Samstag, 27. April 2019

SUNN O))): Urgewalt mit Fußnoten

SUNN O)))
„Life Metal“
(Southern Lord Recordings)

Es geht also, und damit war nicht zu rechnen, um einen Witz. Nicht nur, aber auch. Gut, es geht bei dieser Platte um vieles, sie ist in mehrerlei Hinsicht eine ganz besondere. Hätte uns jemand gesagt, die wohl wichtigste Drone-Metal-Band würde ihr bislang achtes Studioalbum nach einem Running Gag aus dem Touralltag benennen, wir hätten ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er mit diesem Hinweis nicht nur auf dem falschen Gleis, nein, eher gleich im falschen Bahnhof gelandet wäre. Ein Joke von der Truppe, die sich auf der Bühne gern in nazgulhafte Kutten schmeißt und an deren PA und mit deren ohrenbetäubendem Lärm man sich während eines Konzertes mühelos die Haare föhnen kann. Metal mit Humor, das geht nun wirklich ziemlich selten zusammen. Und doch ist überliefert, dass Stephen O’Malley und Greg Anderson so ziemlich die Nase voll haben von dem ganzen „gloom-and-doom“-Ding, sie haben wenig Lust, ständig mit hängenden Köpfen, wütend und gramgebeugt allen beweisen zu müssen, wie furchtbar und schlecht gelaunt sie doch ständig sind. "This isn't a violent thing. It's powerful, but our intention is not to be destructive“, haben sie gerade dem Fachportal The Quietus diktiert, an anderer Stelle beharrt Anderson drauf, ein glücklicher Familienmensch zu sein und dass auch O’Malley und Kollaborateur Tos Nieuwenhuizen durchaus schöne Dinge erleben würden. Klingt logisch, wird aber unter eingeschworenen Anhängern nicht unbedingt gern gehört.

Dennoch: Dem Death-Metal-Gerede setzen SUNN O))) nun also bewusst ihren „Life Metal“ entgegen, ohne einen Jota von ihrem charakteristischen Sound abzuweichen – es ist ein Augenzwinkern, nicht mehr. Aber eben eines mit Ausrufezeichen. Genauso wie die untypische Farbgebung des Covers (mit Bildern von Samantha Keely Smith), die in der Import-Version noch um einiges knalliger erscheint. Weitere Änderungen sind dann eher handwerklicher Art – erstmals seit längerer Zeit ist Attila Csihar nicht als Vokalist vertreten, er wird stattdessen von Dauergast Hildur Guðnadóttir vertreten, die mit ihrer Stimme im ersten von vier Stücken („Between Sleipnir’s Breaths“) dem düsteren Dröhnen einen fast schwerelos schwebenden Kontrapunkt entgegensetzt. „Not forever on earth, only a little while here, like a painting, we will be erased, like a flower, we will dry up here on earth, like plumed vestments of the precious bird, that precious bird with the agile neck, we will come to an end“, heißt es dort, untermalt von wild grollenden Gitarrenkrach, umrahmt vom Wiehern und Trampeln (hier also dann doch mal erwartungsgemäß) des achtbeinigen Odin-Rosses.

Das darf man dann ruhig als tröstliches Zeichen nehmen: Wer es eingangs mit der Angst bekommen hat, SUNN O))) würden von nun an zur leichten Muse tendieren, der kann sich im Laufe der vorliegenden knapp siebzig Minuten zunehmend entspannen. Denn der erfahrene Produzent Steve Albini (die letzte Neuerung) hat der Band keineswegs ihre Härte und Einzigartigkeit ausgetrieben, er hat sie sogar auf eine neue Stufe gehoben – SUNN O))) klingen auf „Life Metal“ überraschend kompakt, organisch und auch wenn ein Album das Live-Erlebnis nur ansatzweise wiederzugeben vermag, so sind sie doch mit Albinis Überarbeitung sehr nahe dran. Unbekannt ist ihm, dem Indie-Wizard, der Metal ja nicht, schließlich hat er u.a. auch schon für Neurosis mehrmals die Regler bedient. Was er aber hier an Vibrationen, Rückkopplungen, Schlieren und gewaltigen Brechern hörbar gemacht hat, ist aller Ehren wert. Gerade die letzten beiden Stücke, insbesondere „Novae“ mit seinen gut fünfundzwanzig Minuten Spieldauer, tönen so beeindruckend und meditativ, daß es selbst dem hartgesottenen Fan eine wahre Freude sein muss. Zum Schluß kommt dann noch einmal Guðnadóttir, diesmal mit einem sogenannten Haldrophone, hohle, tiefe Schwingungen ersetzen für ein paar Minuten die Gitarren – auch das gelingt. Im Herbst soll der gemäßigte Zwilling „Pyroclasts“ folgen, man darf darauf mehr als gespannt sein, denn die Latte liegt jetzt ziemlich hoch.

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