Donnerstag, 21. November 2019

Tindersticks: Vertrauter Nucleus

Tindersticks
"No Treasure But Hope"

(City Slang)

Ein trauriger Mann will er ja offensichtlich nicht sein, melancholisch träfe wohl eher seine Zustimmung: Stuart A. Staples, Sänger und Songschreiber bei den Tindersticks, hat in einem Interview mit dem uMag gerade dem Eindruck widersprochen, die neue Platte sei eine ganz besonders betrübliche geworden. Seine Band habe, so sagte er, in dieser Beziehung schon weitaus extremeres Material veröffentlicht (womit er durchaus Recht hat), überhaupt sei er als Mittfünfziger zwar ein realistischer, aber beileibe kein hoffnungsloser Mensch. Ein kleiner Funke Zuversicht, so Staples weiter, sei immer vorhanden und auch dringend notwendig, anders ließe es sich in dieser verrückten Welt gar nicht aushalten, wäre alles nutzlos. Einerseits. Andererseits kann man sich schon vorstellen, dass Staples als leidenschaftlicher Empathiker am Zustand unseres Planeten, an der Unmenschlichkeit (die ja wiederum typisch menschliche Züge trägt), der grassierenden Verrohung leidet wie ein Hund. Und so finden sich auf dem neuen, elften Album seiner Band die todtraurigen neben den hoffnungsvollen Momenten, porträtiert er deutlicher als je zuvor sein Land, seine Mitmenschen, seine Umwelt in nachdenklichen, oft düsteren Tönen und setzt dennoch kleine Lichtpunkte auf die Karte.



Staples hat die Platte, auch das ist zu lesen, fast zur Gänze auf der griechischen Insel Ithaka geschrieben (bei jeder Menge Zigaretten und Metaxa), also inmitten jenes Wassers, von dem er dann singt. So kontrastieren in "See My Girls" die bunten Bilder weiter Reisen seiner Kinder (er hat fünf davon) mit der jüngsten, mörderischen Geschichte des Mittelmeeres, wo so viele Menschen auf der Flucht ihr Leben ließen und lassen. Und so wie er diesen Gegensatz selbst erlebt hat, so flechtet er auch in die anderen Songs sowohl Bilder der Tristesse, der Ernüchterung, des Niedergangs und eben auch solche des Zukunftsglaubens ein. Im Titelstück hat er den besagten Funken zwischen all den deprimierenden Zeilen versteckt, dort steht neben Worten wie "No love in our streets, only fear in our hearts" und "Too hungry to think of providence, too angry for the consequence" auch der kurze Hinweis "The trick is the escaping". Flucht also. Eskapismus. Oder, wohlwollender betrachtet, vielleicht die Hinwendung zu den naheliegenden Sachen, den kleinen Augenblicken des Glücks.



Bedingungslose Liebe also ("For The Beauty"), verzehrende Sehnsucht, Erinnerungen natürlich ("Carousel") und auch der Appell, auf das Träumen achtzugeben (und nicht nur auf die Träume, wohlgemerkt): "And when the ground gets shaky, and the world seems wrong and everyone is faking, that’s when you learn to be strong. And take care in your dreams, take care when you dream, take care with your dreams, be there in your dream." Wunderbare Lieder allesamt, bei denen nach und nach auffällt, wie vertraut einem der Sound mittlerweile geworden ist. Und wie bekannt - denn könnte nicht auch Sven Regener hier und da seine Trompete zücken und an Stellen, wo Staples anmutig sanft croont, seine schnarrende Stimme beisteuern? Das letzte Album "The Waiting Room" war ja zu einer Art multimedialem Projekt angewachsen, dieses hier ist wieder genügsamer geworden, beschränkt sich gleichsam auf den Kern, auf das, was die Tindersticks seit Anbeginn ihrer Karriere in den Neunzigern ausmacht. Verbraucht oder gar langweilig wirken sie deshalb noch lange nicht, man kann und will ihnen - das ist die gute Nachricht - immer noch zuhören.

04.02.  Berlin, Kammermusiksaal
18.04.  Bochum, Schauspielhaus
19.04.  München, Prinzregententheater
20.04.  Hamburg, Laeiszhalle
05.05.  Genf, Alhambra
06.05.  Winterthur, Casino Theatersaal
09.05.  Wien, Theater Akzent
10.05.  Wien, Theater Akzent

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