Freitag, 10. August 2018

Tomberlin: Simple Things

Tomberlin
„At Weddings“
(Saddle Creek)

Es ist gar nicht so einfach, mit der Ernsthaftigkeit dieses Mädchens klarzukommen. Weil darin so viel Traurigkeit, Schmerz und Enttäuschung mitschwingen, dass es wirklich schwer auszuhalten ist. Sarah Beth Tomberlin ist gerade mal 23, sie ist in der Provinz von Kentucky als Tochter eines Baptistenpfarrers und mithin sehr christlichen Eltern aufgewachsen und man kann nicht behaupten, daß sie damit sonderlich glücklich war. Von einer fürsorglichen Cousine hat sie, die sonst nur religiöse Lieder zu hören bekam, die ersten Einblicke in Sachen Indiepop erhalten, Arcade Fire, Bright Eyes, Dashboard Confessional – es war eine Befreiung. Und ein Ansporn, selbst dergleichen zu schreiben und diesen Weg auch gegen den Argwohn und die Skepsis ihrer Eltern weiter zu gehen. Dass ihr Lebenslauf eine Musik hervorgebracht hat, der eine entwaffnende Klarheit innewohnt, hat wohl auch Owen Pallett schnell begriffen und ihr Debütalbum produziert, nicht zu ihrem Schaden. Denn der anrührende Folkpop von Tomberlin ist von einer beeindruckenden Zartheit, wie man sie von einem Nick Drake kennt und der Sound ähnlich stripped to the bones, so als würde alles Überflüssige die nachdrücklichen Wirkung dieser zehn Songs unweigerlich zerstören.



Und doch – diese Zeilen: “And there is a war in my mind, because I wanted to be near you. But I love you, yes I love you or I’m trying to”, singt sie in “Untiteled 1”, einem von mehreren Liebesliedern, die zugleich leidenschaftlich und zerrissen klingen. Später dann in “You Are Here” fährt sie fort mit ihren unbedingten, rückhaltlos ehrlichen Bekenntnissen, wenn sie Zuneigung und Zweifel zugleich gesteht, weil es sie zum Geständnis drängt und sie doch keine falschen Hoffnungen wecken will. So einfach die Stücke mit Gitarre, Piano und ein paar Streichern geraten sind, so nahe gehen sie einem. Wie sie in “A Video Game” Schutz und Stärke bieten möchte, wenn der Freund oder die Freundin in einer Zweitwelt verloren zu gehen drohen. Wie sie mit ihrer christlichen Erziehung, dem Frauenbild, der ihr zugewiesenen Rolle hadert – nicht wütend, sondern bemerkenswert deutlich und überlegt: “And to be a woman is to be in pain and my body reminds me almost every day, that I was made for another, but I don’t want to know that, cause it happened once and I always look back.”



Wie Tomberlin die Liebe als zwiespältiges Erlebnis besingt, das zeugt von erstaunlicher Reife, die man in diesem Alter wohl eher selten zu hören bekommt Sie reflektiert wohl schon sehr lange die elterliche, konfessionelle Erziehung und themaitisiert sie in ihren Liedern behutsam, aber doch ungeschönt. Besonders eindrücklich wohl in “Self-Help” gegen Ende: Auch hier keine Drums, aber doch merklich rauere Noisegitarren und Sirenenklänge, dazu verstörende Suizidfantasien (“The heart is a heavy coffin, where I lay down everyone I love …”), es gibt wohl trotz aller Aufgeräumtheit auch bei ihr noch Phasen, in denen sie schwer an ihren Gedanken trägt und sich selbst nicht mag (“The cat doesn't even like me these days and I can't blame her she is right in her ways”). Was Wunder. Wichtig sei ihr, sagte sie dem Fader, dass Menschen, die ähnliche Probleme wie sie haben, ihr zuhören. Und akzeptieren lernen, dass man nicht alles klären kann im Leben, zumindest nicht immer sofort. Dass miteinander reden hilft, oder – so platt es in “February” am Ende klingen mag – einfach nur mal des anderen Hand zu halten. Simple things eben. Große Platte. http://www.tomberlinmusic.com/

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