Moor Mother
"Black Encyclopedia Of The Air"
(Anti- Records)
Aus künstlerischer Sicht ist diese Frage natürlich völlig nebensächlich, aber beschäftigt man sich näher/länger mit dem Werk von Camae Ayewa alias Moor Mother, dann taucht sie unweigerlich auf: Tut sich nun leichter mit der Aneignung, wer nur diese neue Platte kennt oder doch diejenigen, denen auch die ersten Veröffentlichungen geläufig sind? Denn unterschiedlich sind sie allemal. Zunächst die elektronischen, experimentellen Skizzen noch auf Tape als Moor Mother Goddess 2015, danach die allmähliche Hinwendung zu düsterem Noise und Hip Hop auf "Fetish Bones" und "Analog Fluids Of Sonic Black Holes" (mit dem tollen "Black Flight" und Saul Williams) – Stimme und Sound fast immer am Anschlag. Mehr Jazz später, weniger harsch, Freiräume, Schwingungen, das wunderbar vielschichtige „Brass“ zusammen mit Billy Woods aus dem vergangenen Jahr. Und nun also dieses Album mit seiner riesigen Gästeliste aus einer so spannenden wie relativ unbekannten Underground-Szene, geschuldet der Pandemie und der Quarantäne. Loops, Samples, Zitate, Geräusche wechselten die Seiten, entwickelten und verdichteten sich zu dem flirrenden, raschelnden, wispernden Klangkosmos, unglaublich beweglich, flüchtig fast.
Die Poesie tritt, so Ayewa, wieder deutlich mehr in den Vordergrund, Worte, die nicht immer drastisch, aber wohl überlegt und kraftvoll sind. „I like to punch people in the heart and then kiss the heart“ hat sie dem Online-Magazin Pitchfork erzählt, das schon. Aber eben auch, dass Härte nicht alles ist und sich rude speech ziemlich schnell verbraucht oder hohl bleibt, wenn nichts folgt. In ihren Worten: "People are making good music, but it’s political? No. Not that I’ve seen. It’s pretty safe. What are they saying beyond 'fuck you' or 'I’ll kill this guy' or 'fuck Donald Trump'? What does that really mean? What does that do? Maybe 'fuck' is not radical enough. It’s too common. Little kids say 'fuck.'" Hier also die dringlichen Themen wie weibliches Empowerment, Umweltzerstörung, systemischer Rassismus, aber eben mit anderem textlichen Schwerpunkt. Und musikalisch ist Moor Mother ohnehin meilenweit entfernt von jeglicher Berechenbarkeit und Langeweile, Free Jazz, Gospel, Rap, "Tarot" klingt wie eine kultische Beschwörung, "Zami" wütet, "Clock Fight" klappert und rasselt, ein wunderbares Spektakel das alles. Es ist am Ende wie immer: Wer sich darauf einlässt, wird gut unterhalten – ohne den Ernst der Sache zu vergessen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen