Sonntag, 31. Januar 2010

Gehört_99



Midlake „The Courage Of Others“ (Bella Union)
Dass man von Midlake nicht Seeeds Music Monks erwarten konnte, auch wenn die erste Assoziation das beim Anblick des Covers hergab, sollte eigentlich einem jeden klar sein. Trotzdem war die Spannung recht hoch, welchen Weg diese Band nach ihrem mehr als verdienten Durchbruch im Jahr 2006 mit „The Trials Of Van Occupanther“ wohl einschlagen würde. Nun, die ersten Eindrücke verfestigen die vorherigen Vermutungen, nach denen Midlake mehr denn je die etwas sonderbare Band bleiben, die tagaus tagein in wundersamen Kostümierungen durch Wald und Wiesen zu hüpfen scheint und dazu traurig melancholische Weisen intoniert, die geradewegs zurück in die 70er verweisen. Noch konsequenter als mit dem Vorgänger verweigern sie sich den landläufigen Mechanismen der Independentmusik, wenn diese Klammer bei ihnen überhaupt verfängt; „The Courage Of Others“ scheint noch einmal deutlich entschleunigt zu sein und kommt sogar, das kann man goutieren oder nicht, ohne solch geniale Clubhits wie „Roscoe“ oder „Young Bride“ aus. Das wiederum läßt sich durchaus als Statement begreifen, erhöhen sie mit diesem Verzicht doch in erster Linie das Haltbarkeitsdatum ihres Werkes, denn auch in der alternativen Musikszene gibt es mittlerweile das aus dem Buchhandel bekannte Phänomen der sogenanten „Schnelldreher“, Stücke also, welche den Tanzboden im Sturm erobern, aber innerhalb weniger Wochen schon verbraucht und ausgepumpt in der Ecke hocken. Midlake sind deshalb, bei aller selbst auferlegten Beschränkung, aber nicht eben leiser geworden, haben sie doch ihre zuvor schon vorsichtigen psychedelischen Ansätze beträchtlich ausgeweitet. So kommt schon das zweite Stück „Winter Dies“ mit einem herrlich kratzigen Gitarrenriff daher. Auch alles Folgende sollte man bei gehobener Lautstärke genießen, denn neben Tim Smith’ weicher, verzaubernder Stimme gibt es allerhand ausufernde Klangteppiche, die sich durchaus auch mal mit flotterem Tempo vertragen (Children Of The Ground). Fleetwood Mac werden hier als Reverenz häufig genannt, bei „The Horn“ fallen einem irgendwie auch Jethro Tull oder Creedence Clearwater Revival ein. Richtig besinnliche Stücke gibt es mit „Acts Of Man“ und „Fortune“ eigentlich nur zwei, beim Rest wird die Beschaulichkeit nur phasenweise und klug dosiert. Alles in allem ein mehr als gelungener Nachschlag. Beim letzten Besuch in Deutschland waren die Jungs von Midlake im Übrigen u.a als Support der Flaming Lips unterwegs, da wurde die Bandbreite des eigenen Geschmacks schon deutlich strapaziert – im Februar kommen sie nun allein …
http://www.midlake.net/

Hören+Sehen



Smart Coon Pickers, Saloon Cowboyclub München/Isar, 30. Januar 2010
Natürlich war mir klar, dass sich die unter Gehört_96 aufgestellte These, wonach Coverbands per se zur Pflege eines eher traurigen Muckertums verdammt sind, arme Kerle ohne jede Hoffnung auf das große Ding, dass eben diese These bald hinweggefegt werden würde von der nächsten Hochzeit, dem nächsten Geburtstag. Mit ihr ging dann gestern Abend auch gleich noch das in Stein gemeißelte Gesetz über Bord, dass Mottoparties grundsätzlich brrrrrr und Stimmung und Spaß dort nicht im entferntesten zu bekommen sind.



Alle passé. Dank Silvia, Melanie und Timo, die das ganze verbrochen haben, dank Regina, deren Playlist über wirklich jeden Zweifel erhaben war und natürlich dank den formidablen Smart Coon Pickers, die nichts ausgelassen und alles gegeben haben – „White Lightning“, „Cattle Call“, „Orange Blossom Special“, „Folsom Prison Blues“ und am Ende das komplette Songbook des altehrwürdigen Bluesrock mitsamt Steppenwolf, Stones, Deep Purple und „Sweet Home Alabama“ – Respekt Jungs!
http://www.smart-coon-pickers.de/

Samstag, 30. Januar 2010

Gefunden_48



[Landsberger Straße, München, 30.01.2010]

Freitag, 29. Januar 2010

0:2



Das mag sich im offiziellen Spielbericht etwas geordneter, nüchterner anhören - der Kommentar live aus Duisburg von Heiko K., für diese Seite schon öfters als Spielbeobachter unterwegs, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Gefühltes 8 zu 0,5 - Hammer! Geil! Spitzenreiter!" Da kann man mehr fast nicht zu sagen, vor allem wenn man's nicht selbst gesehen hat. Mit solchen Ergebnissen und mit dieser Dominanz lassen sich die Aufstiegsambitionen jedenfalls nicht mehr lange kleinreden. Danke in den Pott!

Gehört_98



Delphic „Acolyte“ (Polydor)
Schon klar, ein paar Namen in die Arena geworfen, New Order, Underworld, The Orb, Chemical Brothers, da kann ja gar nix schiefgehen. Zumal: Manchester! Hey, MANCHESTER! Jetzt kommt man an den Punkt, wo man arg aufpassen muß und besser ein großes Brett vor die Rezension nagelt, auf dem steht: „Für meinen Geschmack ...“ Ein Rave-Hacienda-Revival hätte es für meinen Geschmack nämlich wirklich nicht gebraucht, „All Together Now“ ist lange hinterm Berg und man muß ehrlicherweise sagen, dass in dem ganzen Salat damals eine ganze Menge faules Obst drin war, bei dem man gottfroh sein durfte, als der Spuk endlich vorbei war. Dass es nebenbei einige wenige Bands wie Primal Scream durchaus zu anhaltendem Erfolg gebracht haben, ist unbestritten ebenfalls verdient. Nun also Delphic. Ich weiß beim besten Willen nicht, warum dieses Album so hoch gehandelt wird – New Order selbst waren in dieser Phase erheblich schwächer als zuvor und danach und für Vergleiche mit den Chemical Brothers fehlt es Delphic deutlich an Biß. Von Bloc Party will man gar nicht reden, da klafft ein breiter Abgrund zwischen. Kaum eine Nummer kommt unter fünf Minuten weg, für „Doubt“ werden sogar ganze neun verwalzt. Herausragendes läßt sich nicht berichten, alles luftig, süß und harmlos und – ja – im Grunde spielen sie ein und denselben Song zehnmal. Den Gnadenpunkt gibt’s trotzdem für das geschmackvolle Cover und für mögliche Tanzbodenkompatibilität – mag sein, dass das Album um 3 Uhr morgens bei 120 Dezibel etwas besser funktioniert.

Donnerstag, 28. Januar 2010

Goodbye, Holden Caulfield!



Hemingway - tot. Hesse - tot. Und nun also J.D. Salinger. Wieder einer der Schöpfer literarischer Helden unserer Jugend gegangen. 91 Jahre und vorbei. Weiß eigentlich irgendwer, wie es Philip Roth zur Zeit geht ... ?
J.D. Salinger bei Wikipedia

Mittwoch, 27. Januar 2010

Es ist ein ... ein ...



Man möchte sich bei all der Hysterie ja nicht im Ton vergreifen, gerade weil man nicht weiß, ob nicht auch der Herrgott höchstselbst mit Bangen nach San Francisco geschaut hat, um sich zu vergewissern, dass seine rechte Hand, sein eigentlicher Stellvertreter auf Erden, sein zweiter So...(naja) - Steve Jobs also ihm und seinen Jüngern nur ein harmloses iPad präsentiert und nicht vielleicht doch einen stecknadelgroßen Atomgenerator. Obwohl, das wäre dann doch eher die Sache von Mr. Evil. Das eigentlich Erschreckende an dem ganzen Hokuspokus aber war dann, dass sich ein solcher Guru wie Jobs ungestraft und ohne die Spur von Scham auf die Bühne stellen darf MIT BIS UNTER DIE ACHSELN HOCHGEZOGENEN KAROTTENJEANS, OHNE GÜRTEL UND MIT HEREINGESTECKTEM PULLOVER! Ich meine: Hallo?! Wer hat sich dafür jahrelang den Spott von Freund und Feind zugezogen, wer muß das heute noch immer abarbeiten? Genau. Und nur wenn man so eine flache Malscheibe hervorzaubert, darf man dann ... also, Herrgottnochmal!

Gehört_97



The Tindersticks „Falling Down A Mountain“ (4AD)
Der Anfang ist schon mal ein guter Test, ob man bereit ist, sich auf die neue Platte der Tindersticks einzulassen: sieben Minuten, die mit rhythmisch klackendem Drumset beginnen, und sich – begleitet vom mantraartigen Gesang Stuart Staples’ und einer hellen Jazztrompete – im letzten Drittel zum sachten Reggae wandeln. Das Titelstück erinnert so irgendwie an den letzten Song vom großartigen Lambchop-Album „Is A Woman“, auch hier wurde man mit einer ähnlichen Metamorphose überrascht. Überhaupt ist das ganze Album ein großes, unentschiedenes „Irgendwie“, wirkt es doch bei weitem nicht so aus einem Guß wie frühere Werke, vom selbstbetitelten Debüt und dem Nachfolger ganz zu schweigen. Staples und seine Mannen wagen sich an vielfältige Schattierungen: Stücke wie ein behutsames „Keep You Beautiful“, das anrührende „Peanuts“ als Duett mit der kanadischen Songwriterin Mary Margaret O’Hara und natürlich am Ende ein elegisches „Factory Girls“ – zum Weinen schön. Dagegen stehen die eher traditionellen Shuffle-Songs „Harmony Around My Table“ (verziert mit reichlich "duwab" und "lalala"!) und „No Place So Alone“. Ein Zwitter und zugleich der stärkste Auftritt ist das kraftvolle „Black Smoke“ – Soul, Blues, Rock, Country, man weiß nicht, wohin die Reise genau gehen soll und es ist egal. Dazu noch diverse Instrumentals, die den Eindruck noch verstärken, dass sich die Tindersticks mit dieser Platte nach wie vor als Suchende sehen – nach gut und gern acht Platten ist das aller Ehren wert. Und wer sagt denn, dass man immer alle Erwartungen erfüllen muß ...

Gehört_96



The Hotrats “Turn Ons” (Indigo)
Biografien von Bands lesen sich am Anfang eigentlich immer gleich – jung, leidenschaftlich, voller Ideale und jeder Menge Idole, damit geht’s dann erst mal in den Probenkeller und für die Bühne müssen zunächst eine ganze Latte an Coverversionen herhalten, weil’s mit dem eigenen Material noch nicht so weit her ist. Wenn alles klappt geht die Karriere dann schnell voran und steil bergauf – nur die beklagenswertesten Fälle bleiben das, was sie von Anfang an waren: mittelmäßige Coverbands. Für diese bleibt dann nur die Studifete oder das Volxfest im alternativen Jugendzentrum. Den umgekehrten Weg sollte eigentlich nur derjenige gehen, der zuvor schon ein paar Erfolge aufzuweisen hatte. Gareth Michael Coombes und Daniel Goffey können das dank ihrer Band Supergrass zweifellos von sich behaupten, sechs Alben in sechszehn Jahren und Singles zum Saufuttern (bayr. für „haufenweise“) sind hinreichender Grund, sich auch mal aus dem knüppeldicken Alltagsgeschäft eines Rockstars auszuklinken und eine Coverplatte unter neuem Namen zu basteln. Die Setlist ist natürlich aller Ehren wert und zeugt selbstverständlich von erlesenem Geschmack. Die Hotrats waren zudem so klug, einige Überraschungen unterzubringen: eine hübsch beschleunigte Version von „The Lovecats“, einem Song, den Robert Smith selbst erklärtermaßen abgrundtief hasst, Pink Floyds „Bike“ hätte man auch nicht gleich unter den Favoriten vermutet. Die Beastie Boys ohne Rap klingen auch ganz amüsant, andere Sachen von Velvet Underground, den Kinks, Gang Of Four oder Elvis Costello sind erwartungsgemäß gekonnte Fingerübungen. Das „Crystal Ship“ der Doors geht dagegen baden – dafür fehlt den Jungs leider die große Geste und ohne die geht dem Song einfach jeder Zauber ab. Der gewandte Manager von heute würde die Platte sicher mit „nice to have“ bewerten, aber für den ist sie ja auch nicht gemacht. Ein schönes Stück Handarbeit, gut für den Club oder die Fahrt zu selbigem, gut zum Haareschütteln oder auch nur, um die alten Originale mal wieder rauszukramen.

Dienstag, 26. Januar 2010

Meine Frau sagt ... [5]



... man kann durchaus mehrere Franzosen gleichzeitig mögen. Gut, wir haben: Phoenix, Hushpuppies, Naive New Beaters, wir hatten Le Negresses Vertes und Mano Negra und nun haben wir halt, voilá: les B.B. Brunes. Lustigerweise machen diese Franzosen auch mal das, was man von ihnen erwartet - sie sehen schnuckelig aus, drehen Videos in 60er-Jahre-Optik und nennen ihre Songs "Lala Love You" und "Brity Boy" oder auch "Nico Teen Love". Keine Angst, das ganze klingt auch noch ziemlich anständig. Für Franzosen. Sagt jedenfalls meine Frau.

Montag, 25. Januar 2010

Gefunden_47



Das nennt man dann wohl eine Steilvorlage: Am Sonntag kündigten die Scorpions stilgerecht in der BamS ihren endgültigen Rücktritt an – eine einzige Platte wollen sie noch machen, eine „Hammertour“ dazu, dann sei Schluß. Nun denn, läßt sich hämisch ergänzen, das hätten die peinlichen, alten Männer auch einfacher haben können. Denn hätten sie diesen längst überfälligen Schlußpunkt v o r „Still Loving You“ und v o r „Wind Of Change“ gesetzt, wäre uns, der Welt und ihnen, der Band, womöglich sehr viel erspart geblieben. Und behaupte keiner, der eiserne Vorhang hätte sich dann nicht öffnen lassen! Das hat der wahrscheinlich sowieso nur getan, weil die Menschen das erbärmliche Gejaule und Gepfeife der Herren Schenker und Meine nicht mehr ertragen haben. Putzige Begründung der Band für das Aus im Übrigen: „Weil wir körperlich und kreativ auf dem Höhepunkt sind.“ Ach Gottchen! Darüberhinaus kann man sich Parallelen, zu denen sich die aktuelle Süddeutsche mit Johnny Cash in punkto Altern in Würde und beachtliches Spätwerk versteigt, auch gerne mal verbitten ...
BLÖD-Link

Gehört_95



Tocotronic „Schall & Wahn“ (Vertigo)
Man kann sich dem Werk von Tocotronic auf zwei verschiedene Arten nähern, mit dem Kopf oder mit dem Bauch. Geht man mit dem Kopf an die Sache ran, kann man die Blumenkunst auf dem Cover nach Sinn und Hintersinn zerpflücken, man kann sich an der Verweigerungshaltung der Hamburger abarbeiten und konstatieren, dass lustigerweise viele Dinge, denen sich die Band seit Jahren konsequent und leidenschaftlich in den Weg stellt, mit dem Buchstaben „K“ beginnen - Klarheit, Konsens, Konvention, Korrektness. Man kann versuchen, das neue Album als den demonstrativen Kontrapunkt zum aktuellen „Heavy“ von Jochen Distelmeyer zu sehen, wo der eine mit Vorliebe entkernt, vereinfacht, destilliert und Tocotronic bewußt das Unentschiedene, das Verschwommene und Unscharfe dagegensetzen. Man kann sich die neuen Songs einzeln vorknöpfen, kann Worte hervorgraben wie „Folter“, „Terror“, „Sterben“ und „Blut“ und daraus fleißig furchterregende Parabeln basteln, kann einen verkappten Schlachtruf wie „SDS“ zum politischen Statement, zur Stellungnahme, zur Parteilichkeit umdeuten. Sinnieren, unken – das alles kann man machen, mit dem Kopf. Die Gefahr allerdings besteht, dass man sich dabei mächtig lächerlich macht. Denn das einzig sichere, was man von Tocotronic bekommen kann, ist die Assoziation. Und die wird sich, so schade das für die Verständlichmacher unter uns ist, immer nur für einen selbst auflösen. Dann lieber mit dem Bauch: Worte sind Melodien, sie folgen – erklärtes Ziel der Band – immer dem Klang, der Form, dem Sound. „In mir brennt das Feuer, kalt modern und teuer, in mir strahlt das ewige Licht, doch dahinter gibt es nichts, außer mir.“ (Gesang des Tyrannen) Wer das so stehen lassen kann, ohne nach Subtexten zu forschen, wird von diesem Album deutlich mehr haben. Ohnehin ist die Musik greifbarer, geradliniger, sie orientiert sich wieder an der Reproduzierbarkeit auf der Konzertbühne: hart, druckvoll, manchmal brachial, seltener verhalten und leise. Der Beginn und das Ende gleichermaßen eine Feier des Feedbacks, Sonic Youth und Neil Young zu gleichen Teilen – stürmisch, unmittelbar. Wer Manifeste braucht, der nimmt sich „Im Zweifel für den Zweifel“ und lernt es auswendig. Wer mehr will, ergibt sich dem Schall und dem Wahn, macht laut und taucht ein – ein Hohelied der Lust. Meisterhaft!

Sonntag, 24. Januar 2010

Gefunden_46



"Für mich bestand das Jahrzehnt aus Kinderbüchern und frühem Schlafengehen."
Robert Forster in eine Essay im Rolling Stone 01/10 zum Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt

Meine Frau sagt ... [4]



... entweder Howie hat jetzt ein ziemlich cleveres Marketingteam, was sich auch auf Guerilla-Strategien versteht. Oder sie checken es einfach selbst nicht. Beides ist irgendwie beunruhigend ...

Freitag, 22. Januar 2010

Gehört_94



Get Well Soon “Vexations” (City Slang)
Der Kritiker Karl Bruckmaier, an dieser Stelle schon desöfteren zitiert, hat die liebenswerte und höchst respektable Eigenschaft, seine Meinung über die tatsächlichen und vermeintlichen Größen im Pop- und Rockbusiness in kleine, scharfzüngige und zuweilen recht sarkastische Sätze zu zwingen und so nach kaiserlichem Gestus den Daumen über dem jeweiligen Werk zu heben oder zu senken. Davon abgesehen, dass er in dieser Funktion eigentlich Personenschutz beantragen müßte, um sich vor Farbbeutelattacken der Geschmähten zu schützen, abgesehen auch davon, dass ihm manch einer wegen seines Jahrgang (56) jedwedes Urteilsvermögen absprechen wird, abgesehen auch davon, dass ich selbst bei einigen seiner Urteile innerlich so manchen Strauß mit ihm ausgefochten habe – abgesehen davon also hat er bei „Vexations“ punktgenau getroffen: „Mit dem Lachen über diese Platte werde ich in Jahren noch nicht fertig sein.“ Rumms, das hat gesessen. Das kann man, kein Zweifel, differenzierter darstellen. Muß man aber nicht. Jedes Lied auf dem Album schreit Ambition, schreit Bedeutung, Kopfkunst. Sartre, Herzog, Darvin, drunter geht’s nicht, dazu Harfen, Streicher, Chöre und das ganze Posaunenensemble aus Jericho, alles dabei. Doch irgendwie bleibt der Großteil der Songs seltsam zäh und uninspiriert, es plätschert trotz fetter Instrumentierung so dahin. „Senecas Silence“ und „We Are Free“ haben ja noch halbwegs Schmackes, aber schon der „Red Nose Day“ dümpelt mit allerlei gerauntem Gewisper dahin, auch „5 Steps/7 Swords“ macht es als Trauermarsch nicht eben besser. Danach passiert eine große (Lange)Weile nicht viel, beschauliche Soundskizzen, Klangakrobatik – erst der „Angry Young Man“ holt die Platte kurz vor Schluß aus der Agonie – endlich, möchte man meinen, kommt der Junge mal in die Puschen. Hat sich dann aber wieder, für das „Römische Reich“ wird noch mal kräftig Schwermut aufgesattelt. Es ist ja nicht so, dass er es nicht könnte, der Konstantin Gropper, aber mir scheint, dass das Debütalbum deutlich stringenter, kraftvoller war und so auch musikalisch mit der textlichen Ambition mitzuhalten vermochte, Spannungsbögen setzte, ohne allzuviel aufgesetztes Brimborium auskam. „Vexations“ ist davon leider weit entfernt, da wäre weniger deutlich mehr gewesen.

Gefunden_42 [UpDate]



... es konnte natürlich kein Mensch ahnen, dass Peter Sloterdijk nur deshalb nicht zum Friseur findet, weil er zur Zeit gerade die Bühnen dieser Welt bespielen muß.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Gehört_93



Massive Attack “Heligoland” (EMI)
Der Maßstab dieser Band war ja bekanntlich seltener der Tanzboden, sondern eher die sparsam beleuchtete, verruchte Nachtbar, natürlich Afterhour. Für diesen Ort waren die bisherigen Platten größtenteils gemacht und genau dort haben sie auch bestens funktioniert. Für die Clubs taugten sie nur bis jetzt nur bedingt, könnte sein, dass sich das mit der neuen Platte „Heligoland“ ganz schnell ändert. Bei genauerer Betrachtung ist sie ja ganz so neu nicht mehr, immerhin kommen drei Songs von der 2009 veröffentlichten EP „Splitting The Atom“ – das erdige „Pray For Rain“ mit Tunde Adebimpe von TV On The Radio, ein nach wie vor berückendes „Psyche“ mit Ex-Tricky-Chanteuse Martina Topley Bird und der damalige Titeltrack als unterkühlter Schwof mit Grabesstimme. Das hinzugefügte Material kann sich durchaus sehen und hören lassen: „Babel“, wiederum mit Topley Bird, entpuppt sich als erste Ausnahme im bisherigen Kanon, angedeutete Breakbeats weisen hier deutlich in Richtung Clubhit. Bei „Girl I Love You“ wird’s dann kurz mal düster und bedrohlich – alte Schule, „Maxinquaye“ winkt über die Schulter. Das zu Beginn recht zerrissen wirkende „Flat On The Blade“ mit Elbows Guy Garvey entwickelt sich mit allem Pfiepen und Pluckern zu einem echten Höhepunkt mit fast mystischer Dimension, der Song als Sog – großartig. Von gleicher Qualität ist ebenfalls das Stück „Paradise Circus“ mit Hope Sandoval, eine sehr entspannte Nummer; Handclaps und Streicherchöre inklusive. Deutlich beschleunigt zeigt sich dann auch „Rush Minute“ mit feinen Gitarrenloops, während für Damon Albarn ein nicht minder bestechendes „Saturday Come Slow“ gefunden wurde. „Atlas Air“ zum Schluß gibt in fast acht Minuten noch einmal alles, was unter den Topics Triphop und Bristol subsummiert werden kann: lässige Beats, Soundwände satt und rauchige Vocals. Ein eindrucksvolles Album ohne erkennbare Schwachstellen, gelungene Rückkehr, Wiedergeburt, was immer nach Durchhängern und BestOf-Gedöns. Massive Attack stehen wieder am Pult und geben den Ton an – gute Nachrichten für die Freunde der Nacht.

Mittwoch, 20. Januar 2010

Gehört_92



Hot Chip „One Life Stand“ (EMI)
Einer jeden anderen Band würde solch ein Album wahrscheinlich wahlweise um die Ohren gehauen oder in der Luft zerrissen werden – nicht so bei Hot Chip. Spätestens seit ihrem furiosen „Made In The Dark“ aus dem Jahr 2008 sind die Londoner nämlich das, was man gemeinhin als Kritikerlieblinge bezeichnet und als solche können sie auch auf dem aktuellen Album mutmaßlich ohne größeren Ärger alles durch den Referenzwolf drehen, was in den 80ern Rang und Namen hatte. Sie dürfen das auch deshalb, weil sie in der Brange nach wie vor weniger als Band, sondern eher als begnadete Remixer wahrgenommen werden, bei denen die konsequente Verwurstung sämtlicher Stilrichtungen quasi zum Handwerkszeug zählt. Noch dazu machen sie ihre Sache, das läßt sich vorwegschicken, auch auf dem heiß erwarteten „One Life Stand“ mehr als großartig, zumal sie klug und geschickt genug sind, sich nicht auf das bloße Plagiat zu beschränken, sondern immer auf kunstvolle Veredelung, Verfeinerung und Verfremdung aus sind. So springen einem zwar beim Eröffnungsstück „Thieves In The Night“ Arm in Arm Kraftwerk und Visage entgegen, werden aber gleich von einer recht brazzigen Gitarrenspur zurechtgerückt. Hot Chip schaffen das, was Zoot Woman im letzten Jahr nur ansatzweise gelungen ist – sie verlegen sich nicht nur auf schlichtes Wummern, sondern können jeden ihrer zumeist wieder sehr tanzbaren Tracks mit eigener unverwechselbarer Charakteristik versehen. „Hand Me Down Your Love“ und „I Feel Better“ dürften für den Dancefloor bestens funktionieren, beim Titelsong selbst wie auch beim Schlußstück „Take It In“ sollte das Herz eines jeden Depeche-Mode-Fans deutlich an Frequenz zulegen, ist die Instrumentierung hier doch gekonnt an deren stilbildende Alben „Construction Time Again“ und „Some Great Reward“ angelehnt – wohliges Schauern garantiert. Bei „Slush“ gönnt man sich dann die wohlverdiente Ruhepause, an den Titel wird sich mancher auch erst gewöhnen müssen – für meinen Geschmack wurde hier die verträgliche Dosis Enya und „Unchained Melody“ leicht überzogen, was soll’s. Der Rest gelingt dann wieder traumwandlerisch sicher und bestechend leichtfüßig: ein smoothes „Alley Cats“, mit „We Have Love“ kommen Bronski Beat zu willkommener Erinnerung, bei „Keep Quiet“ sind es dann die Schweizer Double, die sich einem aufdrängen. Es wird manchen geben, der das Vertrackte vom Vorgänger vermißt, dem die Songs in der Summe zu glatt geraten sind. Ansichtssache. Sicher ist jedenfalls, dass man mit dem Kauf dieser Platte schon mal einen ganz dicken Anwärter auf den Spitzenreiter bei den Jahrescharts 2010 im Regal stehen hat.

Dienstag, 19. Januar 2010

Gehört_91



These New Puritans "Hidden" (Domino)
Man kann dieses Album, das zweite der These New Puritans, wohl noch weitere zehn Durchgänge drehen lassen, irgendwie wird man trotzdem das Gefühl nicht los, dass hier zusammengekommen ist was nicht zusammengehört. Das 2008 veröffentlichte „Beat Pyramide“ hatte noch etwas Hypnotisches, die hektischen Drumloops erinnerten an die hyperventilierenden Bloc Party, der Gesang war herrlich schnoddrig und die Songs kurz und schmerzvoll – ein ordentliches Debüt. Was sie aber jetzt geritten hat, diesen Königsweg zu verlassen und zu tonnenschweren Paukenschlägen düster dräuende Blechbläser aufzufahren und das ganze auf Maximallänge zu strecken, wir werden es so schnell nicht erfahren. Waren „Elvis“ und „Swords Of Truth“ noch herrlich zackiges Hitfutter, kriegt man beim ausgewalzten „We Want War“ oder den überaus anstrengenden, sprerrigen „Attack-Music“ und „Fire-Power“ wahlweise das große Gähnen oder Gruseln – Progrock meets Laibach, wenn man’s denn braucht. „Hologram“ wiederum bleibt der fehlgeschlagene Versuch, mit den gleichen Mitteln etwas Leichtigkeit in das Spektakel zu bringen – ein wüstes Geklimper ohne Kontur. Man möchte ja nicht als der spießige Traditionalist gelten, aber klassische Arrangements in zeitgemäße Rockmusik einzubetten braucht ein wenig mehr Feingefühl, als es die vier Engländer hier an den Tag legen. Und nur weil der Hinweis sicher kommen wird – nein, das Ganze hat keinerlei wagnerische Dimensionen, das sind auch keine mutigen avantgardistischen Kunstwerke – das ist nur der überambitionierte, unbeholfene Abgesang einer hoffnungsvoll gestarteten Band, die sich ein wenig verlaufen hat. Enttäuschend.

Montag, 18. Januar 2010

Gehört_90



Eels „End Times“ (V2)
Kauz, der; -es, Käu-ze [1. kleine Eulenart, 2. eigensinniger Mensch – Synonyme: Außenseiter, Eigenbrötler, Exzentriker, Sonderling, Spinner]. Wohl klar, dass es sich im Folgenden nicht um das possierliche Tierchen drehen wird. Klar auch, dass hierzulande offensichtlich keine Rezension ohne diese Charakterisierung auszukommen scheint. Warum also nicht gleich damit aufschlagen? Zumal Mark Oliver Everett aka. Eels mit dieser Platte in musikalischer Hinsicht allmählich einem der führenden Vertreter einer anderen artverwandten Spezies, dem sog. Zausel immer ähnlicher wird – Bob Dylan. Der rohen Härte von "Hombre Lobo" fast gänzlich abgeschworen und auf jeglichen Firlefanz verzichtend – ganz zu Anfang des neuen Albums glaubt man förmlich zu zittern, denn „The Beginning“ klingt schon wie das apostrophierte Ende selbst und man fragt sich, ob man diese trauige Tristesse wohl über die kompletten vierzig Minuten durchzuhalten in der Lage ist. Mit dem folgenden „Gone Man“ liefert Everett zwar einen astreinen Bluesrock ab, der kräftig in die Beine geht – dennoch wirkt „End Times“ deutlich zurückgenommener als seine Vorgänger. Und so muß man auch gleich wieder runter in die tiefsten Tiefen wehklagender Einsamkeit – „I don’t need anymore misery, to teach me what I should be“. Dennoch kommt man ganz gut klar mit dem auf und ab: auf mit dem „Paradise Blues“, das federt wieder gekonnt, Gitarrensaiten wie auch Stimmbänder werden nicht geschont, ab dann wieder mit „Nowadays“, die Mundharmonika jammert zur bitteren Erkenntnis „The truth is something noone wants to hear you say, just ‘How you do?’ and ‘Have a nice day!’”. Das nachfolgende „Unhinged“ erinnert mit Stimme und Melodik wie frühere Stücke angenehm an Nirvanas Kurt Cobain und nimmt so auf dem Album eher eine Außenseiterrolle ein. Ganz zum Schluß kommt’s noch mal dicke, mit „I Need A Mother“, „Little Bird“ und „On My Feet“ vertont Everett erneut Titel und Cover. Zu dessen Abbildung ließ sich ja vor Erscheinen schon prächtig fantasieren – ein rauschebärtiger Gottvater wandert mit resigniertem Blick inkognito im Sandleroutfit durch verlassene Wohngegenden und schaut sich an, was seine Schäfchen mit all dem angestellt haben, was er ihnen einst in gutem Glauben überlassen hat. Ein Trauerspiel das alles, fürwahr. Aber ein schönes ...

Meine Frau sagt ... [3]



... hätte ich mich bei unserem ersten Rendezvous so vorgestellt, wäre ein späteres Zusammenkommen wohl recht schwierig geworden. Wer kann es ihr verdenken. Aber für ihr neuestes App (Old Booth) mache ich mich gerne mal zum Horst ...

Samstag, 16. Januar 2010

Gehört_89



OST "Soul Kitchen" (Universal)
Geil, geil, geil, Digger ... !

Donnerstag, 14. Januar 2010

Gefunden_45



Ob dies eine gute Meldung ist, werden die nächsten Wochen zeigen – grundsätzlich ist verhaltene Freude jedenfalls nicht verboten, wenn Rick Rubins nebst Label American/Lost Highway verlauten läßt, dass recht bald mit der unumstößlich letzten Sammlung aus dem Nachlaß von Johnny Cash zu rechnen ist. Es wird sich bei „American Recordings VI, Ain’t No Grave“ wieder um größtenteils gecoverte Songs handeln, die Auswahl der veredelten Werke erscheint auf den ersten Blick nicht mehr ganz so glamourös und populär wie in den Anfangstagen der Serie, was nicht bedeutet, das Songs von Sheryl Crow, Kris Kristofferson oder Tom Paxton weniger gutes Material abgeben können. Der Erscheinungstag ist zumindest für die U.S.A. geschickt gewählt, am Street Day, dem 26. Februar wäre Cash 78 Jahre alt geworden. Im Übrigen wird sich auf dem Epos mit „I Corinthians 15:55“ auch ein bisher unveröffentlichter Song vom Meister selbst befinden – als pflichtbewußter Katholik und unverbesserliches G’scheithaferl beende ich den Post gern mit diesem wegweisenden und dem eifrigen Kirchgänger nicht eben unbekannten Zitat: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?" So, und jetzt laßt den alten Mann mal endlich zur Ruhe kommen ...

Meine Frau sagt ... [2]



... Apps machen glücklich. Zumindest für kurze Zeit. Und so wandert sie nunmehr auf den Spuren von Spike Jonze und seinem berühmten White-Stripes-Video und macht mich zum Legomann. Hübsch, das.

Mittwoch, 13. Januar 2010

Gehört_88



Spoon “Transference” (Anti)
„Er aber stieß ihn immer wieder zurück, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus.“ Es ist nicht überliefert, ob die alltägliche Arbeit der Band um Sänger Britt Daniel ähnliche Folgen zeigt wie beim griechischen Heldenmythos Sisyphos. Der Verweis in die Sagenwelt liegt allerdings nahe, versuchen Spoon doch seit nunmehr fast sechszehn Jahren mehr oder weniger erfolglos, endlich den großen, den perfekten Wurf zu schaffen. Leicht zu verschmerzen, wären die Resultate qualitätsarme Ramschware – so jedoch mischt sich eine gehobene Portion Mitleid in die Klage, denn spätestens die drei letzten Alben „Kill The Moonlight“, „Gimme Fiction“ und zuletzt „Ga Ga Ga ...“ waren, man kann es nicht anders sagen, kleine Meisterwerke des Gitarrenpop. Nun also ein neuer Versuch. „Transference“ beginnt verhalten mit dem fast akkustischen „Before Destruction“, leichter Blues, ein Warmmacher. Beim ersten Takt des zweiten Songs „Is Love Forever?“ wird einem sofort wieder klar, was die Songs von Spoon so liebenswert macht: kantige, kurzgehackte Riffs, dazu die raue, leicht belegte Stimme von Daniel und Drumparts, die über alle Songs, in jeder Variation die Spannung zu halten vermögen. Für „Mystery Zone“ borgt man sich ein paar Streicher, bevor mit „Who Makes Your Money“ der erste große Moment kommt – dunkel pluckernde Technotunes eröffnen für den versetzten, lässigen Gitarrenpart, bewußt sparsam arrangiert, klug gesetzte Brüche. Damit hat sich die Kreativität allerdings keineswegs erschöpft, Lied um Lied heben sie neue Schätze, schon „I Saw The Light“ ist wieder so ein fugenartig aufgebautes Glanzstück, die fünfeinhalb Minuten, hofft man, mögen niemals enden, tun es aber dann doch abrupt. Jedoch nur um dem dreckigen „Trouble Comes Running“ Platz zu machen, welches durchaus auch auf eines der besseren Strokes-Alben gepaßt hätte. Für „Goodnight Laura“ wird’s mal kurz etwas besinnlich. „Out Go The Lights“ holt noch mal Luft, bevor dann kurz vor Schluß noch die grandiose Single „Got Nuffin“ aus den Boxen scheppert. Zurück bei Zeus möchte man rufen: „Hab’ ein Einsehen mit ihnen – gib ihnen reichlich Zaster, ausverkaufte Touren und was sie sonst noch wollen! Sie haben es, verdammt noch eins, endlich verdient!“

Gefunden_44



Für alle, die händeringend eine handfeste Alternative zu Michael Jacksons "This Is It" suchen oder wahlweise eine romantische cineastische Untermahlung für's nächste Date bzw. einen lustigen und lehrreichen Erlebnisfilm für Kinder ab 3, für alle diejenigen unter uns ist jetzt Rettung in Sicht: "Lemmy - The Movie". Da fällt mir dann auch wieder ein schöner Satz aus einem SZ-Interview mit "the badest motherfucker on earth" ein: Lemmy, mittlerweile 64, wird dereinst nicht sterben, sondern einfach verpuffen. Hell yeah!

Dienstag, 12. Januar 2010

Gehört_87



Surfer Blood „Astro Coast“ (Megaphon)
Das martialische Spielberg-Cover täuscht etwas über den Charakter der Musik von Surfer Blood hinweg – wahrscheinlich sind Name und Optik aber eher als ironische Verkehrung gemeint. Zittern jedenfalls muß vor dem gefälligen Indiepop des Quartetts aus Florida niemand und das soll nicht negativ verstanden werden. Handwerk im besten Sinne, zwei solide Rocknummern mit „Floating Vibes“ und „Swim“ eröffnen das Album. Beim nachfolgenden „Take It Easy“ bekommt man kurzzeitig eine Ahnung davon, was der gebildete Musikjournalist unter „Vampire-Weekend-Soundalikes“ versteht. Der Spuk ist aber schnell vorbei, schon „Harmonix“ (!?) gemahnt eher an die feinen Akkorde von Nada Surf als an den hippen afrikanisierten Nerdpop. Auch das Restprogramm klingt erfrischend, wenn auch nicht eben wie „the next big thing“. Gut abgehangene Riffs, mäßiges Tempo, vorsichtige Verzerrungen – „Twin Peaks“, „Fast Jabroni“ und „Anchorage“ lassen zudem erahnen, dass die Jungs auch einiges von den frühen R.E.M. gehört haben müssen. Auf ihrer MySpace-Seite ist unter der Rubrik „Einflüsse“ die Bemerkung „None of us surf“ notiert, man hätte es ahnen können - dass beim abschließenden „Catholic Pagans“ doch noch ein wenig die Surfgitarre anklingt, kann man dann wohl getrost auch unter Ironie verbuchen.

Gefunden_43



Diese Nachricht, die kürzlich über die Ticker ging, hat das durchaus das Zeug, das Jahr 2010 aus musikalischer Sicht zu einem ganz besonderen werden zu lassen: Die New Yorker Post-Punk-Legenden The Swans, gegründet 1982 und 1997 leider aufgelöst, planen nach Angaben ihres Gründers und Sängers Michael Gira eine Reunion. Gira, der nach dem Ende der Band mit dem Folgeprojekt The Angels Of Light leidlich reüssierte, plant den Wiederbeginn sowohl mit Teilen der letzten Besetzung als auch mit Mitgliedern seiner neuen Band. Einziger Wermutstropfen für erwartungsfrohe Fans dürfte das Fehlen von Sängerin Jarboe sein, die sich offensichtlich nicht zur Rückkehr bewegen ließ. Über den Sound des für dieses Jahr angekündigten Albums kann von nun an wild spekuliert werden – die Swans haben in den Jahren ihres Schaffens so ziemlich alles zwischen Metal, Goth, Noise, akkustischen Klängen und klassischen Elementen abgegrast und miteinander kombiniert und galten zu Lebzeiten nicht ganz zu Unrecht als eine der lautesten Bands der Indieszene, bekannt und geliebt vor allem für ihre endlosen, hypnotischen Lärmexzesse und Rhythmussessions. Weitere Verdienste: Sie haben das Bild des karottenfressenden Hasen für den Untergrund bewahrt, mit ihrer Version von „Love Will Tear Us Apart“ dem Genre des Coversongs einen fast monolythischen Glanzpunkt hinzugefügt und mit dem späten „Failure“ zweifellos eines der traurigsten Lieder der Neuzeit verfaßt. Vor diesem Hintergrund dürften vor allem die angekündigten Liveshows natürlich das „Must“ des Jahres werden – mindestens.
Die Nachricht im Netz

Test - Test - 2, 0, ...



Klar - ein Testspiel, kennt man ja. Die einen hochmotiviert, heimische Kulisse, volle Hütte, großer Name, der Gegner dagegen trainingsmatt, die Füße noch im spanischen Chiclana, der Kopf schon in der Arena beim Auftaktgegner FCN - halb so schlimm alles. Auf der Rechnung steht jedenfalls ein feiner Sieg mit Treffern von Thorandt und Hennings. Die Bilder natürlich von Antje, hier in erster Linie für olle Kackbratze Heiko verlinkt - entscheident ist Samstag gegen Ahlen.
Schalke am Millerntor

Samstag, 9. Januar 2010

Gehört_86



The Jeffrey Lee Pierce Session Project “We Are Only Riders” (Glitterhouse)
Der plötzliche Tod von Jeffrey Lee Pierce 1996 ist an Tragik in der jüngeren Geschichte eigentlich nur mit dem Selbsttod Kurt Cobains zwei Jahre zuvor vergleichbar – auch er war mit einem gewaltigen kreativen Potential gesegnet und trotz allem zu oft ein Unverstandener, eingeschlossen mit dem eigenen Genie im Gedankenwirrwar, pendelnd zwischen Anerkennung, Ruhm und bodenloser, alptraumhafter Leere. Und auch sein Tod evozierte die immer gleiche Frage nach dem, was noch hätte alles Großes kommen können, wenn er doch nur … - egoistisches Geschrei sicher, unnütz, doch nur allzu menschlich. Eine illustre Schar von Weggefährten, Verehrern, Freunden hat jetzt auf „We Are Only Riders“ versucht, neben bekannteren Stücken einige von Pierce’ unvollendeten Songskizzen weiterzuspinnen, neu zu interpretieren und so ein wenig von seinem verschrobenen Geist wiederaufleben zu lassen. Die Besetzung des Jeffrey Lee Pierce Session Project liest sich wie das Who Is Who der altehrwürdigen Postpunk- und Indieszene: Nick Cave, Lydia Lunch, Mark Lanegan, Debbie Harry, David Eugene Edwards und Mick Harvey. Die Songs sind teilweise mehrmals vertreten – „Ramblin’ Mind“ erscheint wie zwei andere gleich drei Mal – in einer düster trägen Westernversion von Nick Cave, deutlich beschwingter vom Ex-16 Horsepower-Frontmann David Eugene Edwards und gänzlich „laid back“ von Cypress Grove. Pierce’ höchsteigenes Idol, Debbie Harry singt mit fast gläserner, brüchiger Stimme einen der späteren Songs des Gun Club „Lucky Jim“ – anrührend; noch jenseitiger das knorrig knarzende Raunen von Lydia Lunch bei „Cadillac“ und „St. Marks Place“. Gewohnt überzeugend und fast ein klein wenig zu glatt dann Mark Lanegan, solo mit „Constant Waiting“ und zusammen mit seiner Allzeitpartnerin Isobell Campbell bei „Free To Walk“. Mit elegantem Schwung dagegen Mick Harvey’s „The Snow Country“, überraschend schräg und etwas freaky dann Johnny Dowds „Constant Waiting“ – ein krasser Gegenpart zur eher konventionellen Countryversion der Sadies. Dass die Raveonettes auch mit von der Partie sind, kann man verschmerzen, auch weil von den alten Heroen eigentlich keiner ernstlich danebenlangt – Pierce wird, so er das ganze Spektakel auf Gods Own Stereoanlage anhören darf, jedenfalls eine ganze Menge Spaß haben da oben.

Gefunden_42



"... kaufte man gleich noch Sloterdijks "Du mußt dein Leben ändern". Prinzipiell hat Rilke recht, von dem Sloterdijk den Titel seines Buches entlehnte. Es ist immer richtig, das Leben zu ändern, was bei Sloterdijk selbst damit beginnen sollte, dass er sich endlich mal die Haare schneiden läßt."
Kurt Kister in der Süddeutschen Zeitung, Samstag, 9. Januar 2010

Freitag, 8. Januar 2010

Gefunden_41



Natürlich bin ich ein paar Tage zu spät dran mit diesem Bild, jedenfalls für einen echten Fan. Sei's drum. Wenn mich in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine Band ähnlich zu begeistern wußte wie Depeche Mode, dann waren das ohne Zweifel INTERPOL. Alle drei bisherigen Alben, samt und sonders vor der Geburtsstunde dieses Blogs erschienen, haben mich auf verschiedenste Weise berührt, elektrifiziert, angefixt: "Turn On The Bright Lights" als knochentrockenes und dunkel schimmerndes Erweckungserlebnis, "Antics" mit seinen treibenden, leidenschaftlichen Beats und schließlich "Our Love To Admire" in seiner orchestralen Komplexität und den fast schon jenseitigen Akkorden - eine Feier betörender Schönheit ein jedes von ihnen, keine Schwachstellen, nirgends. Und nun hofft die Gemeinde und lechzt nach Lebenszeichen, und jubelt, wenn sie seit einigen Tagen auch nur eine schlichte Jahreszahl hinter dem gewohnten Schriftzug auf der Website zu sehen bekommt - 2010. Im Frühjahr, sagt man, ist mit dem neuen Werk zu rechnen, es wird retro, sagt der Drummer, es wird noch vielschichtiger, sagen Sänger und Bassist. Die Meinung des Gitarristen ist noch nicht überliefert, spielt aber auch keine so große Rolle. Für Spannung ist jedenfalls gesorgt, es kribbelt wieder - was kann es Schöneres geben ...

Donnerstag, 7. Januar 2010

Gehört_85



Adam Green „Minor Love“ (Rough Trade)
Das wir uns richtig verstehen – richtig schlecht war dieser Adam Green eigentlich nie. Er ging einem nur mit der Zeit mächtig auf den Keks mit seiner bis zur Langeweile kultivierten spleenigen Attitüde, seiner ach so lustigen analoralen Spaßlyrik, seiner hartnäckigen Omnipräsenz, mit der er alle Konzertbühnen des Landes im Jahr mindestens dreimal bespielte, bis ihn auch der letzte eingeschworene Fan einfach über hatte. Auch musikalisch tat sich nach „Gemstones“ nicht mehr so richtig viel, glattgebügelte Liedchen oft genug als selbstreferentielle Abziehbilder, alles bekannt, alles schon gehört – „Jacket Full Of Danger“ und „Sixes & Sevens“ gerieten so zum spannungsarmen Gähnen auf zugegeben angehobenem Niveau. Vorsicht war also geboten für „Minor Love“, denn der Wind im Blätterwald machte einen schon gehörig mißtrauisch: Green sei jetzt Lou Reed, hieß es, die neue Platte natürlich seine beste, reifste ever. „Breaking Locks“ zu Beginn klingt dann tatsächlich ein wenig nach dem schrulligen Altmeister und bekommt so eine recht angenehme Schattierung. Passend zum neuen Kurzhaarschnitt sind auch die folgenden Songs auf ein sympathisches Dreiminutenmaß gestutzt und beim Instrumentarium wurde durchweg deutlich abgerüstet. So bleiben in der Regel das noch immer angenehm dunkle Timbre des Gesangs und wahlweise Gitarre, Klavier und dezentes Schlagwerk die Fixpunkte der vierzehn Stücke. Die Reduktion hat den Liedern ganz sicher nicht geschadet, läßt sie doch Greens durchaus beachtliches Talent unbeschadet zur Geltung kommen – „Buddy Bradley“ und „Bathing Birds“ erscheinen als erste – gleichwohl subjektive – Höhepunkte. Die Single „What Makes Him Act So Bad“, ohne Zweifel der Grund für das Gazettengeraune, packt dann eine Menge von Warhols Velvet-Sound in knappe zweieinhalb Minuten, was durchaus gut gelingt. Auch danach wird fleißig gecroont, aber eben im gebremsten Stil der früheren Platten – das sind dann die Momente, in denen der eingebildete Lou Reed wieder zum angedeuteten Jim Morrison hinüberwechselt, wo „Cigarettes Burns Forever“ zu einer charmant leichtgewichtigen Variation von „Riders In The Storm“ mutiert. Bei „Oh Sucks“ geht’s dann noch mal ganz weit zurück zu den Lieblingen der New Yorker Kunst- und Antifolk-Szene, den Moldy Peaches, deren Reunion ja schon seit Monaten von den einschlägigen Medien herbeigebetet und -geschrieben wird. Man fragt sich allerdings, wofür um alles in der Welt solch eine Familienzusammenführung gut sein soll. Adam Green ist mit dieser neuen Platte selbst Manns genug, es auch weiterhin allein zu versuchen, er hat noch den Swing („Lockout“), er hat sehr wohl noch das Genie eines überdurchschnittlichen Songwriters und es bleibt zu hoffen, dass ihm seine A&R-Abteilung auch den brauchbaren Tip gibt, sich für einen guten Ruf ein wenig rarer zu machen. Mit dieser Platte jedenfalls hat er sich ein wenig zurück in die Herzen derer gespielt, die ihn schon geraume Zeit aus dem Blick verloren hatten.
http://www.adamgreen.net/

Dienstag, 5. Januar 2010

Gehört_84



Vampire Weekend „Contra“ (Indigo)
Wer zu Beginn des Jahres trotz oder wegen der beiden geleakten Titel “Horchata” und “Cousins” mit wesentlichen Veränderungen aus dem Hause Vampire Weekend gerechnet hatte, sieht sich nach den ersten Takten des neuen, zweiten Albums vielleicht ein wenig enttäuscht. Wen allerdings schon 2008 das Debüt so dermaßen aus den Schuhen geschmissen hat, dass er dringend auf Nachschub an Gleichklang hoffte, der wiederum darf sich kräftig freuen. Objektiv betrachtet dürfte sich der Reiz des weltmusikalisch unterfütterten Afropops der vier New Yorker nicht wesentlich verbraucht haben – noch immer wuseln sie mit viel Geschick, vokaler Akrobatik und einer Riesenportion an frischem Jungmännercharme durch ihr Repertoire. Umwerfende Neuerungen? Bloß nicht übertreiben! Bei „Holiday“ darf sich eine aufgerauhte Gitarrrenspur verschämt in den Vordergrund grummeln, für „Taxi Cab“ wird der Sound auf Spieldosenformat heruntergedimmt. „Run“ wiederum wagt den Spagat zwischen Mariachi und Diskotune – ein ganz und gar bezauberndes Stück. Den beiden Glanzstücken „A-Punk“ und „Mansard Roof“ vom Erstling kommt „Cousins“ mit seinen atemlosen Drumloops am nächsten, dagegen wirkt „Giving Up The Gun“ regelrecht konventionell und sogar ein bißchen altbacken. Ganz am Schluß steigt selbst diese Band, man möchte seinen Ohren nicht trauen, für ein paar Minuten von der Hüpfburg und entläßt einen mit „I Think Ur A Contra“ augenzwinkernd ins noch junge Jahr – bester Laune und voller Hoffnung. Reife Leistung.

Montag, 4. Januar 2010

Gefunden_40



Über Getränkenamen für Colamixe ließe sich problemlos fast ein eigener Blog füllen, so eine Vielzahl lyrisch verbrämter Bezeichnungen geistern da durch unsere schöne Republik: Seit einiger Zeit in Bayern politisch absolut unkorrekt – der Neger (Cola/Weizen), ebenso ehrlich – der Drecksack (Cola/Kölsch). Cola/Rotwein kennt der Unerschrockene in der Bodenseeregion als Korea – bei meiner Frau daheim in Franken gibt’s die Mixtur unter dem Namen Kalte Muschi. Letzteres hielt ich zwar bisher immer für einen Fake, bis ich an der Tanke obige Flasche entdeckte und auf ihr das geliebte Logo des weltbesten Fußballclubs aller Zeiten. Nach Kauf und Test muß leider konstatiert werden: Auch ein FC St. Pauli kann sich mal irren. Liebe Marketingabteilung am Millerntor, entweder Ihr seid überzeugte Abstinenzler oder die Geschmacksknospen haben den harten Kiezalltag nicht ganz unbeschadet überstanden. Denn Kalte Muschi ist eine derartig grenzwertige Plörre, dass man dringend darauf hinweisen muß, dass Eure Sponsorengelder anderswo garantiert besser aufgehoben wären. Prost!
Wer's trotzdem mag – der Weg zum Shop: Kalte Muschi im Netz

Sonntag, 3. Januar 2010

Facelifting

Die neue "Brigitte" kommt jetzt ab ohne Profimodels aus, Respekt. Und auch der Blog, obschon nicht im Fashionbusiness zu Hause, hat sich zum Jahresbeginn ein wenig aufgehübscht, dafür aber sehr wohl professionelle Hilfe in Anspruch genommen - besten Dank dafür, Pamela. Und wer Lust hat, kann sogar noch ein wenig mitspielen: Für den Header sind 25 Plattencover ineinandergestöpselt worden, die oder der erste, der mindestens 21 davon richtig erkennt und das Ganze an die folgende Mailadresse sendet, bekommt dafür einen Gutschein für eine CD seiner Wahl von Amazon. Unmittelbarste Familienangehörige, also Ehefrauen, sind leider vom Wettbewerb ausgeschlossen - sorry, Pamela. Also, nur Mut!
Mail an: martin.k-lorenz@web.de