment und möchte sicherlich auch dem Kollegen Billy Bragg seinen Job nicht streitig machen. Wohl dosierter Sarkasmus und beißende Ironie bleiben also eher die Waffen seiner Wahl. Musikalisch jedenfalls muß sich Weller mit dieser Platte nirgendwo hinten anstellen. Wenn er sich nur dieses lästige Gepose mit dem Britpopkindergarten schenken würde ...
http://www.paulweller.com/

Sonntag, 18. April 2010

Gehört_130



Kate Nash „My Best Friend Is You“ (Polydor)
Darf man dem deutschen Rolling Stone Glauben schenken, so herrscht gerade auf dem Sektor der weiblichen Solosangeszunft eine geradezu unmenschliche Leistungsdichte. Im Big Business tummeln sich hier mit Katie Melua, Norah Jones, Lily Allen, Adele und Amy Macdonald mit zwar recht unterschiedlichen musikalischen Stilen, jedoch hoch ambitioniert die sattsam bekannten Stars, wobei der Altersdurchschnitt selbst dieser vermeintlich arrivierten Solistinnen nur knapp über der amtlichen Volljährigkeit liegen dürfte. Der Nachwuchs drängt mit La Roux, Ellie Goulding oder der Harfenzupferin Joana Newsom unerbittlich von hinten nach, da ist es schwer, die Übersicht zu behalten und ebenso schwer, die hart erkämpfte Popularität zu behaupten. Auch Kate Nash hat vor drei Jahren mit ihrem Debüt „Made Of Bricks“ in und außerhalb ihrer britischen Heimat für einiges Aufsehen gesorgt und auch sie muß – was ist eigentlich die weibliche Entsprechnung von Platzhirsch? – um ihren Stammplatz in der Hörergunst bangen und kämpfen. Dem neuen Album ist dieser Kampfeswille deutlich anzumerken, „My Best Friend Is You“ möchte deutlich reifer, härter und unangepaßter klingen als der Vorgänger. Die Losung lautet: Heraus aus der Nettigkeitsfalle (in welche Kollegin Macdonald gerade erst ungebremst gerauscht ist) und zuweilen gelingt ihr das auch ganz anständig: Das mantraartige, zickige „I Just Love You More“ läßt kurz an Karen O. oder auch Übermutter Kim Gordon denken, mit dem wütenden Sprechgesang im „Mansion Song“ verdient sie sich offenkundig ihren „Parental Advisory …“-Sticker. Die Texte einmal mehr übervoll von Reflektionen über unerfüllte Erwartungen und falsches Anspruchsdenken (Doo-Wah-Doo), Generationskonflikte, kleine Fluchten (Take Me To A Higher Plane) und die ganz persönlichen Verluste, Niederlagen und geheimnisvollen Momente (I’ve Got A Secret, I Hate Seagulls), kaum ein Song bleibt ungebrochen und ohne bewußt gesetzte Kontrapunkte. Weniges klingt so gefällig wie „Kissed That Grrrl“ oder das verspielte „Early Christmas Present“, der Widerspruch wird zum selbstbefohlenen Programm. Es ist abzusehen, dass ihr diese betonte Unentschiedenheit, dieser Verzicht auf den schnellen Erfolg einiges an Akzeptanz beim formatverwöhnten Chartpublikum kosten wird und man kann nur hoffen, dass sie etwas mehr Ausdauer besitzt als ihre Schwester im Geiste Lily Allen. Als Statement im Sinne von „Gekommen um zu bleiben“ war diese Platte trotz aller Ecken aber womöglich genau der richtige Schritt.
http://www.katenash.co.uk/

Freitag, 16. April 2010

Gefunden_57



Ich sollte mir doch mal meine Personalakte anschauen, ob ich nicht auch solch eine Auszeichnung verliehen bekommen habe. Obwohl, was heißt hier überhaupt Personalakte? Der Möglichkeiten gibt es viele - Geburtsurkunde, Personalausweis, Heiratsurkunde (kam mir schon komisch vor, dass meine Frau soooo lange für die Unterschrift gebraucht hat) ...

Dienstag, 13. April 2010

Gehört_129



Black Francis „Nonstoperotik“ (Cooking Vinyl)
Hat jemand mitgezählt? Schwer, den Überblick zu behalten bei dem Ausstoß, den Frank Black dem Publikum alljährlich um die Ohren haut. Vierzehn bis sechszehn reguläre Alben mit wechselnden Pseudonymen und Begleitbands sollten mittlerweile zusammengekommen sein, also ganze drei Mal soviel wie er mit den so schmerzlich vermißten Pixies aufgenommen hat. Man kann davon ausgehen, dass ihm das herzlich egal sein wird – der Mann ist bekannt für sein gigantisches Ego und seine, trotz aller nicht verstummenden Wiedervereinigungsgerüchte, liebevoll gepflegte Abneigung gegenüber seiner früheren Kultkombo – „Death To The Pixies“, you name it! Man könnte allerdings auch mutig behaupten, die Qualität seiner Songs im Zuge dieser Schaffenswut habe sich nicht hörbar gebessert. Wohl eher zwangsläufig finden sich unter diesen „tonns of songs“ ettliche weniger gut gelungene, durchschnittliche – im Umkehrschluß fallen mir dann auch nicht so viele ein, die sich quasi als Widerhaken im Gedächtnis festgebissen hätten. Und auch auf dem neuen Album, dem zumindest schon mal ein vorderer Platz in der Jahresendwertung für den dümmsten Titel sicher ist, knapp hinter den Foals (Total Life Forever), findet sich das komplette Spektrum zwischen halbgaren Langweilern und interessanten und ansprechenden Songs. Dabei hat hier Qualität nicht unbedingt etwas mit der Nähe zum Sound der Pixies zu tun, gerade das Eröffnungsstück „Lake Of Sin“ als lärmender Rockfetzen mit Neil-Young-Feedback und blackschem Gejaule hätte es so nie auf eine frühere Platte geschafft und ist doch ein erste Highlight von „Nonstoperotik“. Bis zu den beiden Pixies-Lookalikes „Corinna“ und dem herrlich überdrehten „Six Legged Man“ passiert dann aber erst mal nicht viel, gut abgehangener Bluesrock, harmlos, spannungsarm und irgendwie unnötig. Der „Wild Son“ ist auch nicht so „wild“ und versucht den Spagat zwischen kratziger Gitarre und Pianogeklimper – naja, mutig vielleicht, reichlich psychedelisch dazu. Für „When I Go Down On You“ hätte er durchaus auch in Nick Cave einen passenden Abnehmer gefunden, zur Not hätte’s wohl auch Bono getan, ein schöner Song zweifellos, aber von/mit Frank Black? Das Titelstück ist dann noch mehr Ballade und in dieser Konsequenz doch wieder irgendwie anrührend. Zum Glück ist Black keiner, der ein Album „ausklingen“ läßt, schon aus diesem Grunde ist das elektrische „Cinema Star“ beruhigende Nachricht und willkommener Schluß zugleich. Trotz aller Brüche und Überraschungen für mich jedoch kein so überzeugendes Album, aber wer weiß, das Jahr ist noch jung, vielleicht hat der dicke Mann ja noch was im Sack?
http://www.blackfrancis.net/

3:0



Ja also - wenn ich dafür gelitten habe in Augsburg, dann soll mir das recht sein. Denn dieses Spiel wird man sich später einrahmen können. Nach zerfahrenem und zögerlichem Beginn haben sich die Jungs ins Spiel gebissen und eine grandiose zweite Halbzeit abgeliefert - Matze Lehmann mit prächtigem Distanzschuß und Marius "Fußballgott" Ebbers mit zwei ganz und gar sehenswerten Treffern, dazu ein rundumverbesserter Charles Takyi und ein überragender Mathias Hain plus geschlossene Mannschaftsleistung - Wiederauferstehung, Schlussspurt, Ausrufezeichen, Ansage, das war alles in einem. Jetzt also volle Konzentration, 240 Minuten und dann: "Nie mehr, nie mehr nie mehr, 2. Liga, nie .... !"
Kompliment am Rande für dieses Bild, Antje - da warst Du wohl zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle, was?

Freitag, 9. April 2010

Gehört_128



We Have Band „WHB“ (Naive)
Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wieviel Potential die ewig abschätzig belächelten 80er offenbar für die aktuelle Musikszene haben (müssen) und wie viele Bands sich nach wie vor erfolgreich und ohne größere Abnutzungserscheinungen an ihnen abzuarbeiten vermögen. Nimmt man nur die markantesten Beispiele der letzten Monate, dann tummelt sich mit Zoot Woman, Hot Chip, Empire Of The Sun, MGMT und Groove Armada eine ganze Menge Prominenz im eigentlich überfischten Becken. Nun springen als auch noch die Londoner We Have Band hinterher und drängeln sich gekonnt durch das komplette Retrorepertoire aus Wave, Dance und Electro bis hin zur Italo Disco. Sie machen das nicht ungeschickt und für meine Begriffe deutlich abwechslungsreicher als beispielsweise die gehypten Delphic, deren breitgewalzte Wiederholungsmasche sich schnell als fade und langweilig entpuppte.
We Have Band fügen den bekannten Zitaten noch ihre eigenen Verzierungen hinzu, beim verträumten „Buffet“ sind es Anleihen bei der Beta Band, für das zackige „Divisive“ lassen sie die Synthies der frühen Depeche Mode so verwegen klimpern, dass es eine wahre Freude ist. Das softe „Love, What You Doing?“ meint man im letzten Jahr schon von Hercules & Love Affair gehört zu haben, nur fehlt hier der einschmeichelnde Falsettgesang von Antony Hegarty. Zwei weitere Vorbilder mit gemeinsamen Berührungspunkten, die sicher auch mit zur „Backmischung“ gehört haben – von den späten New Order haben WHB die Leichtfüßigkeit der Gitarrenloops (How To Make Friends), von LCD Soundsystem offenkundig die Tanzbodentauglichkeit (Oh!) übernommen. Für drei Songs wechselt zur Hälfte des Albums das Mikro zum weiblichen Part der Band, Dede WP’s zickiger Sprechgesang gibt Stücken wie „Honey Trap“ und „You Came Out“ trotz Retrokostüm noch einen frischen Anstrich. Produziert hat We Have Band im Übrigen Gareth Jones, der schon die komplette Farbpalette des New Wave und Post Punk an den Reglern begleitet hat und u.a. auch bei den erwähnten Depeche Mode für deren wegweisende Alben „Construction Time Again“, „Some Great Reward“ und „Black Celebration“ verantwortlich zeichnete. Am Ende von „WHB“ weiß man, dass dies keine so schlechte Entscheidung gewesen sein kann.
http://www.wehaveband.com/

MML R.I.P.


Donnerstag, 8. April 2010

Gelesen_4



Martin Suter „Der Koch“ (Diogenes)
Jede Ankündigung eines neuen Buches von Martin Suter löst in meinem Bekanntenkreis regelmäßig eine Art freudige Hysterie aus, gefolgt von so schwerwiegenden Fragen wie: „Wer kauft’s?“, „Wer bekommt’s zuerst?“ und dem drängenden „Schon fertig?“. Solche liebgewonnenen Zeremonien werden mit der Zeit zu Selbstläufern, unabhängig davon, ob das vorangegangene Buch die Aufregung wert war oder nicht. Wobei man gerechterweise sagen muß, dass Suter eigentlich noch kein schlechtes Buch geschrieben hat – nimmt man seine Romane, so kann man eher von sehr subjektiven, qualitativen Abstufungen sprechen. In meinem persönlichen Suter-Kosmos schweben „Small World“ und „Die dunkle Seite des Mondes“ in unerreichten Höhen, umkreist von den mehr als respektablen „Lila Lila“ und „Der letzte Weynfeld“, etwas ferner und mehr glimmend statt leuchtend dagegen „Der Teufel von Mailand“ und „Ein perfekter Freund“. Soweit die Relationen, in die sich nun „Der Koch“ einfügen wird und ich muss zugeben, er zählt für mich nicht zu den Fixsternen unter den Werken des Schweizers.

Suter wagt sich ja bekanntlich an seine bisher weltumspannendsten Themen, neben dem aus der „Business Class“-Reihe geschulten Blick auf die allgegenwärtige Weltwirtschaftskrise führt er den Leser ein in den Bürgerkriegskonflikt in Sri Lanka zwischen der separatistischen Guerilla-Organisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) und der präsidententreuen singhalesischen Armee. Beide Schauplätze finden im Gourmetrestaurat Huwyler ihren eidgenössischen Bezug und im Besonderen natürlich in der Hauptperson des Romans, dem Exiltamilen Maravan, dessen Verwandschaft in den Krieg unmittelbar verwickelt ist und der über Internet und Kontaktbüros bewußt und im Kontakt mit düsteren Rekrutierungsschergen der LTTE unfreiwillig an den Verwicklungen teilnimmt.

Maravan, ein grob unterschätzter Meister der ayurvedischen Molekularküche, durchaus auch mit den entsprechenden aphrodisierenden Nebenwirkungen vertraut, erscheint als nachdenklicher, bedrückter und moralisch zerrissener Mensch, in dessen Person sich die Probleme des Aufeinanderprallens westlicher und fernöstlicher Wertevorstellungen fokussieren, der aufgerieben wird zwischen seinem selbstverordneten oder auch mißverstandenen sozialen Ethos und den Bedürfnissen seines einsamen Herzens. Es kommt also wie erwartet zu zahlreichen Gewissenskonflikten, Beziehungsproblemen, Suter läßt seine Protagonisten wie gewohnt in allen Facetten beleuchten und zeichnet so eine/n jede/n auf seine Art als widersprüchliche Mischung aus Opfer und Täter. Die Ironie und der Spott sind beißend und ansprechend wie immer, wenn er zum Beispiel den Koch auf die Frage nach dem Wegfall der Kasten sinngemäß antworten läßt, es käme eben jetzt darauf an, in welcher der Kasten man früher gewesen sei.

Die Recherche, Suters unschlagbares Pfund bei allen seinen Romanen, ist wie üblich profund und überzeugend, was leider fehlt ist Geschwindigkeit, ist finale dramaturgische Zuspitzung, die einen das Buch nicht mehr aus den Händen legen läßt. Wie auch sein Hauptcharakter, so sind die Erzählstränge eher zurückhaltend pointiert und am Ende ist man von der Auflösung, die das Buch erfährt, so gar nicht überrascht und erst recht nicht aufgeregt. Das ist schade, zumal man um Suters Fähigkeiten weiß, die Spannung auf den letzten Seite kulminieren zu lassen, ungeahnte Wendungen einzubauen und dem Leser so den Atem zu rauben. Wem das nun fehlt, der kann sich wenigstens mit einem ausführlichen Kochbuchexkurs im Anhang trösten und beim Nachkochen der Menüs vielleicht in geschmacklicher Hinsicht dem Roman noch etwas Verblüffendes abtrotzen.
Martin Suter bei DIOGENES

Mittwoch, 7. April 2010

Gefunden_56



Man sollte es einem jungen Vater wie mir nachsehen, dass er nicht so oft wie er will ins Kino rennen kann und deshalb mit dieser mäßig neuen Nachricht erst jetzt um die Ecke biegt, aber der Hinweis ist trotzdem unbedingt erforderlich: Im Juni diesen Jahres startet in Übersee der dritte Teil des Pixar-Klassikers TOY STORY. Und was soll ich sagen - mit den Worten meines Idols Florian Silbereisen: I gfrei mi riiiiesig!
Teaser und Trailer

Gehört_127



Lali Puna „Our Inventions“ (Morr Music)
Keine rechte Ahnung, warum es so still war in letzter Zeit um Valerie Trebeljahr und Lali Puna, ihr letztes reguläres Album „Faking The Books“ datiert mittlerweile auch schon von 2004 und selbst danach gab es nur sparsame Wortmeldungen wie zuletzt auf dem letzten B.Fleischmann-Album „Angst Is Not A Weltanschauung“. Möglicherweise liegt es daran, dass seit geraumer Zeit Folk das neue Leise ist und sich die verspielte und verträumte Elektronik aus dem Hause Acher ein wenig schwer tut mit der Akzeptanz beim Hörer. Kann aber auch sein, dass sich Lali Puna in puncto Veröffentlichungszyklus einiges bei ihren Labelmates Notwist abgeschaut haben, die ja bekanntermaßen die Zeitspanne zwischen zwei Alben stetig erweitern, unabhängig davon was Markt und Anhängerschaft so alles hergeben bzw. wünschen. Geschadet hat die lange Verschnaufpause auch dem aktuellen „Our Inventions“ nicht, es ist wieder eine sehr runde, gelungene Arbeit geworden. Der Sound gewohnt feingliedrig, verwoben und bedächtig, die Stücke sanft und größtenteils zurückhaltend instrumentiert. Alles wieder Sachen, die man sich besser zu später Stunde vornimmt, wo man sich ohne Ablenkung die verschachtelten Strukturen besser „erhören“ kann, wo die hingetupften Klangideen besser zur Geltung gelangen – Stücke wie „Rest Your Head“ und „Remember“ sind im besten Sinne Wellness für abgestumpfte Gehörnerven. Die vorsichtige Beschleunigung bei „Move On“ und „Save Tomorrow“ kann auch gefallen und bleibt im angenehmen Rahmen – warum, so fragt man sich, hat sich Madame Goldfrapp nicht mal einen Abstecher nach Weilheim gegönnt, bevor sie sich mit ihrem neuen Album so grandios verhauen hat. Sie hätte einiges lernen können ...
"Our Inventions" Album Stream

Dienstag, 6. April 2010

Gefunden_55



Den Hinweis auf die Veranstaltung selbst hat man hier leider nicht gefunden, da darf wenigstens ein deutlicher Fingerzeig in Richtung Ergebnis des Ganzen nicht fehlen: Die Münchner Villa Stuck hatte kürzlich unter dem Banner "SONIC STUCK" zu einem eigenen Bandwettbewerb inkl. Workshop und Videodreh geladen, als naheliegender Bezug galt die Ausstellung von Chris Koch "343 m/s" im Rahmen der Reihe RICOCHET. Koch, selbst leidenschaftlicher Musiker, lieferte mit seinen Bildern und Installationen quasi die Textur zum Contest und am 14. März, zur Finissage durften die vier Finalteilnehmer unter leidenschaftlicher Anteilnahme und frenetischem Beifall ihre Arbeiten präsentieren. Hörens- und sehenswert allesamt, gibt's hier zu bestaunen: ricochet-blog.de

Gehört_126



Silly „Alles Rot“ (Universal)
Ich gebe zu, mir sind Silly recht bald nach der viel umjubelten „Wende“ abhanden gekommen, wühlten sich doch meine Hände, Augen und Ohren durch den neu gewonnenen Überfluß. Hinzu kam eine unbedingte Abneigung gegen alles, was auch nur ganz entfernt den Ruch verklärender Ostalgie verströmen konnte – kurz: So wie Silly in meiner ostdeutschen Jugend meine Musik zu meiner Zeit waren, so sehr waren sie es danach eben nicht mehr. Dabei hatte ich mir sehr wohl auch selbst solche verklärenden Momente zur Seite gelegt – nach einem Konzert im heimischen Kreiskulturhaus rannte ich nervös und aufgeregt in den Backstagebereich, um mir von Tamara Danz mit dem Edding ein Autogramm auf den Unterarm schreiben zu lassen. Selbstredend wurde der Arm eine Woche nicht mehr gewaschen. Solche Erinnerungen und natürlich viele liebgewonnene Zeilen und Melodien von damals konserviert (So’ne kleine Frau, Liebeswalzer, Bataillon D’Amour,...), trotzdem Tamaras frühen und tragischen Tod nur noch wie aus weiter Ferne vernommen – und nun steht da die alte Band mit neuer Frau, nach zehn Jahren für viele, nach fast fünfundzwanzig für mich, und ihre neue Platte fragt mich: Funktioniert das und funktioniert das für dich?

Zu behaupten, Silly hätte nichts Besseres als Anna Loos passieren können, bekommt natürlich sehr schnell einen makaberen Beigeschmack. Nach all der langen Zeit des Abwägens und des Zögerns aber war das wohl der Königsweg. Loos nimmt die Band mit ihrer Unbefangenheit, mit ihrer sehr wachen, offenen Art und natürlich auch mit ihrer Prominenz zweifellos heraus aus der Klischeefalle, mit ihr haben sie trotz ähnlicher geschichtlicher Prägung die Chance, auf ihre alten Tage noch ein gesamtdeutsches Kapitel zu schreiben. Es ist gut zu hören, dass Anna Loos weder versucht, ihre stimmliche Ähnlichkeit zu Tamara Danz zu kaschieren noch sie hervorzuheben, sie singt ebenso kraftvoll und sicher, gleichwohl fehlen die rauchige Brüchigkeit, das Verruchte und Lebenssatte im Timbre – doch stören tut das nicht, es sind jetzt ihre Lieder. Ein zweiter erfreulicher Umstand ist die Tatsache, dass Silly zwar ohne Tamara Danz können, aber nicht ohne Werner Karma und dass gerade er wieder gewonnen werden konnte – so bleibt ein gesunder Bezug zur Vergangenheit gewahrt und gibt dem Album ein verlässliches Gerüst.

Dabei gelingt ihm beileibe nicht jeder Text mit der gleichen Güte und auch die Band geht für meine Begriffe auf „Alles Rot“ durch Höhen und Tiefen – das ist sie jetzt natürlich, die ganz subjektive Wertung. Denn generell vermag ich die Frage nach dem Gelingen zwar mit „ja“ zu beantworten, für mich persönlich geht das aber nur bedingt auf. Die meines Erachtens großen Lieder haben Silly in die erste Hälfte des Albums gestellt, „Alles Rot“, „Ich sag nicht Ja“ und „Nackter als Du“ gelingen mit sattem, vollem Klang und hintersinnigen Texten, auch wenn mir die Coldplay-Anleihe bei letzterem fast schon zu dick aufgetragen ist. Auch „Flieger“, „Findelkinder“ und „Erinnert“ müssen den Vergleich mit Gegenwärtigem nicht scheuen und behalten ihre eigene, unverwechselbare Note. Womit ich so meine Probleme habe ist die etwas eindimensionale Ausrichtung des Sounds. Zu oft werden mir die Regler auf Anschlag gedreht, zu sehr scheint mir der elektronisch veredelte Breitwandrock von Depeche Mode als moderne Blaupause gegolten zu haben. Dass Silly nie eine Band von fragiler Zartheit war, weder im Text noch in der Musik, damit kann ich leben – sie waren eben nie leicht zu haben. Aber die leisen, die besonnenen Töne, früher oft riskiert, haben es nicht leicht auf diesem Album. Bis zum zehnten Song (Warum ich) muß warten, wer hier etwas vermißt und auch dann wird am Ende noch das Orchester zugeschaltet. „Mein Kapitän“ ist mir zu breitbeinig, zu deutschrockig geraten, bei „Noch“ scheinen mir die Betroffenheitsmetaphern mit dem Holzhammer zusammengenagelt und „Ich verlasse mich“ („... die Wörter geben es in Deutsch nicht her...“) ist für mich leider nur schwülstige Beischlaflyrik ohne Charme und das gewohnte Augenzwinkern.

Die traurig sehnsüchtigen und zugleich hoffnungsvollen „Sonnenblumen“ zum Schluß versöhnen wieder, zeigen, dass sich hier in und mit der Erinnerung etwas gefunden hat, was vielleicht, was hoffentlich noch länger Bestand haben wird. Für manchen als Trost aus der alten Zeit, als Alternative und möglicherweise als Beleg dafür, dass der gewagte Neuanfang trotz aller Tücken und Stolpersteine trotzdem ein gelungener werden kann.
http://www.sillyhome.de/allesrot/allesrot.html

Donnerstag, 1. April 2010

Gefunden_54



Kurz vor dem Osterfest noch eine schöne Überraschung ohne langes Suchen: Tocotronic haben das Video zum mutmaßlich besten Song ihres aktuellen Albums "Im Zweifel für den Zweifel" abgedreht - ein wunderbarer Streifen staring Ingrid Caven, zu sehen seit heute bei tape.tv.

Gehört_125



Dum Dum Girls „I Will Be (Sub Pop)
Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die umtriebige und heißhungrige Szene die Dum Dum Girls zum neuesten “heißen Scheiß” aus den Staaten ausrufen würde, bringen sie doch alle nötigen Attribute für diese Kategorie mit: Vier Mädels aus dem sonnigen Kalifornien spielen blechernen, auf billig produzierten Garagepunk, Surfgitarren satt, schnell, kurz und auf den Punkt. Dazu die passende Attitüde, lustige Songtitel (von denen es das frühere „Catholicked“ leider nicht aufs Album geschafft hat), ein paar gelungene Liveauftritte und fertig ist der Hype. Es läßt sich allerdings auch recht wenig dagegen sagen – die Songs klingen frisch hingerotzt und gerade die schnelleren (Jail La La, Yours Alone, I Will Be) sind kleine Energiebündel. Sängerin Dee Dee verortet ihre Band laut eigenen Angaben zwischen den Shangri-Las und den Ramones und kann auch ihre Vorliebe für die Noisegewitter von Jesus And Mary Chain schlecht leugnen (Rest Of Our Lives). Als nette Überraschung gibt’s obendrauf noch einen deutschen Titel, „O Mein M“ gibt die herrlich schräge Reminiszenz an die allgegenwärtigen 60er – Kirstin Gundred alias Dee Dee hat ein Jahr in Deutschland studiert und sich offensichtlich in Sachen Kulturtransfer einiges vorgenommen. Bewußte optische Parallelen in puncto Cover zu Vampire Weekend werden dagegen rundweg abgelehnt, was dort gestyltes Yuppietum persiflieren sollte ist hier nur ein liebgewonnenes Porträt der Mutter der Sängerin aus deren Jugendzeit. Ein kurzweiliges Album also in der Tat, es kann sogar noch mit einer träumerischen Surfballade (Baby Don’t Go) glänzen. Aber um ehrlich zu sein: Ich glaube nicht, dass wir im nächsten Jahr von den Dum Dum Girls noch viel hören werden – deshalb gibt’s an dieser Stelle schon mal vorausschauend und bestens gelaunt die volle Punktzahl.
http://www.myspace.com/dumdumgirls

Gehört_124



Melissa Auf Der Maur „Out Of Our Minds“ (Roadrunner)
Jeder der wie ich gern polemisch und „altklug daherwikipediert“ (SZ) wird sich denken können, dass eine Frau wie Melissa Auf Der Maur einen ziemlich hohen Anspruch an die eigene Arbeit ansetzen dürfte. Schließlich hat die Kanadierin sowohl einen Philosophen als auch einen Politiker in ihrem Stammbaum aufzuweisen, noch dazu spielte sie als Bassistin nicht ganz unwesentliche Parts bei Bands wie Hole, Indochine und natürlich den Smashing Pumpkins. Aber selbst jemand, der das alles als unnützes Halbwissen aka Brimborium abtut und sich lieber unvoreingenommen und in Kenntnis des selbstbetitelen Debüts mit „Out Of Our Minds“ beschäftigt, selbst der wird zugeben müssen, dass sich seit 2004 nichts wesentlich Überraschendes getan hat. Noch immer erwartet man von einer Frau mit dieser Vita, diesem musikalischen Bekanntenkreis und diesem Äußeren irgendwie immer etwas Aufregendes, noch immer beginnt die Mehrzahl ihrer Songs stets verheißungsvoll und noch immer bekommt man – leider auch bei der neuen Platte – selten etwas geboten, was sich vom durchschnittlichen Rocksong abheben kann. Sicher hat Melissa Auf Der Maur ein paar Einflüsse des wavigen Indiepop der letzten Jahre in ihre Arbeit einfliessen lassen, bei „Lead Horse“ standen deutlich die schaurig düsteren Klangbilder der Editors Pate, „22 Below“ gemahnt zumindest am Anfang etwas an Interpol, bevor dann – warum nur? – ein recht befremdlicher Männerchor seine unerfreuliche Arbeit aufnimmt. Bei „1.000 Years“ werden die Parallelen zu den New Yorker Überfliegern allerdings so deutlich, dass es fast schon frech zu nennen ist. Der Rest ist routinierter Gothrock der leichten, eingängigen Sorte, textlich erwartbar, musikalisch solide – manches bleibt interessantes Stückwerk (The Hunt, This Would Be Paradise), weniges läßt einen aufmerken. Zu letzterem zählt in jedem Falle das angenehm schwere Blues-Duett mit Glen Danzig (Fathers Grave), wie gemacht für den nächsten Tarantino-Soundtrack. Zuweilen gelingt es ihr auch, sich mit einem kleinen Gimmick im Hörerohr festzuhaken, so zum Beispiel mit dem feinen Prodigy-Loop bei „The Key“. Unterm Strich ist mir das allerdings für sechs Jahre Arbeit zu wenig, da lagen meine Erwartungen dann doch deutlich höher. Sie sollte es aber doch weiter allein versuchen, eine Rückkehr zu Billy Corgans exaltierter Ein-Mann-Super-Ego-Band kann man ihr wirklich nicht empfehlen.
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