Mittwoch, 25. August 2021

Angel Olsen: Gar nicht mehr so brav

Angel Olsen
"Aisles"

(Jagjaguwar)

Seien wir ehrlich, gut drei Viertel aller Coversionen, die im Laufe der letzten Jahre erschienen sind, darf man getrost als langweilige Pflichtübungen zur Seite legen. Fehlendes Engagement möchte man dabei ja gar nicht unterstellen, manchmal nervte wohl auch das gierige Label, es solle doch bald mal wieder ein Lebenszeichen gesendet werden und wenn es am Talent nicht mangelte, so vielleicht und verständlicherweise an der Lust. Dass es durchaus anders gehen kann, beweist Angel Olsen. Die Amerikanerin kann ja auf eine beträchtliche Zahl wunderbarer Alben verweisen, auch die letzten beiden "All Mirrors" und "Whole New Mess" wurden von der sonst so mißtrauischen Kritik fast schon frenetisch gefeiert. Mit dicker Schminke im Gesicht und einem Fünferpack Achtziger war bei dem Oevre nicht unbedingt zu rechnen, dem ersten Schreck folgte aber schnell die Bestätigung, dass die Frau das eben nicht macht, was andere scheitern lies. Auf "Aisles" wird nichts blaugepaust oder lustlos nachgespielt, Olsen geht mit großer Lust und durchaus auch mit einigem Mut an die Sache ran, schließlich handelt es sich bei der Auswahl ja nicht gerade um unbekanntes Nischenmaterial. Sondern durchaus, wenn man das vorsichtig sagen darf, um Klassiker einer Epoche, die heute zwar manchmal arg oberflächlich und gestylt erscheint, aber andererseits eine Menge Songs für die kleine Ewigkeit hinterlassen hat. 

Und wenn sie das nicht waren, dann entlockt ihnen Olsen ein paar versteckte Qualitäten: Laura Branigans "Gloria" beispielsweise treibt sie derart konsequent die Diskoallüren aus, dass man es fast mit der Angst zu tun bekommt. Geschrieben wurde das Stück ja eigentlich für die Glitzerkugel, hier kommt es maximal abgebremst daher, zum Ende hin hört man eine orchestrale Dramatik, die auch Branigan einigermaßen neu sein dürfte. Überhaupt: Der Charakter aller Songs wird von Olsen ziemlich angstfrei neu ausgerichtet. Das geschieht schon mal dadurch, dass sie als weibliche Interpretin für die folgenden vier Titel flugs den textlichen Blickwinkel wechselt, desweiteren scheut Olsen auch die schiefen Töne nicht, die Nostalgie und Kitsch erst gar nicht aufkommen lassen. Nicht bei Billy Idols "Eyes Without A Face" und schon gar nicht beim Überhit "Forever Young" der deutschen Kapelle Alphaville. Auch "If You Leave" von OMD ist plötzlich gar nicht mehr so schulterpolsterig, brav und aufgeräumt wie im Original, der "Safety Dance" der Men Without Hats verliert seine unbekümmerte Beschwingtheit und wird mit dieser Neuinterpretation fast zu einer kleinen, trotzigen Lockdown-Hymne. Wenn das denn überhaupt als Lückenfüller bis zum nächsten eigenen Album gedacht war, dann hat sie sich und uns damit einen wirklich großen Gefallen getan.







Keine Kommentare: