„The Night Chancers“
(PIAS/Rough Trade)
Über die charmante Tatsache, dass sich Baxter Dury trotz seiner unleugbar britischen Herkunft mit seiner Musik eher der Zugehörigkeit zur französischen Bohéme verdächtig macht und ihm mit Serge Gainsbourg auch gleich das passende Role Model parat steht, wurde (auch hier) schon viel geschrieben. Anlass dazu gab spätestens die Veröffentlichung seines letzten Albums „Prince Of Tears“ im Herbst 2017 – ändern tut sich daran auch mit der neuen Platte nichts. Ganz im Gegenteil, Dury geht den eingeschlagenen Weg mit der lässigen Eleganz eines gefallenen Dandys entschlossen und konsequent weiter. Er, dem nach eigener Aussage die glattpolierten, oberflächlichen Lebensläufe vieler seiner Mitmenschen ein langweiliger Graus sind („I can only really talk about the confusion and the fog“/CLASH), lässt in seinen Liedern gern auf die Abgründe und seelischen Verwerfungen blicken, die unsere ach so moderne und aufgeklärte Gesellschaft hervorbringt – an den Rändern, in den Graubereichen, mit all den Verlockungen, die Anonymität, grenzenlose Selbstverwirklichung und sexuelle Promiskuität mit sich bringen. Seine Protagonisten sind auch auf „The Night Chancers“ nicht selten Gestrandete, Zweifelnde, Suchende, süchtig nach Anerkennung, Liebe und bereit, Grenzen zu überschreiten, wenn es gilt, die Neugier zu befriedigen und die innere Leere zu verdrängen.
Üble Gestalten auch, Stalker, „Slumlords“, gemeines Lachen, böse Gedanken, dreckige Fantasien, all das ist ihm nicht fremd und uns Zuhörern wäre es das auch nicht, wenn wir den dunklen Teil unseres Egos nicht so häufig verleugnen würden. Dury braucht diese verkrachten Existenzen, sie sind für seine Arbeit als Künstler unabdingbar: „All der versteckte Schmerz, der Schweiß, die Tränen - was auch immer. Man assoziiert etwas damit, man riecht es, man kann es fühlen. Es steckt eine echte Emotion hinter all dem“, meint er in besagtem Interview, trotzdem: „Ich bin ziemlich emotional. Aber ich bin kein Arschloch." Die Musik dazu gibt den spannenden Gegenpart, die schwelgerischen Chöre, die Streicher, die jazzigen Arrangements, der gebremste Funk, alles sehr warm, gefühlvoll, geschmeidig. Neben dem großen Franzosen kommen einem wieder und wieder Cave und Ferry in den Sinn, allerdings wird aus Dury im Vergleich zu diesen im Leben kein Sänger mehr, er beschränkt sich eher auf schnoddrige Rezitative oder verkappte Raps, was ohnehin besser zu seinem leicht demolierten Äußeren passt. Eine Nachtplatte, eine von der Schattenseite des Lebens. Und deshalb nicht gering zu schätzen.
04.05. Hamburg, Mojo Club
05.05. Berlin, Kesselhaus Kulturbrauerei
06.05. Köln, Gebäude 9
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