Girls In Synthesis
„Now Here’s An Echo From Your Future“
(Harbinger Sound)
An dem Spruch, dass nicht der Lauteste gehört wird, sondern der Klügste, gibt es eigentlich nichts zu rütteln, allein in den letzten Monaten und Jahren scheint die Politik den unbedingten Gegenbeweis antreten zu wollen. Überall plärren die Angstmacher ihre Parolen, Einschüchterung macht sich bezahlt, Besonnenheit und gegenseitiger Respekt haben als Maxime offenbar ausgedient und verlieren an Boden. Dem Schreihals mit wildem, widerspenstigem Lärm zu begegnen scheint da ein probates Mittel zu sein und die Girls In Synthesis aus London in dieser Hinsicht erstklassige Protagonisten. John Linger, Nicole Pinto und Jim Cubitt sind seit 2016 als Band zusammen, erste Veröffentlichungen erfolgten im Selbstverlag oder bei kleinen Indielabels, bevor sie nun für ihr vorliegendes Debüt beim renomierten Harbinger Sound landeten. Mit einer Klassifizierung tut man sich schwer, die Schublade Post-Punk wäre zwar die gräumigste, aber nur passend, wenn man dort noch Punk, Jazz und Noise mit unterbringen dürfte.
Zehn Stücke in einer guten halben Stunde und dabei keinerlei Atempause – GIS halten mit dem Unmut über die Zustände in ihrem Heimatland nicht hinterm Berg. Schiefe, dreckige Gitarrenakkorde treiben die Stücke wütend voran, flankiert von einem nicht minder wuchtigen Bass und unermüdlichen Drums, bei Stücken wie „Human Frailty“ und vor allem dem überwältigenden „Set Up To Fail“ irrlichtert zudem noch das Bläserblech im Hintergrund. Bedrohlich klingt das, düster und stellenweise sehr aggressiv, die drei wollen sich und den Zuhörer*innen offenbar nichts schuldig bleiben. Wer will, kann sich den Sound als Mischung aus Bauhaus und The Clash vorstellen, quasi the best of both worlds.
Thematisch stellen sich GIS ganz auf die Seite derer, die an den Rand gedrängt wurden in einem England der Eliten. Eliten, die sich an den Wohlstand der wenigen klammern, die Veränderung verweigern und denen das Wort der einst so starke und stolzen Arbeiterklasse egal ist. Aber auch die working class bekommt ihren Teil, denn vielen von ihnen erscheint Boris Johnson als gleichgesinnter Verbündeter, in ihrer Gutgläubigkeit und Verblendung merken sie nicht, dass er sie und ihre Familien immer tiefer in den Abgrund reißt. „You can make all the noise you want“, heißt es dazu in einem Song, „they’re not listening.“ Der Frust sitzt tief, Angst ist berechtigt, Sorge auch: „Cause For Concern“. Der schleichende Abschied von der Mitmenschlichkeit („Arterial Movements“), mediale Manipulation („The Images Agree“) und der stumpfe Hass der Masse („Tirades Of Hate And Fear“) – es gibt momentan wirklich nicht viel Grund zur Hoffnung. Um so wichtiger ist es, laut dagegen anzuspielen.
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