Bruce Springsteen
„Western Stars“
(Smi Col/Sony)
Kaum eine Kritik, die man dieser Tage über das neue Album von Bruce Springsteen lesen kann, kommt ohne Bezug auf seine Memoiren „Born To Run“ aus, die vor knapp drei Jahren auf Deutsch erschienen sind. Wieso auch, liefern sie doch die ausführlichste und belastbarste (weil aus erster Hand) Gebrauchsanweisung für den knapp siebzigjährigen Altrocker, die selbst dann Freude beim Lesen bereitet, wenn man mit der Musik des Mannes nicht uneingeschränkt kann. Ähnliches gilt im Übrigen für die Bühnen-Performance, die Springsteen für ein komplettes Jahr am Broadway zur Aufführung brachte und die ihn nicht nur als einfühlsamen Songschreiber und -interpreten zeigte, sondern auch sein Talent für humorvolles Entertainment ins Scheinwerferlicht rückte und zudem eine Eigenschaft unterstrich, die ihn derzeit in seinem Heimatland zu einer so seltenen wie wichtigen Person macht – die eines politisch klugen, feinfühlig patriotischen und empathischen Mitmenschen.
Das Buch, wie gesagt, hilft auch bei der Rezeption der neuerlichen Soloplatte. Man liest dort, dass der leidenschaftliche Soulpunk (Eigenauskunft) und Stadionrocker mit zunehmendem Alter auch zunehmend Lust auf deutlich abgespeckte, akkustische Darbietungen bekommt, „Nebraska“ war der Anfang, „Tom Joad“ die logische Fortsetzung und auch „Western Sky“ läßt sich in diese Reihe einordnen. Wir wissen außerdem, dass er mit seinen Songs hadert, kämpft, nicht selten sehr lange Zeit braucht, um sich mit ihnen zu arrangieren, sie für sich selbst anzunehmen. Wie lange er hier hat ringen müssen, ist nicht bekannt, ein, zwei Stücke sind dabei, bei denen man als Zuhörer zumindest etwas braucht, um sie im Springsteen-Kosmos zu verorten. Der Großteil wird von Personal bevölkert, dass sich gut in die Mischung aus behutsam instrumentiertem Country, Folk und Blues einfügt, sympathische Loser und Zweifler, alternde Helden, genügsame Überlebenskünstler.
Hier wird ein Bild von Amerika und seinem stets übergroßen Traum heraufbeschworen, das so wehmütig wie melancholisch ist, ein Amerika, dass sich lieber mit der Rückschau auf glorreiche Zeiten befaßt, weil der Blick in die Zukunft ratlos oder sogar ängstlich macht. Tramper („Hitch Hikin‘“), Wanderer („The Wayfarer“), ein Stuntman mit mehr Metall am Leib als Knochen („Drive Fast“), vergessene Schauspielgrößen, von denen nurmehr die Kreditkartenwerbung in Erinnerung ist („Western Stars“), Zurückgewiesene, Zurückgelassene, Enttäuschte, Einsame. Springsteen war vieles davon selbst schon, er hat Jahrzehnte mit seinen Dämonen gekämpft und tut es noch – auch wenn es ihm jetzt wohl bessergeht, weiß er sehr wohl, wovon er da singt.
Das hört sich gut an, das geht noch immer unter die Haut. All jene, die mit dem breitbeinigen Muscle-Posing des Bosses auch musikalisch so ihre Probleme haben, werden die aktuellen Songs lieben. Viel Sanftmut, viel Versöhnlichkeit ist da unterwegs, Cello, Violine (besonders schön bei „Stones“), Barpiano, Bläsersätze, die Stimme manchmal schon etwas brüchig, er weiß seine Stärken dennoch auszuspielen. Das gilt natürlich auch für den Swing, den Twang und den Shuffle, die in gebremster Version bei „Tucson Train“ und „Sleepy Joe’s Café“ vorbeischauen dürfen als Zugeständnisse an frühere Tage. Etwas fremdeln tut manche/r dann eher mit dem Crooner Springsteen, der für „Sundown“ oder „There Goes My Miracle“ die Drummachine bemüht und den Sound allzu strikt glättet. Allzuviele Sorgen muß man sich allerdings kaum machen, dem Vernehmen nach ist eine Albumsession mit den Buddies von der E-Street schon in Planung – „I woke up this morning, just glad my boots are on.“ https://brucespringsteen.net/
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