Future Islands
„As Long As You Are“
(4AD)
Sollten wir uns am Ende noch bei ihm entschuldigen? Nun, so weit muss man es wohl nicht treiben. Andererseits: Samuel T. Herring, das wissen wir jetzt, hat ziemlich lange gebraucht, um mit den Reaktionen, die damals auf ihn und seine Band, die Future Islands, einprasselten, zurecht zu kommen. Damals, das heißt 2014 – die Band hatte gerade ihr viertes Album „Singles“ veröffentlicht, der geschmeidige Synthpop schoss schnurgerade durch die Decke und brachte den vier Herren aus dem amerikanischen Baltimore auch eine Einladung des Late-Night-Talkers David Letterman ein. Und was Herring bei diesem an Performance zeigte, ging in einer Geschwindigkeit viral, die ihm mehr als unangenehm war. Und zwar nicht wegen des Songs selbst – er tanzte zu „Seasons (Waiting On You)“ so seltsam wie selbstvergessen und auch das gutturale Gebrüll, das er sich vom Death-Metal geborgt hatte, trug seinen Teil zur allgemeinen Verwunderung bei. Und eben auch zum Spott. Das hinzunehmen, so sagte er kürzlich dem britischen Independent, hat einige Zeit gedauert.
“It’s taken me six years to come to terms with Letterman“, führte er dort aus, “People saw us as this overnight success but I didn’t want to be seen that way. We were ready for that moment.” Gleichzeitig relativiert er aber auch: „I can't dispute the fact that it revolutionised our careers. It did so much for us, I should see that as a positive.” Vielleicht ein Grund dafür, dass sich nicht wenige von dem nachfolgenden Album „The Far Field“ (2017) etwas enttäuscht zeigten – keinerlei Extravaganzen, keine Überraschungen, sondern nurmehr die Fortsetzung des Vorgängers mit gleichen Mitteln. Aber vielleicht war das eben auch einer unbewußten Vorsicht geschuldet, nur nicht wieder zu überdrehen, nur nicht wieder eine ähnliche Reaktion zu provozieren? Naheliegend und verständlich, auch weil die gerade veröffentlichte Platte sich wieder einen Schritt mehr aus der Deckung wagt.
Herring zeigt sich auf „As Long As You Are“ stimmlich variabler, dringlicher, und auch der Sound seiner Band erscheint ein Stück weit wandelbarer und abwechslungsreicher. Soft und eingängig noch immer, aber auch angenehm klar und druckvoll. Und anders als auf „The Far Field“ stechen hier einige Songs heraus, bleiben in Erinnerung. „Born In A War“ beispielsweise, ein Stück über falschverstandene Männlichkeit und über das Unvermögen der harten Kerle, Schmerz und Schwäche zuzulassen: „Life’s more than cash and carry, all your guns, to your grave“, singt Herring dort und weiter: „You’re scared, that when a strong man cries is when a strong man dies. But a strong man cries.“ Nicht nur dieses Lied führt den Frontmann zurück zu den Erlebnissen seiner Kindheit und Jugend, zu einer Erziehung, die sich heute mehr und mehr als überkommen, verlogen, gar gefährlich erweist, weil sie Mitmenschlichkeit hintenanstellt, oberflächliche Tugendhaftigkeit propagiert und Fehler nicht zuläßt.
„You don’t have to run, you don’t have to change“ ist ein Schlüsselsatz zu Herrings Werk und er singt ihn bezeichnenderweise schon in „Alladin“, dem Opener des letzten Albums. Doch auch jetzt ist ihm die Akkzeptanz des eigenen Körpers, der eigenen Unzulänglichkeiten ein wichtiges Anliegen und nicht zufällig sind diese Dinge heute auch bei Männern ein großes Thema. „I Knew You“ und „Plastic Beach“, die von Verletzlichkeit und Selbstzweifeln erzählen, können hier vielleicht Trost spenden und Mut machen. Dass Herring aus diesen Gründen kein Anhänger seines Präsidenten sein kann, ist da nur folgerichtig, seine Kritik geht dann aber, wen wundert’s, in besagtem Interview noch weiter: „The way we still don’t recognise the systematic, institutionalised racism of our country, the genocide of the Native American peoples, the enslavement of African peoples to build this nation, who are left with nothing at the end of it and are still treated like they’re not Americans. How do we speak of an American dream that doesn’t speak for all Americans?” Sieht nicht so aus, als wären die Future Islands schon fertig mit der Welt …
Tour-Update:
01.03. Berlin, Columbiahalle
04.03. München, Tonhalle
17.03. Frankfurt, Batschkapp
21.03. Köln, E-Werk
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