Dienstag, 2. April 2019

Crows: Die dunkle Seite

Crows
„Silver Tongues“
(Balley Records)

Auf wen die ‚Silbernen Zungen‘ wohl gemünzt sind? Sind es die Überredungskünste derer, die einen tagtäglich davon überzeugen wollen, dass wir dieses oder jenes Produkt unbedingt brauchen, dass wir diese oder jene Partei zu unserem Glück unbedingt wählen müssen? Oder ist es James Cox womöglich sogar selbst, wenn er den (zugegeben etwas wirren) Inhalt seines Kopfes auf dem Album vor uns ausbreitet? Cox weiß von seinem „weird brain“, das er uns auf in den zehn Stücken des Albumdebüts der Crows aus London präsentiert, doch Angst davor, die Gedanken mit anderen Menschen zu teilen, hat er keineswegs. Sonst hätte er wohl den Beruf, hier eher die Berufung, verfehlt. Denn die Art und Weise, wie er das Material mit bewusst persönlichem Bezug in Töne, Songs packt, darf einen gern schon mal umhauen.



Und hat das auch schon erfolgreich getan. Joe Talbot, Sänger der derzeit ziemlich erfolgreichen Punk-Kapelle Idles aus Bristol, hat Cox und seine drei Freunde Steve Goddard (Gitarre), Jith Amarasinghe (Bass) und Sam Lister (Drums) schließlich nicht ohne Grund auf das hauseigene Label und ins Vorprogramm seiner Tour geholt, er war nach eigenem Bekunden genauso geplättet und wollte Cox dessen Traum von der Veröffentlichung der Platte unbedingt erfüllen. Nach zwei EP, die thematisch die düstere Grundstimmung schon im Titel vorgaben („Unwelcome Light“/“Cold Comfort“) darf das Quartett also nun auf großem Format loslegen und der Furor, mit dem sie das tun, ist beeindruckend. Dabei geht es weniger um Geschwindigkeit, sondern sind es eher Dichtheit und Wucht, mit denen die Stücke punkten können – Goddards Gitarre schleppt sich meistenteils bleischwer zu düsterem Wummern dahin, zieht eine Klangmauer nach der anderen in die Höhe und Cox leert den Schädel dazu.



Dantes „Göttliche Komödie“ wird (wie beim vorzüglichen „Empyrean“) ebenso eingeflochten wie die kruden Bilder vom Staatsbegräbnis der Margaret Thatcher in „Crawling“ – bei „Hang Me High“ schildert er den Handel mit Schlangenhäuten gar aus der Sicht des Reptils. Viel Druck, viel Lärm, tröstliche, erbauliche Momente lassen sich auf „Silver Tongues“ wirklich kaum ausmachen. Nicht bei „Chain Of Being“, wo man im Hintergrund das Thema von Springsteens „Dancing In The Dark“ zu hören meint, erst recht nicht beim knapp achtminütigen „First Light/False Face“, einem Stück, das gekonnt auch noch Doom und Goth in den Sound der Band mischt. Dass der Abschluss den Titel „Dysphoria“ trägt, kommt da wohl nicht von ungefähr, nach einer ausgewogenen Emotions- und Gemütslage sieht das, was Cox an Ängsten, Albträumen und Metaphern hier hervorkramt, nun wirklich nicht aus. Ein tolles Album ist es dennoch geworden.

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