Freitag, 5. März 2021

Billy Nomates: Neue Töne aus dem Schuppen

Billy Nomates
„Emergency Telephone“

(Invada Records)

Die Haare sind jetzt also blau. Man darf spekulieren, warum. Dass es die Plattenverkäufe nach oben treibt (weil blaues Cover, blaues Vinyl), ist eher unwahrscheinlich, denn wer die Musik von Tor Maries aka. Billy Nomates liebt, wird diese EP auch unabhängig von der aktuellen Färbung kaufen. Vermuten wir also mal eher einen Zusammenhang mit den recht alternativlosen, wohl aber lästigen Einschränkungen des täglichen Lebens, an denen wir alle europaweit zu kauen haben. So wenig, wie Maries in ihren Songs kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es um ihr Verständnis von Gerechtigkeit, Gleichstellung der Geschlechter und um politische Auswüchse geht, so mitteilsam ist sie im Netz, was ihren Gemütszustand betrifft. Es hat da durchaus gute Tage, aber eben auch ziemlich schlechte – der Schriftsteller Andreas Steinhöfel spricht hier gern vom „grauen Gefühl“, das einen heimsucht und manchmal auch zu überwältigen droht. Als Künstlerin hat Maries in dieser Hinsicht besonders feine Antennen, setzt deshalb vielleicht – nennen wir es Zäsur oder Zeichen der Selbstermunterung – strahlendes Blau gegen tristes Grau.

Grund zu Frust und Trübsal gibt es für Billy Nomates allemal, vor zwei Wochen sollte sie im Berliner Urban Spree ihre neue 12“ promoten, dies wurde aus Pandemiegründen gestrichen und auch die Konzerte in Brüssel und Paris Mitte März werden wohl leider in Zenne und Seine fallen. Bleiben ihr also neben Freunden, dem sorgsamen Label Invada und ihrem Vater nur noch die See vorm und der Schuppen hinterm Haus, wo ihre Musik entsteht. Nach dem furiosen Debüt, das im vergangenen Jahr erst digital und mit etwas Verspätung auch physisch erschien, ist „Emergency Telephone“, wenn auch nur mit viereinhalb Tracks bestückt, ein weiterer, hörbarer Entwicklungsschritt. Zur bekannt rauflustigen Schroffheit und den sarkastischen Zwischentönen kommen nun das Dunkle und auch das Weiche. Zu Beats und Geräuschen (Maries ist eine begnadete Field-Recorderin) gesellen sich schon im Titeltrack ein warmer Basslauf und sogar eine verkappte Knopfler-Gitarre. Ungewohnt, das schon, aber sehr gelungen.



Eine gewisse Soulfulness und eben diese schön abgemischen Gitarrenspuren – die Stücke wirken nun etwas geschmeidiger, tanzbar waren sie ja schon. Und auch ihrer Stimme scheint Maries mehr zuzutrauen, wo vorher der zornige Sprechgesang dominierte (und so ja auch prächtig zum Sound ihrer Protegers, den Sleaford Mods, passte), wagt sie auf der neuen EP auch neue Schattierungen und erzeugt so einen bisher nicht gekannten Drive. Inhaltlich ist Billy Nomates dagegen keinen Deut zurückhaltender geworden, mit dem Herz auf der Zunge fährt eine wie sie noch immer am besten. Und so gibt es auch hier in aller Kürze Ansagen zum weiblichen Selbstverständnis („I've no duty to be all smiles or nice … I do not do heels“/Heels), zum allgemeinen Alarmzustand und der eigenen Befindlichkeit. “‘Emergency Telephone‘ is predominantly about communication breakdowns; personally, mentally, physically“, sagte sie kürzlich. „A strange thing to happen while communication has never had so many channels. Perhaps we need a direct line.“ Uns und ihr ist zu wünschen, dass sie noch für lange Zeit am Apparat bleibt.

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