Run The Jewels
„RTJ4“
(BMG)
Gedacht war der Ablauf so wohl nicht. Doch Drehbuch und Dramaturgie schreiben in diesen Tagen leider andere. Und plötzlich spielen dann Dinge wie Style oder die geplante PR-Strategie nur noch eine untergeordnete Rolle, denn in den USA steht Grundsätzliches in Frage und ein Land am Abgrund. Das Statement des Duos dazu, geteilt über soziale Netzwerke, ist zweifellos ein klares: “Fuck it, why wait. The world is infested with bullshit so here’s something raw to listen to while you deal with it all. We hope it brings you some joy. Stay safe and hopeful out there.” Und während die Beats wie Maschinengewehrsalven im ersten Track „Yankee And The Brave“ das Hirn noch ordentlich durchschütteln, ergänzt dieses den Soundtrack zu den Ereignissen noch um frühere Alben wie “It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back” und „Fear Of A Black Planet“, mischt die Jukebox aus der Erinnerung die Singles „Fight The Power“, „Fuck The Police“ und den unvermeidlichen „Cop Killer“ hinzu. Der Spaß ist vorbei, es ist ernst und es war wohl lange nicht mehr so dringend.
Da gehen einem die acht emotionalen Minuten der Rede von Michael Render aka. Killer Mike nicht aus dem Kopf, wie er mit stockender Stimme im CNN-Gebäude von Atlanta steht und als Sohn eines Police Officers den Spagat zwischen allzu verständlicher Wut, Frustration und gebotener Besonnenheit wagt: “I am duty-bound to be here to simply say: That it is your duty not to burn your own house down for anger with an enemy. It is your duty to fortify your own house, so that you may be a house of refuge in times of organization. And now is the time to plot, plan, strategize, organize, and mobilize.” Acht Minuten, die mehr Klugheit, Verstand und Gefühl enthalten als alle Reden Donald Trumps der vergangenen dreieinhalb Jahre Amtszeit in Summe. Acht Minuten, die zeigen, dass der Konflikt zwischen kühlem Kopf und heißem Herzen einen Mann wie ihn, einen schwarzen Musiker und Familienvater mit jeder Menge Verantwortung, schier zu zerreißen droht.
Vor solch chaotischer Kulisse gerät der Inhalt des vierten Albums seit Gründung anno 2013 fast in den Hintergrund. Dabei ist es, man hatte es irgendwie erwartet, nicht nur ein, wenn nicht sogar das politische Statement zur Zeit geworden, sondern auch eine Manifestation ihrer Vormachtstellung im aktuellen Hip-Hop-Kosmos. Zumindest an der Ostküste. Die Liste der Kollaborateure ist lang, neben Zack De La Rocha, Greg Nice, DJ Premier, 2 Chainz, A$AP Ferg und Pharrell Williams finden sich auf Nummer vier auch Features von Josh Homme und Mavis Staples, produziert hat nicht nur El-P selbst, Matt Sweeney und David Sitek haben ebenfalls Hand an einzelne Tracks gelegt. Den Punch der zwölf Stücke darf man durchaus als knackig bezeichnen, sehr gelungen (und im Sinne des Wu-Tang durchaus traditionell) die Ausflüge in Richtung Jazz, Funk, Techno, Reggaeton und Soul. Knappe vierzig Minuten maximal aufgerüstete, hochgepitchte Bassmucke, wollte man etwas hervorheben, dann vielleicht das sphärisch pumpende, hochdramatische Abschlußdoppel „Pulling The Pin/A Few Words For The Firing Squad“ als Mischung aus Bondsong und stolzer Proklamation vor dem finalen Sturm, Ende ungewiß.
Update: "Look at all those slave masters posin' on yo' dollar" - any questions? Das neue Video (s.o.) zur aktuellen Single "JU$T" featuring Pharrell Williams und Zack De La Rocha.
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