The Streets
„None Of Us Are Getting Out Of This Life Alive“
(Island Records)
Mit Verlaub, Mr. Skinner, das war ja auch nicht die Frage. Dass jeder irgendwann mal in die Kiste und six feet under muss, ob nun dumm wie Roggenbrot oder Wiedergeburt von Leonardo da Vinci, ob mit echter Rolex oder der aus Plastik, ob Remainer oder Brexiteer, hübsch oder eher weniger, Teen oder Boomer, war doch irgendwie klar. Viel interessanter wäre doch, gerade auch in Ihrem Falle, die Frage, ob man sich als Künstler Würde und Relevanz bewahren kann, wenn das Life schon eine Weile läuft und man, wie Sie, die vierzig überschritten hat. Und sein Brot in einem Business verdient, das boomt und rennt wie kein zweites – dem Hip-Hop. Nun mögen Sie einwenden, dass man mit knapp zwanzig Jahren Berufserfahrung, fünf Studioalben und einer erklecklichen Menge sog. Smash-Hits auf dem Buckel niemandem mehr Rechenschaft ablegen muss und tatsächlich werden Sie ja gerade jetzt, wo diese neue Platte erschienen ist, landauf landab von unzähligen Kolleginnen und Kollegen auf’s Höchste gelobt.
Als Sie erstmals mit ihrem lässig hingenuschelten Cockney im Radio auftauchten („Has It Come To This?“ hieß passenderweise damals die Frage) konnte ja keiner ahnen, dass das eine neue Welle des britischen Hi-Hop lostreten und überhaupt die neue Blaupause für weißen Rap von der Insel nach der Jahrtausendwende werden würde. Warum das so gut geklappt hat und – siehe oben als Antwort auf die eingangs gestellte Frage – immer noch tut, kann man auf Ihrer neuen Platte natürlich sehr gut hören. Als ausgewiesener Nonkonformist haben Sie sich stets wenig um die strikte Abgrenzung verschiedener Genres geschert, da gab und gibt es es harte Reime, schmachtende Liebesballaden, lustig wippende Pop- und bullig pumpende Dancenummern. Für letzteres stehen jetzt die Tracks „I Wish You Loved You…“ und das durchaus programmatisch zu verstehende „Take Me As I Am“, wir hören viel Soul, R’n’B, Break- und Afrobeats, maximal entspannten Reggaeton, Dancehall, und und und.
Bezeichnend und durchaus typisch (wie wir finden): Die Gästeliste ist zwar riesig, aber die Namen auf der Payroll sind, zumindest hierzulande, eher weniger geläufig. Nicht die Grime-Stars der Stunde wie Octavian, Dave, Skepta, Stormzy oder Wiley teilen mit Ihnen das Mikro und auch nach Szenegrößen der Nullerjahre, sieht man mal von Rob Harvey und Tame Impala ab, sucht man vergeblich. Dann schon lieber die next generation mit Ms Banks, Hak Baker, Jimothy Lacoste, Chris Lorenzo und Kasien. Oder sie bringen, gänzlich überraschend und dennoch bestens gelungen, dem Frontmann der Idles, Joe Talbot, für den Titelsong einfach mal das Rappen bei. Durch das ganze Mixtape blitzt, und damit wären wir letztlich beim nächsten und vielleicht wichtigsten Stilmittel und Erfolgsgaranten, Ihr charmanter Spott durch, ein Humor, der nie zynisch, aber durchaus böse sein darf. Britisch eben, alte Schule, zumindest nach unserem deutschen Verständnis. Und weil man davon nicht genug bekommen kann, wäre es uns sehr recht, wenn Sie dem Leben noch eine recht lange Zeit erhalten blieben und weiterhin solch eine feine Platten zustande brächten. Besten Dank schon mal vorab!
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