Montag, 24. Mai 2021

Jan Delay: Wurzelbehandlung

Jan Delay
„Earth, Wind and Feiern“
(Vertigo Berlin)

Mit dem nötigen Abstand könnte man ja fast vermuten, Jan Delay hätte mit voller Absicht vor sieben Jahren sein einigermaßen umstrittenes Rockalbum „Hammer und Michel“ und die dazugehörige Trotzshow initiiert, um hier und heute um so glanzvoller die Huldigungen für die Rückkehr zum Kerngeschäft entgegenzunehmen. Was auf den ersten Blick recht clever und plausibel klingt, hat aber so einige Haken. Denn ein richtiger Rockfetzen ist es ja dann gar nicht geworden, schließlich gab es zu den ungewohnten Gitarrenriffs trotzdem reichlich Bläserfunk und Backgroundsoul, groovte es am Ende also doch recht ordentlich. Ganz so mutig war die Sache dann eben doch nicht (sieht man mal von dem rosa Outfit für Wacken ab), ein wirklicher Reinfall ließ sich nicht ausmachen und auch rein charttechnisch durfte der ewig freshe Hamburger Jung durchaus zufrieden sein. Aber weil sich Selbstironie und eine passende Geschichte immer ganz gut machen, wenn man nach langer Zeit wieder toppen möchte, ist der alte Janni wieder zurück bei den Seinen und weiß das auch ganz hübsch zu verkaufen.



So die große Revolution war ohnehin nicht zu erwarten – auch dem erfolgsverwöhnten Herrn Eißfeldt ist natürlich klar, dass die ganz neuen, krassen Sachen mittlerweile von denen gemacht werden, die locker als seine Kinder durchgehen könnten. Doch darum ging es wohl auch gar nicht. Wenn er, wie schon damals mit dem ausgesprochen gelungenen Comeback der Beginner „Advanced Chemistry“, an die Glanztaten der letzten Dekade anknüpfen könnte, wären alle dankbar und zufrieden. Und wenig überraschend – der Mann ist bekanntlich nicht nur clever, sondern auch verdammt gut – gelingt ihm genau das, und zwar ziemlich locker und fast ohne jede Peinlichkeit. Gut, über den Titel wollen wir besser nicht reden, da hat er schon genügend Prügel für einstecken müssen (und auch „Alexa“ lassen wir jetzt mal beiseite). Übertreiben müssen wir es in dieser Hinsicht nicht, schließlich hat der Kerl, der ein Copyright auf das lässigste „Oh ja!“ der deutschen Musikhistorie im Patentamt vermerkt hat, momentan am Abstieg seines geliebten Weserklubs schon genügend zu kauen.


   
Loben wir ihn also mal über den grün(weißen) Klee: Die zwölf Tracks des Albums haben allesamt den richtigen Vibe – die Bässe sind satt, die Beats sitzen auf den Punkt und die Klangpalette, die Jan Delay anbietet, kann durchaus begeistern – viel gut gelaunter Afrobeat, wieder deutlich mehr Dancehall, Reggae, Ska und dafür weniger Disko, er kennt eben seine Wurzeln und feiert sie entsprechend. Textlich bedient der Mann gediegen: Delay macht/e einen ja immer glauben, der ganze Ärger auf der Welt ließe sich einfach dadurch vertreiben, wenn man nur tight und funny genug wäre, wenn man genügend Style habe und die Reime den richtigen Punch. Und weil schon einige Kolleg*innen in seiner Gewichtsklasse von der Fahne gingen und offenkundig das Hirn unterm Aluhut nicht mehr einzuschalten vermochten, ist man dann doch ganz froh über ein paar korrekte Ansagen.


   
Und so gibt es neben ein paar Party- und Herzschmerzhits mit „Spass“ eine groovende Breitseite an die Ewiggestrigen und ihr ziemlich dumme Idee vom einzig richtigen, leider aber ziemlich traurigen völkischen Leben, an die Nostalgiker, Verklärer und Änderungsverweigerer geht mit „Gestern“ eine ebenso feine, humorige Replik raus. Das wohl beste Stück der Platte ist zugleich das persönlichste – in „Saxophon“ gibt Delay ein paar Einblicke in die eigene Kindheit und Jugend: Künstlerhaushalt im Hamburger Sozimillieu (was sonst?), nicht stinkreich, aber auch nicht derbe unterversorgt, sondern mit der für ihn wichtigsten Vorbildung, der Musik. Keine Effekthascherei oder bemühte Straßenattitüde hier, das kommt so simpel wie sympathisch rüber. Soll heißen: Herz am richtigen Fleck, wir müssen uns also keine Sorgen machen, der Junge bleibt stabil. Oh ja!



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