Freitag, 14. Mai 2021

Attwenger: Weit, aber nicht weiter

Attwenger
„Drum“

(Trikont)

Wäre es nicht so platt, man wollte für diese Platte, diese Band und dieses Label fast den Slogan eines edlen Versandhauses beleihen, der da heißt „Es gibt sie noch, die guten Dinge“. Denn alle drei sind beileibe keine Selbstverständlichkeit und bieten in gewisser Weise das, was man als älterer Mensch (sprich: Boomer) einen verlässlichen Rückhalt nennt. Trikont, um damit anzufangen, hat bekanntlich vor drei Jahren seinen charismatischen Mitbegründer Achim Bergmann verloren - dass sie unter der rührigen Führung von Eva Mair-Holmes weiterbestehen, ist ein kleines, immerwährendes Wunder. Attwenger aus dem oberösterreichischen Linz wiederum sind zwar lange nicht die ältesten (es gibt sie seit Anfang der Neunziger), wohl aber mit die bekanntesten und zugleich beliebtesten Labelmates, sie hatten ihre letzte Studioplatte „Spot“ vor ganzen sechs Jahren vorgelegt. Und klingen dennoch auf der neuen, als wären sie nie weggewesen.

Drum also. Hochdeutsch für „darum“ oder eben einen „schweren Gegenstand“, der attwenger'sche Doppelwortsinn. Ganz nebenbei und nun wirklich nicht das, was man (wegen der handelnden Personen) gemeinhin als Funfact bezeichnet: Ein westfälisches Wurstunternehmen warb in frühen Zeiten mal mit dem einigermaßen durchgeknallten Münchner Giergastronomen Alfons Schuhbeck für seine Erzeugnisse und auf die Frage, ob denn diese zu den sonst bevorzugten Edelschmankerln passen würden, witzelte der Koch schmalsilbig zurück: „Ja, eben, drum!“ Bekommt man nicht aus dem Kopf, hat aber mit Attwenger nur sehr bedingt zu tun. Es ist (zumindest hier und heute) auch völlig unerheblich, ob Markus Binder und Hans-Peter Falkner nun Fleischprodukte zu sich nehmen, solange sie nur auf so vortreffliche Art und Weise an ihre Glanztaten früherer Jahre anzuknüpfen verstehen.



Denn eben das ist „Drum“ – eine verteufelt gute Fortsetzung ihres ohnehin schon formidablen Liederkanons, herrlich lakonisch, bitterböse, auch mal zärtlich und tanzbar sowieso und alle Zeit. Nimmt man nur mal das mutmaßliche Herzstück des Albums „leider“, aufgenommen in angestaubtem Grammophon-Sound, politisch aber messerscharf on the top, eine treffendere Analyse der Verhältnisse ihres Heimatlandes lässt sich derzeit kaum finden. „Proleten und Proletinnen jeglichen Geschlechts, früher hobt’s die Linken g’wählt, heute wählt’s ihr rechts, früher internationale Solidarität, und jetzt wird nur mehr bled gred von der Identität“, heißt es dort und weiter: „Die Leit san weid, aber leider ned weider“, man schließt analytisch: „A paar san folsch abbogn, die Mehrheit is ihnen nach, die Mehrheit, die Mehrheit, die nervt mi wieder sehr heit“.



Aufgeschrieben ist das natürlich nur die halbe Wahrheit und der halbe Genuss, hören muss man das, auch wenn sich nicht alle Laut- und Wortmalerei gleich von Anfang an jedem und jeder erschließt. Dafür aber hat es ja noch die Musik, und die hat einen noch immer gekriegt. Mittlerweile haben Binder und Falkner ihr Klangkonzept ja auf das Wunderbarste austarriert, gibt es trockene LoFi-Beats aus der Maschine („gelaber“, vagismi“) neben dem gewohnt liebenswerten Polkatrash in Handarbeit („olle de i kenn“), schnelle Reime auf wildeste Quetschenakkorde und Punkgitarren („völlig wurscht“, „i mog“) und selbst die gute alte Maultrommel kommt in "kredit" wieder zu Ehren. Ganz zum Schluß als Hidden Track der Trost für alle, die schweren Herzens und mit Sorgen beladen sind: „Scheiß di ned o my friend, scheiß di ned o, alles wird guad am end, my friend, scheiß di ned o…“ Mehr braucht’s nicht.

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