Dienstag, 26. Juni 2018

Mystery Art Orchestra: Willkommenes Wiedersehen

Mystery Art Orchestra
„Prismatic Dream“

(Robojim)

Kommt tatsächlich alles irgendwann wieder? Bislang hatte man ja eher den Eindruck, nur die unangenehmen, hässlichen Dinge, die man im Leben ganz gewiss kein zweites Mal zu Gesicht bekommen wollte, würden aus lauter Trotz eine erneute Ehrenrunde drehen: Flecken- und Löcherjeans, brettharte Föhnwellenfrisen, Stehkrägen, Lederkrawatten, kreuzdumme Populisten, solche Sachen. Die Antwort ist ein beschämtes „Ja, leider“ und als einzige Hoffnung bleibt, daß jeder noch so fürchterliche Trend so schnell geht wie er kommt – und daß es eben genau nur das ist – flüchtige Mode. Andere Revivals dagegen möchte man mit gehörigem Applaus begrüßen, denken wir an das geliebte Vinyl, Dolomiti-Eis, die (nunmehr elektrische) Schwalbe. Und selbst bei der zumeist in ihrer Gesamtheit verrissenen Musik der 90er Jahre war ja nicht alles so übel und billig, wie es in der Rückschau manchmal scheinen mag.



Tino Bogedaly, André Wlodarski und Bastian Müller haben sich offensichtlich für ihre Kapelle Mystery Art Orchestra die richtigen Ingredienzien dieser Zeit herausgesucht, der Sound des (Wahl-)Berliner Trios osziliert zwischen Wave-, Psych- und Indierock, dem damals noch das griffige Etikett „alternativ“ überklebt wurde. Namen wie Danzig, The Mission und selbst die arg verhangenen Sisters Of Mercy kommen einem in den Sinn, der Elektrobass ist fett, die Gitarren stampfen, begleitet von grollenden Drums, entschlossen voran und Bogedalys Stimme fühlt sich in tieferen Regionen so wohl wie einst die von Wayne Hussey oder olle Andrew Eldritch. Mehr als die Hälfte der elf Stücke des Debütalbums böllern mit maximaler Power durch die Szenerie, beispielhaft lassen sich hier „Camouflage“, „Awake“, „Lost On The Run“ und „Encrypted Soul“ aufführen, allesamt mit ordentlich Schaum vorm Mund.

Dabei beschränkt sich das Orchester natürlich nicht auf bloßes copy and paste:  Mal wird eine feine Westerngitarre hinzugezwirbelt, an anderer Stelle ein Stoner-Riff ausgeborgt, „Sunday Afternoon” versucht sich sogar mit etwas Funk und Soul, bevor dann am Ende ein vielstimmiges Chaos ausbricht. Alles nicht ohne Reiz. Und nicht ganz selbstverständlich. Entstanden ist die Band nämlich, so liest man passenderweise in der Regionalzeitung, schon vor mehreren Jahren als offenes Projekt, in dem Kommen und Gehen ausdrücklich erwünscht und die musikalischen Grenzen fließend waren. Irgendwann blieben dann nur noch die drei gebürtigen Brandenburger übrig und begannen damit, zielgerichteter am Sound der Band zu arbeiten, nicht zu deren Nachteil, wie man jetzt weiß. Mag manche Wendung noch etwas überambitioniert klingen, der eine oder andere Akkord etwas einfach gestrickt sein – für ein Debüt hat die Platte eine erstaunliche Klasse aufzuweisen. http://www.mysteryartorchestra.com/

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