Montag, 20. Januar 2020

Mura Masa: Der ehrliche Weg

Mura Masa
„R.Y.C.“

(Polydor)

Manchmal ist man schon erstaunt, wie abgeklärt junge Menschen sein können. Zum Beispiel dieser dreiundzwanzigjährige Junge, aufgewachsen auf Guernsey, der Insel vor der Insel. Vor drei Jahren ist Alex Crossan aka. Mura Masa mit seinem selbstbetitelten Studioalbum durch die Decke gegangen, eine kluge, lockere Tanzplatte, auf der sich Stars wie A$AP Rocky, Charli XCX, Nile Rodgers und Damon Albarn tummelten. Es wäre ihm wohl ein Leichtes gewesen, das Namedropping in gleichem Stil fortzusetzen und den Erfolg zu wiederholen, doch gerade das, so sagte er dem FADER, wollte er nicht sein – der „EDM dude who makes dance records“. Dann schon lieber auf die Musik besinnen, die er in seiner frühen Jugend gehört hat, New Order, Joy Division, Talking Heads, also etwas mit Gitarren. Nun ist es aber so, dass gerade die Älteren nicht müde werden zu betonen, dass Rockmusik so gar keine Zukunft hat und das Heil ausschließlich in der Elektronik liege. Darauf seine forsche Entgegnung: „It’s only dead if you’re making dead music.”



Sagte er und nahm mit “R.Y.C.” ein Album auf, das von einem reinen Gitarrenalbum zwar meilenweit entfernt ist, aber dennoch beide Stilmittel zueinanderbringt und auch bei der Zusammenstellung der Gästeliste gekonnt in beiden Lagern wildert. Auf der einen Seite sind mit Clairo und vor allem Ellie Rowsell von Wolf Alice klassische Songwriterinnen dabei, die roughen, wuchtigen Stücke wie „I Don’t Think I Can Do This Again“ und „Teenage Headache Dreams“ zusätzlichen Grip geben. Aus der anderen, der elektronischen Ecke wiederum kommen Georgia („Live Like We We’re Dancing“) und die heißeste britische Hoffnung Slowthai. Letzterem hatte Crossan ja schon ein Feature auf dessen Debüt „Nothing Great About Britain“ beigesteuert, der „Doorman“ geht derart ab, dass selbst Sleaford-Mods-Frontmann Jason Williamson mit einer Mischung aus Erstaunen und Anerkennung bei Veröffentlichung twitterte: „Who's this on the radio who sounds like us?!“



Wirklich erstaunlich aber an dieser Platte ist, dass auch die Songs ohne jede fremde Hilfe das Niveau mühelos halten können. Bei „Raw Youth Collage“ repetiert Crossan unablässig ein und denselben Akkord und begleitet so wehmütige Kindheitserinnerungen, „No Hope Generation“ hüpft und hämmert angepunkt durch die Gegend – ein Song, der so gut wie kein zweiter hier das Dilemma seiner Generation zwischen Frust und Hoffnung, zwischen Rückschau und Zuversicht auszudrücken versteht. Und dann das großartige „In My Mind“, wo satte Beats auf taumelnde Synthloops treffen, jugendlicher Überschwang auf Selbstzweifel und Unentschiedenheit. Er ist also nicht nur bemerkenswert abgeklärt, sondern auch ziemlich ehrlich und kann damit auch ein Stück weit seinen Weg erklären: „We need to learn to use the good things and abandon the useless elements. This music is an exploration of that“, so sagt er in erwähntem Gespräch, und weiter: „There’s a need for music that has urgency and emotional honesty. That’s why people are reintroducing themselves to guitar music - that instrument has an ability to emote.” Wirklich ein kluger Bursche.

03.03.  Zürich, X-tra
05.03.  München, Tonhalle
07.03.  Berlin, Columbiahalle
14.03.  Hamburg, Inselparkhalle

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