Freitag, 1. März 2019

Little Simz: Fütter mein Ego

Little Simz
„Grey Area“
(Age 101)

Schon lustig: Da lassen gerade Cardi B und Nicky Minaj, beide ausgewiesene Könnerinnen ihres Fachs, ein wunderbar böses Beef auf heißer Flamme brutzeln und merken dabei nicht, dass der Spot schon ganz woanders hinscheint. Mittlerweile hat nämlich Simbiatu Ajikawo, besser bekannt unter dem Pseudonym Little Simz, den beiden in Sachen Aufmerksamkeit den Rang abgelaufen. Geboren im Londoner Stadtteil Islington, tauchte die mittlerweile fünfundzwanzigjährige Grime-Rapperin erstmals 2010 mit einem Mixtape auf, das auch in Kollegenkreisen für einiges Aufsehen sorgte, spätestens mit ihrem Debüt „A Curious Tale Of Trials + Persons“ und dem darauffolgenden Multimediaprojekt „Stillness In Wonderland“ ging es mit ihr steil bergauf. Nun also „Grey Area“, ein knackiges Statement voller irre schneller und ebenso scharfer Rhymes, derber Beats und erstaunlich vielseitigen Ausflügen in Richtung Soul, Funk, Jazz und Trip Hop.



An Selbstbewußtsein, soviel wird schnell klar, fehlt es der jungen Dame nicht: „Me again, allow me to pick up where I left off, the biggest phenomenon and I'm Picasso with the pen, niggas always talk shit until I hit them with the realness”, reimt sie gleich zu Beginn in “Offence”, gipfelnd im Chorus: “You're not listening, you're not listening, I said it with my chest and I don't care who I offend!” Zweifel, wer die Cheffin im Ring ist, läßt sie gar nicht erst aufkommen, an Worten wie „I’m boss with a fucking dress“ ist soweit nicht viel misszuverstehen. Wäre sie weniger talentiert, ließe sich das Ganze als die übliche Großmäuligkeit abtun, so aber zeigt sie für ihr Alter erstaunlichen Mut, und zwar sowohl bei der Wahl ihrer Botschaften als auch beim Mix verschiedenster Stile und Subgenres.



Zu bratzenden Synths und polternden Drums gesellen sich eben auch Flötentöne, Streicher- und Pianosequenzen, mal regieren funkige Basslines („Selfish“), kurz darauf schleppen sich tonnenschwere Bristol-Beats durch die Kulisse („Wounds“, „Therapy“). Das dunkel schillernde „Venom“ nimmt einen ebenso gefangen wie die feine, weitaus luftigere Zusammenarbeit mit Little Dragon für „Pressure“. So harsch ihre Lyrics um unsere Ohren fliegen, so wenig sie ein Geheimnis aus ihrem turmhohen Ego macht, so fassettenreich gelingt ihr also der Sound. Gegen Ende geht es sogar etwas milder zur Sache, kommt der Soul in Gestalt von Michael Kiwanuka dazu samt Kinderstimmen, Background-Chören und Saxophonparts, auch das gelingt ihr scheinbar ohne Mühen.



Willkürlich scheint sie mit ihren Punchlines gegen alles und jeden auszuteilen, dennoch finden sich bei ihr durchaus drängende Themen: Die Heroisierung von Gewalt und der leichtfertige Umgang mit Waffen beispielsweise benennt sie als drängendes Problem („Wounds“), die Wahl des Albumtitels wiederum zeigt sie durchaus reflektierten Menschen: Die Zeit zwischen zwanzig und dreißig nennt Ajikawo die „grey area“, nichts, so erzählt sie der Netzplattform The Line Of Best Fit, sei schwarz und weiß im Leben. Und je mehr sie darüber mit gleichaltrigen Freunden spreche, desto mehr merke sie, dass diese Erfahrung wohl jeder macht. Dazu paßt, dass sie an anderer Stelle ihre Träume preisgibt: „Buy some land, raise my kids, teach my daughter about the wonders of the world …“ – das klingt dann plötzlich gar nicht mehr so kämpferisch. Demnach ist dieses Album also auch ein vorsichtiger, erster Schritt zur Selbstfindung, weg vom gefütterten Ego. https://www.littlesimz.co/

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