Sleater-Kinney
„Path Of Wellness“
(Mom+Pop Music)
Die Wahrheit ist: Sie haben also auch das besser und geräuschloser hinbekommen als viele ihrer männlichen Kollegen. Diese hätten aus übertriebenem oder gekränktem Ehrgeiz wohl entweder eine Projektarbeit mit dem Titel „Personelle Umbrüche bewältigen“ verfasst oder sich heillos miteinander überworfen („Some Kind Of Monster“ lässt grüßen). Nichts dergleichen ist, soweit wir es wissen, mit Sleater-Kinney nach der Trennung von ihrer langjährigen Drummerin Janet Weiss passiert. Gut, auf die Frage nach Trennungsgrund X oder Y wurde recht kurz angebunden vermerkt, darüber wolle man jetzt eigentlich nicht mehr sprechen, ansonsten galt als abschließendes Credo, was Carrie Brownstein kürzlich dem Portal Vulture sagte: „Whatever we’re doing as Sleater-Kinney is Sleater-Kinney“ – Word. Und es ist ja nun nicht so, als ob der Abgang der Freundin und Kollegin die einzige Zäsur gewesen wäre, welche dieses zehnte Studioalbum dokumentiert – immerhin war es auch die erste Platte, die Brownstein und Tucker seit langer Zeit selbst produziert haben und es ist auch – nicht ganz unwichtig – die erste nach dem durchaus erlösenden Ende der Präsidentschaft eines gewissen Donald Trump.
Und die Antwort auf die Frage nach dem Befinden der Band, die „Path Of Wellness“ nun liefert, ist die denkbar einfachste und zugleich erfreulichste, die den zweien wohl passieren konnte: Man vermag nicht wirklich einen Unterschied auszumachen zwischen dem, was war (und das meint hier hauptsächlich den Vorgänger „The Center Won’t Hold“, produziert von St. Vincent) und dem, was aktuell ist. Was wir hören sind garstige Gitarrenriffs alter Güte, ab und an ein paar schöne Orgel-/Synthakkorde und Brownsteins Stimme, die in den besten Momenten immer ein wenig an Patti Smith erinnert. Was ja nun beileibe nicht ehrenrührig ist. Die deutlichsten Änderungen sind da wohl eher thematischer Natur – war das letzte Album eher ein politisches mit persönlichen Bezügen, so ist das hier meist umgekehrt. Mehrheitlich Zwischenmenschliches also jetzt oder grundlegend Philosophisches, aber eben auch das Erwachen vieler aus einer Art Angst- und Schockstarre.
Auf Ohnmacht, Frustration und Wut folgen nun Hoffnung auf Entspannung und Gesundung, doch auch die (stets beunruhigende) Frage: Wie konnte es mit uns allen soweit kommen?! Exemplarisch vorgetragen im letzten Song der Platte „Bring Mercy“: Hier wird von den Unruhen gesungen, die auch eine Stadt wie Portland, die Wahlheimat der Band, wochenlang in Atem hielten – Demonstrationen gegen rassistische Polizeigewalt, organisiert von Black Lives Matter, Gegenveranstaltungen militanter Trump-Anhänger, Anfeindungen, Gewalt, Plünderungen, sogar Tote. Gnade ist wieder gefragt, Liebe – „Bring mercy, bring love, pack your bags with things to lift you up, got nothing without hope“, Herz und Mitgefühl sind die Dinge, die man wieder braucht, um das vergiftete Klima zu befrieden.
Der Blick scheint nun wieder freier für andere Dinge und das sind nicht immer die angenehmeren: Die anhaltende Umweltzerstörung, an der wir alle nicht unschuldig sind („Tomorrow’s Grave“), die Endlichkeit und Vergänglichkeit des Seins („Beauty is gone before we’re through, split into seeds make something new“) in „High In The Grass“ genauso wie die Lust, sich im Augenblick zu verlieren, dem Instinkt nachzugeben („Worry With You“). Es gibt Lieder über die Liebe und solche, die auf sehr reflektierte Weise von den Enttäuschungen und Schwierigkeiten bei der Bewahrung derselben erzählen. Und natürlich werden fehlende Geschlechtergleichheit und Misogynie angeprangert, mit „No Knifes“ und „Complex Female Characters“ gleich in einem thematischen Doppelschlag. Dem puristischen Sound der Band, seit jeher eines ihrer Markenzeichen, steht also eine sehr dichte, inhaltliche Bandbreite gegenüber, den Herausforderungen unserer Zeit durchaus angemessen. Dass Brownstein und Tucker darüber hinaus auch in der Lage sind, dem Ernst der Lage mit Humor zu begegnen, davon kann man sich in beiliegendem Entertainment-Clip überzeugen. Ein Grund mehr, sich über die Rückkehr zu freuen.
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