Sonntag, 30. September 2018

John Paul: Klare Worte

John Paul
„No Filter“
(Harbinger Sound)

Klar kann das nur als Witz gemeint sein, wenn Steve Underwood, Manager des Labels Harbinger Sound, zum besseren Verständnis auf seiner Seite vermerkt „no relation to the former Pope“. Denn die Verwechslungsgefahr zwischen dem Musiker aus Nottingham und einem der Päpste, ob nun I, II oder XXIII, ist denkbar gering – obschon man den alten Kirchenmännern manchmal eine ähnlich klare und aufrüttelnde Sprache gewünscht hätte. Dieser Johannes jedenfalls ist weniger Schlichter und Seelsorger, er befasst sich eher mit dem Benennen von Missständen, dem Anprangern des erbarmungswürdigen Zustandes der britischen Gesellschaft und der Sozialsysteme nach acht Jahren Tory-Regentschaft, den Folgen des verdammten Brexits. Natürlich kommt man nicht umhin, hier auf die Sleaford Mods zu verweisen, die Paul sowohl in thematischer als auch musikalischer Hinsicht sehr nahe stehen und deren Frontmann Jason Williamson des Lobes dieser Platte nicht müde wird. Besagtem Steve Underwood gebührt das Verdienst, sie auch im Studio zusammengebracht zu haben, 2015 erschien die gemeinsame Single „I’m Shit At It“.



Der Unterschied heute? Nun, wo die Mods meistenteils auf repetitive LoFi-Beats und düstere Basslines setzen, arbeitet Paul gern im erweitertem Spektrum – Dubsound, Trip-Hop, Techno und Breakbeats sind ebenso erlaubt wie Bläsersätze (gleich ein paar bedrohliche Jericho-Fanfaren zu Beginn) und vorsichtige Andeutungen beschwingter Dance-Rhythmen. Textlich allerdings sind sich beide Parteien sehr ähnlich. „Another day, another disease“, Paul schimpft kräftig über die Versäumnisse und falschen Versprechungen der politisch Verantwortlichen und in „This Is England“ gibt er auch dem englischen Nationalstolz (unterstrichen von den schnell geschnittenen Videosequenzen der Regisseurin Katy Bauer) kräftig eine mit. Dem bildhaften Motto des Albumcovers – nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – setzt er seine giftigen Brandreden entgegen, einer mehr, der den Mund aufmacht, einer mehr, der nicht schweigen will, wenn andere sich ducken. Wie wichtig diese Platte gerade jetzt in Europa, in England ist, kann man täglich in den Nachrichten sehen.

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