Dienstag, 25. Juni 2019

Hot Chip: Anspielen gegen die Vergeblichkeit

Hot Chip
"A Bathfull Of Ecstasy"
(Domino Records)

Wenige haben sich um die klug verbastelte Popmusik, Spezialgebiet Indietronica, so verdient gemacht wie Alexis Taylor; Joe Goddard und ihre gemeinsame Band Hot Chip. Wobei die Abmessungen der Gattung ziemlich weit gefasst sind: Die Pet Shop Boys zählen trotz ihrer zunehmend ironischen, subtil politischen Texte ganz gewiß nicht zum Bereich Independent, The Knife aus Schweden wiederum waren eher am provokativen Ende angesiedelt und als Pop im Sinne von „populär“ eigentlich nicht mehr definierbar. Acts wie The Postal Service, die Junior Boys oder Zoot Woman besetz(t)en eher kleinere Nischen, die deutschen The Notwist bringen desöfteren analoge Gitarren ins Spiel, lassen dafür aber ab und an die Tanzbarkeit vermissen. Letztere haben Hot Chip im Laufe ihres Bestehens immer mehr in den Mittelpunkt gerückt, die letzten Alben „One Life Stand“ (2010), „In Our Heads“ (2012) und „Why Make Sense?“ (2015) waren Meilensteine in puncto strictly dancefloor – flauschige Vocals, lässige Beats, wohlig wabernde Synthesizer, man musste sie einfach lieben.



Wie kaum anders zu erwarten, gehen die fünf Herren aus London den eingeschlagenen Weg konsequent weiter, der Sound ihrer mittlerweile neunten Platte entwickelt sich fast zu einer Art Hippiemanifest. Farben sehen und spüren, den Zauber des Moments leben, positiv bleiben, wenn es um eine herum immer dunkler wird – Hot Chip bemühen sich um Optimismus in einer Welt, in der allerorten alte Gewissheiten bröckeln und Fatalismus und Eskapismus auf dem Vormarsch sind. Schon die Ansprache des Predigers im Eingangsstück, der seine Version von peace, love and happiness ausruft, gerät kraftvoll und mitreißend, in Folge übernehmen dies neben den Texten immer auch die wummernden Houserhythmen, die typischen, repetitiven Elemente, der Flow der einzelnen Tracks.



Von platter Erbauungslyrik sind die Herren dennoch weit entfernt, denn ebenso deutlich lassen sich aus den Songs Wehmut, Traurigkeit und gar Verzweiflung heraushören, die Dinge also, gegen die sie eigentlich ansingen und -spielen. „Positive“ beispielsweise wendet sich gegen notorische Schwarzseher, in „Why Does My Mind?“ beklagt Taylor sein eigenes Hirn, das so gar nicht funktioniert, wie er es gern hätte: „Why does my mind fill all my time, with lust and blues? It's true. Why can’t my mind keep things in line, so we can trust in me, and I, you?”, da klingt natürlich auch ein Stück weit die Vergeblichkeit durch, welche Taylor, Goddard, ja wir alle ahnen. Dennoch: Wenigstens für die Spieldauer des Albums macht sich ein wohliges Gefühl breit, füllen warme Melodien, berührende Harmonien die Räume und lassen einem die Hoffnung, es könnte sich doch alles irgendwie zum Besseren wenden, wenn wir selbst es denn (bei uns) schaffen – Hot Chip für ihren Teil haben schon mal angefangen. https://www.hotchip.co.uk/

03.12.  Berlin, Columbiahalle
05.12.  Lausanne, Les Docks
11.12.  Hamburg, Docks

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