Montag, 30. November 2015

Jochen Distelmeyer: Im Grunde genommen [Update]

Dass der Mann selber machen kann, hat er oft genug unter Beweis gestellt: Jochen Distelmeyer, Solist und Ex-Bandleader der hymnisch verehrten Hamburger Band Blumfeld (und seit einiger Zeit auch Autor des Romans "Otis") hat sich wohl entschlossen, nicht nur die eigenen Werke zum Klingen zu bringen, sondern auch geborgte Noten zu singen. "Songs From The Bottom No.1" nämlich nennt sich sein erstes akustisches Coveralbum, das im Februar 2016 bei Four Music veröffentlicht wird und somit der letzten Eigenarbeit "Heavy" folgt. Die Liste der Neubearbeitungen läßt schon mal aufhorchen: Neben Joni Mitchell, Radiohead und Kris Kristofferson werden wir auf der Platte auch Songs von Avicii, The Verve ("Bittersweet Symphony"), Lana Del Rey und Britney Spears ("Toxic") finden - belastbares Beweismaterial hoffentlich bald.

Update: Und da ist sie endlich, die erste Hörprobe vom neuen Album, passenderweise gleich auch als Sehprobe präsentiert - "Toxic"!



Freitag, 27. November 2015

Tame Impala: Aufgeladen

Okay, da die Überleitung zu finden wird nicht ganz so einfach, aber wenn der Tag nun mal zwei richtig gute Videoclips bereithält, seien sie auch noch so verschieden, dann müssen sie einfach auch raus. Tame Impala haben aus ihrem Album "Currents" mit "The Less I Know The Better" ausgekoppelt und dazu mit Hilfe von CANADA (Scissor Sisters, Vaccines, White Lies, Dum Dum Girls) einen Film präsentiert, der, sagen wir es diplomatisch, sexuell ein wenig aufgeladen daherkommt. Ob das nun gleich, wie der NME jubiliert, "GOAT, the Greatest Of All Time" ist, wollen wir jetzt mal so stehen lassen - Spaß macht's in jedem Falle.

M.I.A.: What's up with that?

Zum Thema, zur Künstlerin ist eigentlich schon alles gesagt (stimmt natürlich, sagt man wiederum nur so), das Video von Mathangi „Maya“ Arulpragasam aka. M.I.A. zu ihrem Song "Borders" dreht jedenfalls gerade im Netz die große Runde. Und das ist gut so. Denn hier werden Anspielungen durch Ansagen ersetzt, heraus kommen Bilder und Worte, die an Deutlichkeit kaum etwas zu wünschen übrig lassen. Den Clip hat M.I.A. im Übrigen selbst gedreht - das dazugehörige Album "Matahdatah", so hört man, ist Anfang kommenden Jahres zu erwarten.


Freedom
I don't need ‘em
Where's your rhythm?
This world needs a brand new rhythm
We done the key
We done them key them to lie
Let’s beat ‘em
We them smartphones done beat ‘em

Borders
What's up with that?
Politics
What's up with that?
Police shots
What's up with that?
Identities
What's up with that?
Your privilege
What's up with that?
Broke people
What's up with that?
Boat people
What's up with that?
The realness
What's up with that?
The new world
What's up with that?
I'm gonna keep up on all that

Guns blow doors to the system
Yeah f*ck 'em when we say we're not with them
We're solid and we don't need to kick them
This is North, South, East and Western

City Calm Down: Ehrliche Sache

City Calm Down
„In A Restless House“

(I Oh You)

Es ist ja eher ein unangenehmes und zugleich bekanntes Phänomen, dass so viele Bands, die als Raubkatze gestartet sind, ihre Karriere heimlich, still und leise als Bettvorleger beenden – wer sich die Editors, The Boxer Rebellion oder die White Lies anhört, weiß, was hier gemeint ist. Es könnte also auch eine recht clevere Idee sein, gleich als Bettvorleger zu beginnen. Stimmt natürlich so nicht und ist sogar ehrabschneidend, aber Jack Bourke, Sam Mullaly, Jeremy Sonnenberg und Lee Armstrong aus Melbourne machen schon auf dem Debüt ihrer Band City Calm Down (möglicherweise benannt nach einem Song der ebenfalls australischen Indierock-Truppe Architectures in Helsinki) kein Hehl aus ihrer vornehmlich weichen Seite. Und dafür gibt es auch gute Gründe: Angefangen bei des Sängers wohlig warmem Timbre über die sehr anschmiegsamen, bittersüßen Melodien bis hin zu den tausendunseins Querverweisen, die sich in ihren Songs als Zitate wiederfinden. Zuforderst erkennt man natürlich The National und New Order, aber auch Tears For Fears, die Killers, und Ultravox sind mit von der Partie – allesamt blasse, weiße Männer also, die die dunklen Seiten des Lebens lieben. “Wandering”, “Your Fix” und “Until I Get By” sind durch die Bank wunderbar eingängige, teilweise recht epische Retrowave-Nummern, so richtig harsch wie bei “Falling” wird es selten, allerdings sind auch Überraschungen spärlich gesäht. Mit dem schönen Duett “Nowhere To Start” gelingt ihnen so eine – Bourke singt hier (wie auch beim Heuler “Son”) zusammen mit der bislang recht unbekannten Kerri Harvey, dieses Stück entwickelt eine Lässigkeit, die den anderen manchmal fehlt. Trotzdem: Feierliche Bläsersätze, eingängige Synthpassagen, Songs, zu denen es sich trefflich träumen und sinnieren läßt – man wird sie brauchen können in den nächsten Wochen. http://www.citycalmdown.com/

Palace Winter: Abschließende Ergänzung [Update]

Kurz nachgeschaut - genau, das waren die beiden jungen Herren, die sich ein Vergnügen damit machten, alte Herren auf's Cover zu heben. Palace Winter, das australisch-dänische Duo, hat hiermit einen weiteren Track ihrer EP "Medication" zur Vorlage gebbracht, "New Ghost" ist schwelgerischer Countrypop der guten Sorte, den alten Mann ersetzt diesmal ein altes Auto, auch okay.

Update:
Ergänze Ton mit Bild - zum Song gibt es nun also auch einen Clip, gedreht von Cecilie McNair.



Chvrches: Doch noch

Wer befürchtet hatte, er müsse (wenn er/sie nicht in Hamburg wohne), gänzlich ohne die Tour zur Platte auskommen, der kann sich nun ganz entspannt zum nächsten Kartenschalter aufmachen: Die Chvrches lassen sich nicht lumpen und geben sich im nächsten Frühjahr die Ehre - dann nämlich kommen die Schotten für drei Termine nach Deutschland, um ihr kürzlich erschienenes Album "Every Eye Open" zu promoten.

04.04.  Köln, E-Werk
05.04.  München, Tonhalle
06.04.  Berlin, Columbiahalle

Fifi Rong: Gewaltig [Update]

Die Tricky-Muse Fifi Rong durfte man hier ja schon für den Titelsong ihrer letzten EP "Next Pursuit" bewundern - nun hat die in London beheimatete Chinesin ein weiteres Kurzformat angekündigt. "Violently Silently" soll es heißen und von diesem können wir vor Ort dem Track "Since When" lauschen, wer mag, gönnt sich darüberhinaus auch ihre reizvolle Kollaboration "So Real" mit dem britischen DJ Phaeleh.

Update: Mit "Once" gibt es nun den nächsten Cut von der neuen EP.

AnnenMayKantereit: Doch konkreter

Man kann ihnen ja kaum entrinnen, den Herren Henning May, Christopher Annen und Severin Kantereit - je kälter es draußen wird, desto hartnäckiger werden sie im Radio platziert. Nun, es gibt weitaus schlimmeres als den gefühligen, deutschsprachigen Pop von AnnenMayKantereit, das aktuelle Video zu "Oft gefragt" ist sogar richtig hübsch anzuschauen. Jetzt hat das Quartett (denn Malte Huck gehört ja auch noch mit zum Ensemble) den Veröffentlichungstermin für sein lang erwartetes Album bekanntgegeben, am 18. März soll "Alles Nix Konkretes" via Vertigo erscheinen und wer schnell ist und noch dazu Glück hat, ergattert vielleicht bis dahin noch einen Platz auf einem ihrer Frühjahrskonzerte, um die Wartezeit zu verkürzen.

Tourtermine 2016 hier.

Donnerstag, 26. November 2015

Matthäus Bär: Entscheidung vertagt

Wer sich also ernsthafte Gedanken um die musikalische Früherziehung seiner Kinder macht (jawohl, darum geht es schon wieder), hat aus heutiger Sicht zwei Möglichkeiten: Rapper oder Rocker - was soll es werden? Rapper hatten wir schon, siehe unten. Rocker? Wie wäre es mit Matthäus Bär? Der war hier schon mit seinem feinen Debütalbum "Matthäus Bär singt seine Kinderlieder" zu Gast, auf dem es vornehmlich um - ja, Tiere ging. Nun also kommt "Stromgitarre, Schlagzeug, Bass" - nicht schwer zu erraten, dass es sich hierbei um ein Rockalbum handelt. Schräge, spinnerte, liebenswerte Texte, vorzugsweise in den Klangfarben des österreichischen Idioms, gehören natürlich und glücklicherweise weiterhin zum Repertoire, ebenso selbstverständlich wird hier nicht nur für, sondern auch von Kindern musiziert - Bär hat nichts von seinem Charme verloren. Vielleicht können wir ja die Entscheidung zwischen Rap oder Rock noch eine Weile aufschieben, wäre doch schade um die jeweils andere Partei ... Das Album steht als Stream und zum Download bei Bandcamp bereit.

Deine Freunde: Solange es noch geht [Update]

Deine Freunde
„Kindsköpfe“

(Noch Mal!!!/Universal)

Ganz so lange haben Die Ärzte nicht gebraucht, bevor sie ihren Status als ‚Die Beste Band der Welt‘ felsenfest einzementiert und einem jeden um die Ohren gehauen haben, ganz gleich, ob er oder sie das nun hören wollte oder nicht. Auch Deine Freunde aus Hamburg haben sich einen satten Schluck aus der Egopulle verdient und dürfen somit als die coolste Kinderband dieses Planeten auf die Herausgabe unserer Kinder pochen. Und was machen wir? Wir geben sie ihnen breitwillig und mit allergrößtem Vergnügen, weil wir doch langsam aber sicher kapieren, dass niemand unseren liebreizenden und manchmal recht nervtötenden Nachwuchs so gut verstanden hat wie Florian Sump, Markus Pauli und Lukas Nimschek. Und weil wiederum keiner den „Kleinen“ so unterhaltsam vermitteln kann, dass auch wir Eltern nur Menschen und als solche ziemlich leicht zu durchschauen sind. Insofern haben sich Deine Freunde, diese Einsicht setzt sich mit Zeit durch, nicht nur mit unseren Kindern verschworen, auch wir Erwachsenen haben in ihnen getreue Verbündete gefunden, die sie an die Hand nehmen, die Trost spenden und ohne größeren Schaden durch das Minenfeld des Elternalltags führen können. Zu laut sollte man das allerdings nicht sagen, damit die Jungs nicht die ‚Kinderzimmer-Credibility‘ verlieren, die sie sich mit nunmehr drei Alben hart erarbeitet haben.

Was wir auch gelernt haben: Die Qualität einer Freunde-CD bemisst sich nicht nach den Kriterien und Maßstäben von uns Neunmalklugen, Musikcheckern und Auskennern – so eine Platte braucht für ein belastbares Urteil der halbwüchsigen Jury wenigstens einige Umdrehungen im Auto, zwei, drei Kindergeburtstage resp. Pyjama-Parties und als Härtetest eventuell noch ein paar dieser quälenden „Mir ist soooo laaangweilig … !“-Phasen, erst dann weiß der Nachwuchs, ob das Ding kickt. Im Folgenden also ein paar völlig haltlose Vermutungen: Deine Freunde 3.0 werden auch mit diesem Album nicht an Popularität einbüßen, die Annahme, mit „Kindsköpfe“ sei ein weiterer Karriereschub zu erwarten, braucht so wenig Mut wie Fachkenntnis. Schon der Vorabtrack „Hausaufgaben“ mit seinen drolligen MC-Hammer-Hearalikes ist (wenn man das vor Kindern überhaupt sagen darf) ein totaler Killer, „Schlagzeuglied“ und „Schweinehund“ sind so herrlich frech, dass sie jetzt schon ganz oben auf der „Mach mal lauter!“-Liste rangieren.

Herzlichst lachen darf der aufgeschlossene Erziehungsberechtigte natürlich auch bei „180“, erst recht, wenn zur Familie ein ähnlich liebenswertes „Wutmonster“ gehört, gleiches gilt für Tagträumer, Unschuldslämmer, Zwischendreinreder, Sturschädel, Naseweise und Schlafverweigerer. Der Stoff scheint den drei Freunden nicht auszugehen und gleichzeitig ertappen wir als Langzeitkonditionierte uns ständig beim zustimmenden Nicken und andauernden Gekicher, weil das oftmals so mühsam Alltägliche einfach besser zu meistern ist, wenn man darüber auch lachen kann. Der Funk, der Rap, der Techno obendrauf machen das Ganze dann zum ausgelassenen Familienfest. Besonders hervorzuheben ist unbedingt noch das Double „Lange Ferien“ und „Heimweh“, nicht nur wegen der klugen Texte und dem feinen Beat, sondern auch weil Lukas Nimschek einfach eine wunderbare Stimme hat. Und zum Schluss noch eine Warnung: An dem Umstand, dass Eltern und ihre Kinder die gleiche Musik mögen und hören, haben die Hamburger Jungs einen großen Anteil – dennoch: Er wird nicht ewig halten (können). Genießen wir ihn also, solange es geht! www.deinefreunde.info/

Tourdaten für Deine Freunde hier.

Update: Hier noch mal mit neuem Video zu "Schatz" - eine Freude für jede Theater-AG.

Adele: Hello, I'm coming around

Schon klar, in dieser wirklich sehr reizvollen Konstellation (zusammen mit The Roots) werden wir Adele wohl nicht auf ihrer Tour zur neuen Platte "25" bewundern dürfen - die ist, siehe unten, nur der Tonight Show von Jimmy Fallon vorbehalten und macht genau deshalb ganz großen Spaß. Trotzdem kommt die Lady mit dem omnipräsenten Song und dem Klapptelefon bald auf große Hallentour und das sind die Termine - VVK startet am 4. Dezember.

07.05.  Berlin, Mercedes-Benz-Arena
08.05.  Berlin, Mercedes-Benz-Arena
10.05.  Hamburg, Barclaycard-Arena
11.05.  Hamburg, Barclaycard-Arena
14.05.  Köln, Lanxess-Arena
14.05.  Köln, Lanxess-Arena
17.05.  Zürich, Hallenstadion

HONNE: Verbindlichkeiten

Dass der Electro-Soul des Londoner Duos HONNE hier noch einmal auftauchen würde, war nur eine Frage der Zeit. Nach ihrer EP "Coastal Love" gab es vor einigen Monaten mit "Over Lover" das nächste Kurzformatmit vier Tracks. Und nun kommt diese neue Single "Gone Are The Days" daher, flankiert von einigen Liveterminen, die sogar noch in diesem Jahr stattfinden sollen. Gemacht sind der Song und die dazugehörige 12" für den japanischen Markt, dem sich Andy Clutterbuck und James Hatcheaus mehrerlei Gründen sehr verbunden fühlen, selbst der Name des Projektes läßt sich im Übrigen sprachlich ableiten, ist doch 'Honne' die japanische Entsprechung von 'wahrem Gefühl'.

02.12.  Köln, Gebäude 9
03.12.  Berlin, Gretchen
05.12.  Offenbach, Hafen 2
07.12.  München, Strom

Mittwoch, 25. November 2015

Pelzig: Die wohltuende Macht des Bass

An diesem Freitag erscheint es nun endlich, das neue Album von Pelzig und wer hier häufiger unterwegs ist, der wird bereits wissen, dass Gutes, vielleicht sogar Großes zu erwarten ist. Über zehn Jahre hat es gedauert bis zu dieser Platte – Grund genug, sich mit Rainer Schaller, dem Gitarristen der Band, der zeitgleich auch noch bei Slut spielt, auf ein Feierabendbier zu treffen und ihn mit einigen Fragen zu löchern. Schaller, u.a. als freier Mitarbeiter beim BR Zündfunk beschäftigt, ist ein denkbar angenehmer Gesprächspartner, bereitwillig gibt er Auskunft über die Arbeitsweise des Quartetts, die Entstehungsgeschichte des aktuellen Albums, etwaige Vorbilder, die Rolle des eigenen Bruders im Bandgefüge und Wohl und Wehe des richtigen Namens.

Die plumpste Frage gleich zu Beginn: Seid ihr immer noch dabei, den Indierock zu retten?
Nein, nein (lacht). In gewisser Weise sind wir zwar wirklich oldschool, aber das hat nichts mit Rettung oder irgendeiner Intention nicht zu tun. Wir haben einfach nie einen großen Ansatz darin gesehen, uns ändern zu wollen. Ein Indiz dafür ist eigentlich, dass wir immer schon versucht haben, weitgehend unabhängig zu bleiben. Das betrifft eigentlich alle Menschen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, das waren immer Idealisten, Leute aus dem Freundeskreis.

Also Indie mehr in des Wortes ursprünglicher Bedeutung und losgelöst vom Musikstil?
Genau, das Ganze ist eher eine Art Lebenseinstellung. Und es ist auch so etwas wie das große Dogma von Pelzig, dass man nicht auf ein vermeintliches Ziel, auf den Erfolg schielt, sondern lieber mit Leuten zu tun hat, die einem nahestehen oder dieselbe Denke haben wie wir. Auch heute ist das noch so – es passiert einfach. Wir wissen, dass ein Masterplan, ein Zeitfenster bei uns nicht funktioniert aufgrund diverser Verquickungen und so sucht man sich halt diejenigen aus, die ähnlich ticken wie man selbst. Das fängt mit Oliver Zülch an, der die Platte gemischt hat und den wir schon von Slut gut kennen, der ja auch „Alientransistor“ von The Notwist oder auch „Zaun“ von Kofelgschroa gemischt hat, auch wenn er wahrscheinlich kein Wort von denen verstanden hat. Dann natürlich die Leute von Cargo Records, die in Wuppertal einfach in aller Ruhe arbeiten und total liebevoll mit unseren Sachen umgehen. Und am Ende natürlich auch Kai Blankenberg aus Düsseldorf, der die Platte gemastert hat, mit dem wir nun schon seit über zwanzig Jahren zusammenarbeiten und der ja mittlerweile die richtig großen Acts produziert. Der Unterschied zu uns ist wohl, dass wir ihm genügend Zeit geben, weil wir selbst auch keinerlei Druck mehr haben wollen.

Dazu passt natürlich die Anschlußfrage: Weshalb hat es denn ganze elf Jahre bis zu diesem neuen Album gedauert, wo doch die ersten relativ kurz hintereinander erschienen sind?
Das hängt schon auch mit der räumlichen Trennung zusammen, dass also René (Arbeithuber, d.Red.) und ich vor einigen Jahren von Ingolstadt nach München gezogen sind und wir dort über lange Zeit keinen passenden Proberaum gefunden haben. Dann kam noch die doch relativ lange Produktionszeit mit Slut dazwischen, und schon war die Zeit rum.



Man hört der Platte die lange Pause auch an – nachdem die ersten drei Alben doch recht homogen klingen, fällt diese vierte jetzt angenehm aus dem Rahmen?
Für „Medium Cool World“ gab es eigentlich drei Stationen, die quasi sinnbildlich für unsere bisherige Geschichte stehen. Zwei oder drei Songs stammen tatsächlich noch aus unserer „Hippie-Schloß-Zeit“ (Wohngemeinschaft in Schloß Westerhofen, d.Red.), die haben wir auch so roh und unbearbeitet für das Album belassen. Wir hätten da schon noch mal drübergehen, also neuen Farben auf die längst ausgetrockneten malen können, das wäre durchaus legitim gewesen, am Ende wollten wir das aber nicht. Der Rest stammt dann aus der Ingolstädter und der Münchner Zeit. Genau das macht dann den besonderen Status der Platte aus.

Diese unterschiedlichen Phasen hört man der Platte so aber kaum an.
Das liegt dann wahrscheinlich doch an der Abmischung, die ja komplett in der Jetztzeit stattgefunden hat und es freut mich eher, dass Außenstehende die Unterschiede nicht wahrnehmen.  Bei einem dieser frühen Stücke, dem Titelsong „My Medium Cool World“, kann ich mich noch gut erinnern, wie es tagelang aus dem Studio unseres Mischers und WG-Kollegen schepperte und ich dachte: „Um Gottes Willen, wann hört das endlich auf?!“

Okay, der ist dann doch etwas spezieller mit diesem grummelnden Rezitativ und so ganz ohne die üblichen, liedhaften Strukturen.
Genau, der Song drückt eigentlich am besten aus, wieviel Zeit wir in unsrer Anfangszeit doch hatten – der Track dauert über fünf Minuten und es passiert eigentlich nichts, wirklich gar nichts. Christian (Schulmeyr, d.Red.), unser Sänger, war damals der Einzige, der in der WG einen 9to5-Job hatte, und der kam dann, nachdem die anderen tagelang an dem Beat herumgeschraubt hatten, eines Abends von der Arbeit und sollte auf die Spuren draufsingen. Er hat dann ganz spontan Satzfetzen wie „I’m on the top, ‘cause it’s my job“, natürlich eher zynisch gemeint, dazugesprochen – das haben wir wirklich unbearbeitet bei diesem ersten Take belassen.

Du bist wie René auch Mitglied bei Slut – sind die ständigen Vergleiche und das Nebeneinander, also hier die doch sehr bekannte Band und dann Pelzig als das unscheinbare Nebenprojekt, eigentlich störend?
Also für mich und René gar nicht, für die anderen stellt es sich nur in Situationen so dar, wenn gerade mit Pelzig mal nichts passiert. Das ist auch schon immer so ein Grundrhythmus gewesen, dass Pelzig immer dann zurücktreten mussten, wenn das ‚Projekt‘ Slut wieder aktuell wird. Wir haben das auch nie parallel betrieben, sondern immer nacheinander für die eine oder andere Band gearbeitet.



Und für die beiden (Christian Schulmeyr, Christian Schaller) war das kein Problem?
Problem nicht, aber ich glaube, dass es in ihnen schon insgeheim gearbeitet hat – das ist so, als wenn deine Frau ausgeht und danach erzählt, sie habe sich mit einem total interessanten Typen unterhalten und natürlich hast du Vertrauen in deine Frau, aber ein Restzweifel bleibt trotzdem.

Das neue Album selbst ist, wie ich finde, doch ein besonderes, nicht nur wegen der langen Wartezeit, sondern weil es nicht von Anfang bis Ende durchgerockt wird und jetzt deutlich elektronischer daherkommt. Da natürlich die Frage: Was sagt der Gitarrist dazu?
Da ich, wie der Rest der Band auch, die Elektronik selbst mache, ist das für mich eher keine große Sache. Im Gegenteil – und das ist vielleicht auch ein Vorgriff auf die Live-Auftritte: Ich empfinde es auch als Konzertbesucher eher als störend, wenn man von Anfang bis Ende nur zugeböllert wird. Ich halte straighten Rock oder Punk über eine halbe Stunde ganz gut aus, aber dann muss sich auch mal eine andere Tür auftun, muss man auch mal durchatmen können. Und genauso geht es mir auf der Bühne, da möchte ich ungern die ganze Zeit an einem Instrument verbringen, deshalb verstecke mich zuweilen gern hinterm Keyboard oder spiele, wie bei anderen Projekten, auch mal Bass oder Schlagzeug. Man ist dann eher eine Art funktionales Element, das schaut, dass die Maschine zwar weiterläuft, aber sich auch weiterentwickelt und nicht ein identisches Blechteil nach dem anderen auswirft.

Hören sich die alten Platten von Pelzig unter dem Aspekt heute anders an?
Nein, eher nicht. Ich habe da zwar schon meine Favoriten, und es gibt durchaus auch Songs, die sich aus heutiger Sicht vielleicht ein Stück weit verklemmt klingen, dass man also Sachen versucht hat aber eben nicht mit der letzten Konsequenz. Diesen „Hybridlösungen“ fehlt dann das Eindeutige und die Geradlinigkeit, was aber auch daran liegen kann, dass wir nicht genügend Zeit hatten, sie fertigzustellen. Wenn man in das Aufnahmestudio tageweise bezahlen musste, tickte natürlich die Uhr und dann fehlte vielleicht die nötige Ruhe, war der Druck möglicherweise zu groß.



Du würdest den Satz, dass „Medium Cool World“ deutlich komplexer und dichter ist, aber schon unterschreiben?
Ja, schon, wobei sich die Elektronik bei uns fast anfühlt wie eine Zone der freien Demokratie. Egal ob es jetzt der Bassist, der Gitarrist oder der Schlagzeuger ist, bei uns kann jeder auf allen Positionen etwas beisteuern und anbieten, strikte Festlegungen wie bei anderen Bands kennen wir so nicht.

Das muss ja dann ein ganz schönes Hin- und Hergewechsel auf der Bühne geben…?
Na gut, für die Konzerte werden wir uns da schon etwas überlegen müssen, da wird es doch deutlich statischer zugehen müssen. Ich habe ja, wenn René nicht vor Ort war, in der Not auch schon mal den einen oder anderen Schlagzeugpart für die Platte eingespielt, da muss dann im Schnitt schon etwas nachgeholfen werden – live würde ich das sicher nicht mehr so gerade hinbekommen. Aber Eitelkeiten gibt es bei uns da zum Glück überhaupt keine, das ist komplett raus, die Sachen werden auch im Vorfeld der Produktion nicht großartig abgestimmt, sondern einfach zusammengebaut und wenn dann keiner laut schreit und meint, das gehe gar nicht, dann bleibt das so. Die Verantwortung liegt dann letztendlich beim finalen Mix, und da hat der Oliver Zülch meines Erachtens einen ganz großartigen Job gemacht.

Täuscht eigentlich der Eindruck oder ist das neue auch Euer düsterstes Album?
Das stimmt irgendwie schon, aber wenn Du mir die Frage danach stellst, müsste ich erst überlegen, woran das genau liegen kann – ich kann’s so genau und auf die Schnelle gar nicht erklären. Ob’s am Probekeller ohne Tageslicht liegt oder ob die Platte einfach ein Zeitdokument ist, also generell alles ein weniger dunkler wird, ich weiß es nicht. Wir hatten auf den bisherigen Platten jedenfalls immer wenigstens ein Stück drauf, das – böse formuliert – in Richtung  Fun-Punk ging, das gibt es auf der aktuellen tatsächlich nicht mehr.

Eigentlich eher eine Standardfrage: Welche Vorbilder könnte man aus dem aktuellen Album heraushören, gibt es da gemeinsame Favoriten?
Also vor einigen Jahren es gab mit Interpol mal eine Band, auf die sich alle haben einigen können, und ich glaube, das hört man aus einigen Stücken noch deutlich heraus, weniger, weil wir sie kopieren, sondern eher interpretieren wollten. Unser Sänger hat wohl den poppigsten Background, wofür wir auch sehr dankbar sind, mein Bruder Christian wiederum bringt viele spezielle, auch abseitige Dinge mit ein. Er ist ja der Bassist und braucht auch viel Platz – das passt dann wieder auch gut zu Pelzig, dieser basslastige Sound, wenn der nicht da wäre, würden wir gar nicht auf den Record-Knopf drücken.

Da sind ja die frühen Interpol und ihr damaliger Bassist Carlos Dengler in der Tat ein guter Bezug.
Stimmt, das ist bei mir auch ein deutliches Zeichen, dass Musik viel länger in mir drinnen bleibt, wenn ich mich zunächst erst mal an ihr reibe. Viele haben ja damals bei Interpol auch gemeint, das wäre zu gefällig, aber der Bassist hat dann immer Sachen gespielt, die so nicht zu erwarten waren. Im ersten Moment hat man sich gedacht „Hey, spinnt der, was spielt der da!?“ aber irgendwann war’s drin und dann war’s einfach genial! Das war bei The Cure übrigens auch nicht anders, diese regelrechten Bass-Hooks, die dem ganzen eine bestimmte Strukur gaben – das hat dann auch Einzug in den Sound bei Pelzig gefunden, diese wohltuende Macht des Bass.



Zum Abschluss: Habt ihr eigentlich den Bandnamen, auch im Hinblick auf den Kabarettisten Frank-Markus Barwasser, irgendwann mal bereut?
Nein, gar nicht, mit dem Verweis konnte man eigentlich immer sehr gut leben. Was der gemacht hat, war im Grunde richtig gut. Wahrscheinlich hatte er aber irgendwann genug von den ganzen Verbindlichkeiten…

Hattet ihr denn mal Kontakt miteinander?
Nein, nie – das passt wohl auch weder zu uns noch zu ihm. Lustigerweise gibt es ja noch in puncto Namen noch mehr Koinzidenzen: Mit meinem Namensvetter (Rainer Schaller, Love-Parade-Veranstalter und McFit-Gründer) geht es mir ja auch nicht anders, der hat ja die komplette Web-Präsenz übernommen, ich komme wahrscheinlich bei Google erst auf der fünften oder sechsten Seite – was mir nicht unangenehm ist.

Das mit den Namen scheint sich ja wie ein roter Faden durch Eure Geschichte zu ziehen, auch wenn man an Slut denkt.Stimmt, gerade in den Anfangstagen des Internets haben wir es Fans und Raubkopierern sicher nicht einfach gemacht. Wer sich damals mit der Übersetzung nicht so auskannte – spätestens, wenn er im Netz danach gesucht hat, wurde ihm klar, was er bedeutete …

"Medium Cool World", Pelzig, Cargo Records

Travis: In die Jahre gekommen

Nun hat die Midlifecrisis also auch die schottischen Travis erfaßt: Fran Healy und Kollegen schieben offenbar ziemlich Frust - in ihrem neuen Video zu "Everything At Once" müssen die vier in einer Kindershow auf der Couch Platz nehmen und einem schnauzbärtigen Talkmaster, gespielt vom deutschen Schauspieler Daniel Brühl, Rede und Antwort stehen - sehr glücklich sehen sie dabei nicht aus. Das Stück stammt im Übrigen von einem für das neue Jahr geplanten Album, von dem noch keine näheren Informationen vorliegen, wer mag, kann sich aber den Neuling auf der Website der Band schon mal downloaden.

Aucan: Sowohl als auch

Aucan
„Stelle Fisse“

(Kowloon/Cargo)

Die Zeiten, in denen Technoplatten große Käuferschichten erreichten, liegen weit im vergangenen Jahrtausend, heutzutage haben sie sich zwar als Nischenprodukte etabliert, bleiben aber trotzdem etwas für Liebhaber. Selbst Martin Gore, charismatischer Chefideologe von Depeche Mode, ist wohl klug genug, für die Veröffentlichungen seiner Projekte VCMG und MG keine Verkaufszahlen zu erwarten, die an die Alben der englischen Synthpopper auch nur ansatzweise heranreichen könnten. Nun lassen sich – hier die Überleitung – Aucan, das italienische Trio, mittlerweile in Berlin wohnhaft, schwerlich auf reinen Techno reduzieren, ihre Tracks sind zwar minimal, aber doch mit vielen Komponenten aus RnB, Post-Rock, Grime und Dubstep verbaut. Nach der Zusammenarbeit mit dem Noisecore-Experten Otto von Schirach ist „Stelle Fisse“ ihr dritter Longplayer, einer, dem der Brückenschlag zu gefälligeren Popsounds (das Teufelswort Mainstream wollen wir jetzt mal bewusst vermeiden) gelingen könnte. Der Großteil des Albums kommt ohne Vocals aus und wenn doch, dann wird der Gesang in sehr verfremdeter Wiese wie eine instrumentale Klangspur eingespielt, die Beats sind größtenteils angenehm dunkel, abgesoftet und dominieren nicht das Gesamtgefüge. Flächige Synthesizer, mal klar, mal taumelnd, geloopte Geräuschsequenzen, gegen Ende („Cosmic Dub“) versuchsweise sogar ein paar Gitarrenklänge – Aucan bleiben bei allen Stücken überlegt, reduziert und gern bereit, Grenzbereiche auszutesten. Bei „Errors“ zum Beispiel gehen sie den wohl größten Schritt in Richtung Pop, „Light Sequence“ spart sich die Drums komplett, Tracks wie „Friends“ und „Above Your Head“ dürften die Essenz des Trios am deutlichsten wiedergeben. In jedem Falle ein guter Einstieg für Neulinge in Sachen Maschinenmusik, für Feinschmecker ohnehin ein Muss. http://www.aucan.aucanism.com/

WALL: Tauwetter [Update]

Darf man jetzt, da Mr. President das Tauwetter mit Kuba eingeleitet hat, als Amerikaner wieder über deren Hauptexportschlager singen? Offenbar. Denn die New Yorker Post-Punk-Kombo WALL benennt ihre Debüt-Single "Cuban Cigars" und hat darauf mächtig rein. Physisch erscheint das kleine Ding Anfang Januar bei Wharf Cat Records.

Update: Mit "Fit The Part" gibt es nun eine zweite Single der Band zu hören, mittlerweile ist auch von einer Debüt-EP die Rede. Klingt gut.

Dienstag, 24. November 2015

On Dead Waves: Geheimniskrämerei

Ein wenig klingt der Song wie die kürzlich auch hier hochgelobte Kollaboration von Anton Newcombe und Tess Parks - auch wenn Mute Records es sehr spannend machen, die beiden werden sich dahinter wohl nicht verstecken. Wer oder was genau nun On Dead Waves, das neueste Signing des Labels, sind, wissen wir also zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, der erste Song "Blackbird" und das Video von Lukasz Pytlik lassen sich aber schon mal gut an und irgendwann werden sie schon was rauslassen, die Plattendealer. Versprochen.

Wolf Alice: Spaßeshalber

Ein Beweis dafür, dass die falschen Pilze nicht nur viel Schaden, sondern manchmal auch ebensoviel Spaß anrichten können, liefern Wolf Alice in ihrem neuen Video zu "Freazy" - knallbunt, durchgeknallt und obendrein poppig wie nur was. Auf dem Album "My Love Is Cool" ist dieses Stück allerdings klar in der Unterzahl.

Montag, 23. November 2015

The Cure: Planungsvorsprung

Alte Männer auf Reisen und trotzdem jetzt schon der Rede wert: The Cure werden im kommenden Herbst, also in knapp einem Jahr, für ein paar Termine vorbeikommen, ob sie dabei auch neue Songs präsentieren, ist bislang noch nicht klar, nur der Support soll mit The Twilight Sad schon feststehen. Die offizielle Website kündigt schon mal vollmundig an, dass neben Hitsingles und Raritäten auch bislang unveröffentlichte Songs zu hören sein werden und zwar "in a brand new stage production that promises to be one of the 'must see' shows of the year!" Hier die entsprechenden Daten - Vorverkaufsstart ist übermorgen, also am 25.11.2015:

17.10.  Hamburg, Barclaycard-Arena
18.10.  Berlin, Mercedes-Benz-Arena
24.10.  München, Olympiahalle
26.10.  Wien, Marx-Halle
04.11.  Basel, St.-Jacobs-Halle
06.11.  Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle
08.11.  Leipzig, Arena
09.11.  Köln, Lanxess-Arena

Sonntag, 22. November 2015

Adele: Zuviel des Guten

Adele
„25“
(XL Recordings)

Am Ende des Albums wissen wir alle dann mit Sicherheit, was vorher eigentlich schon bekannt war: Adele Laurie Blue Adkins hat eine sagenhafte, eine tolle Stimme. Warum man aber dennoch Bauchschmerzen hat? Nun, eigenartigerweise ist es nicht die große Traurigkeit, die fast alle Songs des neuen Albums durchzieht – gegen jugendliche n Weltschmerz ist nichts einzuwenden und Anlässe dazu gibt es, wie man hört (und vorher schon liest), auch in Adeles Leben genug. Sie zieht hier im Übrigen mit ihrer zwei Jahre älteren schwedischen Kollegin Lykke Li gleich, die ebenso gern viel Schwermut in ihre Lieder packt – auch deren letztes Album „I Never Learn“ war beileibe keine einfache Kost und trotzdem recht eindrucksvoll. Nein, es krankt an anderer Stelle: Irgendwie scheint jeder der so zahlreichen wie namhaften Produzenten und Co-Writer ihres Albums – wir reden hier immerhin von Schwergewichten wie Paul Epworth, Mark Ronson, Greg Kurstin, Bruno Mars und Danger Mouse – der Künstlerin denselben Tipp gegeben zu haben, und unablässig alle Welt davon zu überzeugen, wie toll doch eben jene Stimme ist und dass dieses Stilmittel unbedingt ihr wichtigstes sein und bleiben müsse. Über diesem Diktat haben die Herren dann aber leider vergessen, der Stimme auch ein paar wirklich gute, meint abwechslungsreiche Songs zu schreiben oder Adele wenigstens darauf hinzuweisen, dass Trübsal und Trauer auf Dauer auch ziemlich anstrengend sein können.

So ist „Hello“ zweifellos ein bemerkenswerter Song mit viel Leidenschaft und wunderbarer Melodie, leider folgen auf diesen aber noch einige andere, die in dieselbe Kerbe hauen, nicht halb so gut sind und doch auf Pathos und Bombast nicht verzichten wollen. Viel Piano also, Streicher, Backgroundchöre, getragenes Largo plus barmendes Lamento und über allem ihre Stimme, die in verheißungsvollen Schattierungen beginnt und die Songs doch allzu oft, man muß es leider so sagen, mit Dominanz und Lautstärke erdrückt. „Send My Love“, mit funkigem, minimalistischem Unterton gestartet, stellt da als weltmusikalisches Jauchzen, zu dem es später wird, eher die Ausnahme, diese Leichtigkeit wird keinem der restlichen Stücke mehr vergönnt. Kaum zarte Momente, hübsche Soundideen wie die schleppenden Beats bei „Water Under The Bridge“ geraten früher oder später unter die Räder des anbefohlenen Balladenzwangs, man hat das Gefühl, sie wolle mit „Remedy“ oder „All I Ask“ nach Möglichkeit die Leerstelle füllen, die Whitney Houston hinterlassen hat. Es gibt nebenbei eine weitere Parallele zu Lykke Li, deren frühere Alben ebenfalls etwas mutiger und weniger eindimensional klangen und die vielleicht einen Ausweg aufzeigen kann: Beide haben zu unterschiedlicher Zeit einen ihrer Songs jemanden an die Hand gegeben, der ohne Vorbehalt und mit ein paar klugen Kniffen Reizvolle(re)s daraus zauberte – Beck bei „Get Some“ und Jamie xx für „Rolling In The Deep“. Ob nun also respektvolles Schulterzucken oder bedauernde Hochachtung, Adele wäre gut beraten, für ihre nächste Platte etwas verwegener zu Werke zu gehen – auf ihre Stimme, soviel ist sicher, kann sie sich ohnehin verlassen. http://adele.com/

Freitag, 20. November 2015

Porches: Ein guter Anfang

Geschmeidig dunkler Synthpop, wie gemacht für eine lange Freitagnacht: Porches, also das aktuelle Einmann-Projekt von Aaron Maine aus Pleasentville/New York, hat mit "Hour" eine neue Single am Start - der Track stammt vom neuen, zweiten Album "Pool", das am 5. Februar bei Domino erscheinen wird.

Chvrches: Immer eine Möglichkeit

Wer B sagt, kommt auch an C nicht vorbei: Auf Bowie folgen also die Chvrches - natürlich nicht halb so spektakulär, aber darum geht es auch gar nicht. Das Video zu "Empty Threat" illustriert den Tagesausflug einer eingeschworenen Emo-Clique und will eigentlich nicht mehr zeigen als die Möglichkeit von Freundschaft trotz Ausgrenzung und Außerseiterdasein - Austin Peters findet dazu sehr schöne Bilder. Der Song stammt natürlich vom Album "Every Open Eye".

Donnerstag, 19. November 2015

David Bowie: Horrortrip

Ganz und gar nichts für schwache Nerven oder Menschen, die nach befremdlichen Bildern zu Albträumen neigen: Das neue Video von David Bowie zum Titeltrack seiner neuen Platte "Blackstar", die am 8 Januar erscheinen soll, ist ein zehnminütiger Horrortrip zwischen Exorzismus und Science Fiction der düsteren Sorte. Regie führte Johan Renck, der auch schon für Teile von "Breaking Bad" verantwortlich zeichnete.

BATTS: Für später [Update]

Das ist dann eher für die Abendstunden: Das Duo BATTS stammt zu gleichen Teilen aus England und Australien (genauer Birmingham und Melbourne) und auf die Debütsingle "Morals", die vor einigen Monaten on air ging, folgt nun "For That I'm Sorry", ein schwelgerisches Stück Dreampop mit ganz viel Gefühl. Das liegt natürlich hauptsächlich an der warmen und kräftigen Stimme von Tanya Batt selbst, aber auch an den feinen Klangteppichen, die Alsdair Mason beisteuert.

Update: Erst im Stream, jetzt mit einem schönen Videoclip, gedreht von Kathleen Mary Le.



Mittwoch, 18. November 2015

Junior Boys: Darüberhinaus

Einen neuen, zweiten Track gibt es vom neuen Album der Junior Boys zu vermelden - auf den Titeltrack folgt heute das fiebrige "Over it", am 5. Februar kommt dann via City Slang der komplette Rest der Platte "Big Black Coat" hinterher.

Dienstag, 17. November 2015

John Cale: Mister Cool

Jetzt gibt's gleich mehrere Aufreger auf einen Schlag resp. Post: John Cale, mithin einer der genialsten Musiker unserer Zeit (und der davor), hat sich entschlossen, sein Soloalbum "Music For A New Society" aus dem Jahr 1982 einem Remastering zu unterziehen. Die Arbeit mit den alten Originalaufnahmen brachte ihn dann aber auf die Idee, die Tracks der Platte für eine weitere Version komplett neu zu arrangieren und als Rework einzuspielen, das Ergebnis wird am 22. Januar bei Domino Records erscheinen und den Titel "M:FANS" tragen. Die erste Kostprobe davon gibt es nun samt Video zu hören/sehen, den Clip zu "Close Watch" drehte Abby Portner (Schwester von Avey Tare/Animal Collective), als weibliche Nebenrolle tritt die bezaubernde Amber Coffman (Dirty Projectors) in Erscheinung (zum Vergleich hier die Originalversion).

Apropos Erscheinung: Die Plattenfirma veröffentlichte zur Nachricht auch ein Bild von Cale (Credit: David Reich), das den Mann so unglaublich lässig mit Jacket, Shorts und Sneakers zeigt - allein dieses Foto wäre ein paar Zeilen wert gewesen.

Savages: Letzte Warnung

Neues von der Band, die ihren Albumtitel gerade im Zuge der Anschläge von Paris zum trotzigen Lebensmotto erhob: Die Savages werden am 22. Januar bekanntlich ihre zweite Platte "Adore Life" veröffentlichen und nach "The Answer" ist gerade die zweite Single "T.I.W.Y.G." im Netz erschienen - "This is what you get when you mess with love" lautet die betreffende Zeile im Text, den Song gibt's derzeit u.a. bei Dooloop zu hören. Für Berlin wurde im Übrigen auch einen Livetermin bekanntgegeben:

30.11.  Berlin, Kantine Berghain

Gang Signs: Einen Schritt weiter

Gang Signs
„Geist“

(File Under Music)

Ach, was gab es nicht alles für gelungene und weniger erfreuliche Versuche, auf der Erfolgswelle der britischen Senkrechtstarter The XX, losgetreten mit ihrem grandiosen Debüt vor zehn Jahren, mitzureiten (und dabei ist der gestohlene Tanz von Milky Chance als Dauerbrenner noch nicht einmal der übelste). Weil der Erfolg eben nicht nur Neider, sondern auch viele Nachahmer hervorbringt, will die Liste der Kopisten bis heute nicht abreißen und auch das kanadische Trio Gang Signs wird von Unbedachten schnell in diese Ecke geschoben werden. Dabei gehen Peter Ricq, Adam Fink und Matea Sarenac die Sache deutlich druckvoller an – ihr aktuelles Album „Geist“ kann deshalb nur bedingt als Blaupause taugen. Klar haben sie ähnlich zarte und glitzernde Gitarrenhooks wie Romy Madley Croft im Programm, die zauberhaften Melodien ebenso, allerdings geben die drei ihren Songs entschieden mit Beats und Popappeal mit auf den Weg, mancher Track ließe sich so eher bei den Crystal Castles verorten als bei verträumten Minimal Wave der introvertierten Londoner. Wo der Maschinensound regiert, geraten naturgemäß die Feinheiten etwas in den Hintergrund, über die komplette Spiellänge klingen die Stücke von Gang Signs dann tatsächlich etwas zu schablonenhaft. Die Unnahbarkeit, das Sinstere, das sich mit den beiden ersten Stücken „Mate“ und „Antidot“ noch andeutet, geht gegen Ende leider etwas verloren – eine schöne, hörenswerte Platte bleibt es trotzdem. http://gangxsigns.com/

Chk Chk Chk: Ein Strauß bunter Ideen

Ganz klar ein Hingucker: Das neue Video zu "Ooo" von Chk Chk Chk aka. !!! kommt als total alberne Klingonenparty daher und macht mächtig viel Spaß, stammen tut der Song natürlich von der aktuellen Tanzplatte "As If" der Band. Passend dazu hat Pitchfork gerade die Nachricht geteilt, dass die Spaßkombo für ihre bevorstehende Konzertreise entschieden hat, sich selbst zu supporten und zwar unter dem Namen Stereolad - Ähnlichkeiten mit real existierenden Gruppen und Personen natürlich beabsichtigt. Einen Kommentar zu dieser revolutionären Idee gibt es wiederum von Frontmann Nic Offer: “Why? Just for a kicks, for a laugh, just cuz we want to. Same reasons we’ve been !!! all along. But seriously, we like a challenge, it seemed like a fun way to press our boundaries, we like to play, it was cheaper than hiring the real Stereolab to open for us and I look fantastic in a dress. So there. That seems like enough good reasons, no?” Aber sicher - ein Foto mit der neuen Identität weiter unten.





Montag, 16. November 2015

Poliça: Neue Töne [Update]

Eine gute Nachricht für alle Fans der amerikanischen Indieformation Poliça: Channy Leaneagh und ihre Mitstreiter haben für das kommende Jahre ihr drittes Album angekündigt, der Nachfolger von "Shulamit" von 2013 mit dem Titel "United Crashers" soll am 4. März erscheinen, den ersten Song davon ("Lime Habit") gibt es hier schon mal im Stream. Hier auch noch mal das Interview, das wir mit Channy Leaneagh anläßlich ihres letzten Auftritts in München führten.

Update: Auch Poliça jetzt mit Video für alle.




Fat White Family: Für Mutti [Update]

Definitiv eine Band, die man seiner Mutter noch vorstellen möchte: Den Jungs der Fat White Family geht das offenbar genauso und deshalb hat die Londoner Punkformation ihr neues Album auch "Songs For Our Mothers" betitelt, erscheinen soll es im Januar bei Fat Possum Records. Wenn auch noch kein Ton davon zur Anhörung freigegegben ist, so ist man mit der Lektüre der Selbstauskunft schon genug unterhalten, die liest sich wie folgt:

"While our first LP might be considered an assault, a spasmodic outpouring of disdain generated by the utter tedium of life when it is found unlivable, Songs For Our Mothers is an invitation. It is an invitation, sent by misery, to dance to the beat of human hatred. In it we ask that you take us gently by the hand as we lead you on a journey, a journey that leads us from the blinding white heat of a midday Mediterranean shore, to the embattled boudoir of Ike and Tina Turner, from the clotted grey droll of Dr Harold Shipmans waiting room, to the final hours of the Third Reich in the Berlin bunker. It is as much a catalogue of our obsessions as it is a sensual odyssey; sex, drugs, politics, death, the Northern Irish A-lister Sam Neil, it's all here, all that's left to do now is breathe it in."

Der Nachfolger von "Champagne Holocaust" enthält im Übrigen so hübsche Songs wie "Whitest Boy On The Beach", "Tinfoil Deathstar", "Lebensraum" und "Goodbye Goebbels", es gibt also genügend, worauf man gespannt sein darf - rein äußerlich haben die Herren (siehe oben) ja schon mal vorgelegt.

Update: Und da ist er, der erste Track vom neuen Album - ebenjenes "Whitest Boy On The Beach".

Pelzig: Vorbote

Noch ein Vorgriff auf's neue Album also, welches bekanntlich am 27. November erscheinen soll (und das, wie wir schon wissen, grandios werden wird): Pelzig haben einen weiteren Song von "Medium Cool World" mit einem Videoclip versehen - "No Routine Night" wurde von Alexander Schuktuew gedreht.

Freitag, 13. November 2015

Missy Elliott: Volle Packung

Sie hat's halt noch drauf: Die über alles verehrte Missy Elliott ist zurück im Ring und hat ein Video zu ihrem Song "WTF (Where They From)" mitgebracht, aufgenommen mit Pharrell Williams, gedreht hat Dave Meyers - Moves zum Zungeschnalzen, Breakdance, das ganze Programm. Kick's Ass!


Donnerstag, 12. November 2015

Deaths: Abgrundtief

Die Düsternis schreitet voran: Das Berliner Elektronik-Kollektiv Deaths hat seine neue EP veröffentlicht und der Sound ist auch weiterhin so somnambul und wie interessant. "Under Old Sun" vereinigt vier Stücke, ein stetiges Flackern, manches dissonant, anderes mit einem trägen Beat unterzogen, die Stimme von Igor Bruso zart und verletzlich dazu. Zum Track "Voices" existiert zudem bei Nowness ein Videoclip, Regie führte Lubos Rezler, wer sich ältere Sachen anhören möchte, kann dies bei Soundcloud ausgiebig tun.

ANDERSON .PAAK: Alleine weiter

Als Feature auf der grandiosen "Compton" schon mehrfach aufgefallen, nun wieder solistisch unterwegs: Der Kalifornier Brandon Anderson Paak, kürzer und prägnanter ANDERSON .PAAK, hat sich nach seiner Kollaboration mit der Produzentenlegende Dr. Dre gerade mit ScHoolboy Q zusammengetan und die Single "Am I Wrong" aufgenommen, zudem gibt es von ihm aktuell noch den Song "The Season/Carry Me" zu hören. Beide Tracks werden im Übrigen auf dem neuen Album "Malibu" enthalten sein, das für Anfang 2016 angekündigt ist.

18.02.  Berlin -Lido
21.02.  München - Ampere

Mittwoch, 11. November 2015

Tindersticks: Gemeinsame Sache

Vom neuen Album der Tindersticks "The Waiting Room", terminiert auf den 22. Januar 2016 bei City Slang, ist eine zweite Single samt Videoclip vernetzt worden - auf "We Are Dreamers!", das Duett von Stuart Staples mit Savages-Sängerin Jehnny Beth, folgt nun eine weitere Kollaboration. "Hey Lucinda" hat Staples mit der 2010 verstorbenen Künstlerin Lhasa De Sela, die auch schon für andere Songs ("That Leaving Feeling", "Sometimes It Hurts") gemeinsam mit dem charismatischen Bandleader am Mikrophon stand.



Dienstag, 10. November 2015

Movement: Slowest motion

Die Australier Movement waren hier vor gut einem Jahr schon mal ein Thema - da war ihre gleichnamige EP gerade erschienen und sie hatten es gerade zu Dazed Digital geschafft. Nun sind die drei mit einem neuen Track namens "Lace" im Gespräch, Stereogum hat ihn gerade ins Programm gehoben und so dunkel und geheimnisvoll wie dieses RnB-Stück klingt, wird es wohl in nächster Zeit nicht gerade ruhiger werden um die Jungs.

The Japanese House: Mehrfachbegabung

Kürzlich erschienen und unbedingt erwähnenswert: Die neue EP "Clean" von The Japanese House. Es ist nicht nur der Umstand, dass die spannende Klangkulisse und die zauberhafte Stimme einem zwanzigjährigen Teenager gehören - reizvoll nebenbei auch das optische Konzept aus einer Reihe von gelungenen Fotoaufnahmen, die jeden der Songs illustrieren und sich wunderbar in den mal sphärischen, mal verspielten Sound einfügen.

Daughter: Zählbares

Neues hören wir heute von Daughter: Das Londoner Trio hatte ja erst kürzlich sein nächstes Album "Not To Disappear" via 4AD für den 15. Januar angekündigt und dabei den ersten Song "Doing The Right Thing" geteilt, nun folgt mit "Numbers" der zweite Streich. Und wer es noch nicht in den Jahreskalender 2016 übernommen hat, hier sind noch einmal die drei Deutschlandtermine für das kommende Jahr.

30.01.  Köln, Kantine
03.02.  Hamburg, Grünspan
07.02.  Berlin, Kesselhaus
08.02.  München, Technikum
09.02.  Zürich, Kaufleuten

Grimes: Die Kindliche Kaiserin

Grimes
„Art Angels“

(4AD)

Keine Ahnung, warum bei den meisten Besprechungen für die Kategorie der Sparte „Weiß/Weib/Gesang“ immer wieder von Neuem das Erbe von Madame Ciccone verhandelt wird – in der seit Jahren andauernden Dauer-Casting-Show „The Next Madonna“ allerdings dürfte Grimes mit Abstand die besten Karten haben. Dabei sind es nicht einmal die Songs selbst, mit denen Claire Boucher die Konkurrenz bei diesem, ihrem regulären vierten Album und nach dem Vorgänger "Visions" auf Abstand hält, auch ihre zuweilen etwas piepsige Stimme gibt sicher nicht den Ausschlag. Vielmehr geht die Kanadierin, mittlerweile 27, ihre Karriere noch immer mit dem beeindruckenden Selbstverständnis eines trotzigen Teenagers an und benötigt dazu – dies vielleicht die größte Überraschung – nach wie vor kein plattes, sexuelles Rollenklischee, ja nicht einmal die Anspielung desselben. Es reichen der Mut und das Genie, mit welchen Boucher für die vorliegenden Tracks sämtliche Versatzstücke des zeitgemäßen Rock und Pop einmal mehr zu einem wild brodelnden Zaubertrank zusammenmischt, der einem unweigerlich Beine macht und an grellbunter Farbigkeit und Facettenreichtum schwerlich zu überbieten sein wird.

Nimmt man den wummernden Beat als einzige Konstante, werden diesem hier unzählige Schichten und Sequenzen hinzumontiert, die in der Gesamtheit ein quirlig-nervöses und hochgepitchtes MashUp ergeben: Treibende Technoelemente und Breakbeats spielen da ebenso mit hinein wie reichlich J-Pop-Verweise, Cheerleader-Gekreisch und geloopte Bluesgitarrenriffs. Hier eine geklaute Cyndie-Lauper-Hookline, („Art Angels“), ausgelassener 90er-Funk („World Princess Part II“) – „Belly Of The Beat“ nimmt sich wie eine hochtourige Version von „La Isla Bonita“ aus und der aufgedrehte RnB von „Easily“ dürfte ebensoviel Hitpotential haben wie das – naja, Duett – mit Janelle Monáe („Venus Fly“), der anderen Wuntertütenfrau, die sich in Sachen Wandlungsfähigkeit und Egogröße am ehesten mit Grimes messen kann. Nun wird manche/r behaupten, diese aufgekratzte Künstlichkeit lasse sich auf Dauer nur schwer ertragen, überhaupt ließe sich in dem quietschbunten Wirrwarr schwerlich etwas Neues erkennen. Stimmt alles – ist aber trotzdem nicht so wichtig. Was zählt, ist der Moment, und den gestaltet Grimes so verwegen und mutig wie gewohnt, sie bleibt die kindliche Kaiserin des Superpop. http://www.grimesmusic.com/

17.02.  Berlin, Astra Kulturhaus
18.02.  Hamburg, Docks
20.02.  Frankfurt, Gibson

Montag, 9. November 2015

St. Tropez: Geradeheraus

Knarziger Psychrock aus Holland, viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen: Das Quartett St. Tropez stammt aus Amsterdam,  hat vor einigen Monaten seine erste EP vorgelegt und will nun mit der Single "Son Of God" den Anschlußerfolg landen. Produziert hat übrigens Tarek Musa von Spring King - los geht's.

Sonntag, 8. November 2015

Coldplay: Alles ist möglich

Eher Chronistenpflicht denn Vorfreude: Coldplay haben für den 4. Dezember ihr nächstes Album "A Head Full Of Dreams" via Parlophone angekündigt, mit dabei sind u.a. Noel Gallagher und Beyoncé. Nachdem die letzte Platte "Ghost Stories" ja mit ein paar elektronischen Überraschungen glänzen konnte, daneben aber auch altbewährt Kitschiges bereithielt, sind die Erwartungen eher verhalten (zumindest hier, anderswo drehen sie natürlich schon durch), auch mit der ersten Single "Adventure Of A Lifetime" weiß man noch nicht so recht, wo sie denn am Ende landen werden, die Befürchtung, es erwarte einen ein zweites "Mylo Xyloto" ist nicht eben kleiner geworden.

Freitag, 6. November 2015

Bernadette La Hengst: Durchlüften

Bernadette La Hengst
Support: The Ukelites
München, Milla, 5. November 2015

Man möchte ja nicht ständig den immergleichen alten Bart wickeln und darüber lamentieren, ob dieses nun typisch deutsch sei und jenes eben nicht – klar dürfte dennoch sein: Gäbe es hierzulande mehr Menschen wie Bernadette La Hengst, wir Deutschen hätten weit weniger Probleme, zumindest mit uns selbst. Die Art und Weise, wie diese Frau offensiv und größtenteils erfrischend die schwierigsten Themen dieser Welt zu wälzen versteht, unterscheidet sich so grundlegend von der oft so verkniffenen Betroffenheitskultur unseres Landes, dass man die La Hengst insgeheim fast in höhere Ämter loben möchte, um in ihrem Sinne die Dinge anzustoßen und zu bewegen. Ist natürlich Quatsch – sie hätte dazu wohl kaum Lust und Zeit, weil sie sich frohgemut in unzähligen Projekten abarbeitet und die andere Zeit offenen Auges und Herzens über den Planeten reist. Ohnehin ist der beste Platz für die Botschafterin des gutgelaunten Agitpop hinter dem Mikro, sie braucht dazu, wie man an diesem Abend wieder sehen konnte, nicht viel Platz und auch keine riesige Band – ein kleines Notebook als Konserve und Drummerin Wanja Saatkamp von der Hamburger Punkkapelle Maiden Monsters tun es auch, den Rest erledigt La Hengst als Rampensau (sorry!) im silbernen Glitzerfummel bestens allein.

Der Kontakt zum Publikum ist schnell gefunden, ein paar kurze Anekdoten und das eine oder andere verschmitzt-verschwitzte Lächeln zwischendurch entspannen die Atmosphäre für die großen, zentnerschweren Anliegen. Die Flüchtlingskrise im Disko-Takt, das geht wohl so nur bei ihr und verliert dennoch nicht an Relevanz – „Wem gehört die Parkbank“ vom akuellen Album „Save The World With This Melody“ ist nicht weniger eindringlich, weil man wunderbar dazu mitsingen kann. Überhaupt: Das Mitsingen. Die nebenberufliche Chorleiterin hat offenkundig einen großen Spaß am Dirigieren, gleich mehrere Stücke werden nach kurzer ad-hoc-Probe vielstimmig begleitet, selbst das Trikont-Label stellt einen Teilzeit-Background ab und so wird man zwischen Dance und Beats und Yeah kaum gewahr, dass hier viel Ernstes und Trauriges mit im Spiel ist. Das Leid der Vertriebenen, die sich ihren neuen Lebensraum erst suchen müssen, zerrissene Familien, getrennte Liebe, Selbstfindung, Selbstbehauptung, Verlust und Zerstörung, all das klingt an diesem Abend leicht und ist doch sonst so schwer zu verkraften.

Auch als Musikerin, das muss noch erwähnt werden, ist Bernadette La Hengst nach wie vor eine Schau – so entwaffnend ihr Charme und klar ihre Texte, so restlos verausgabt sie sich auf der Bühne. Ausgelassene, gestiefelte Tänze, ihre wunderbar kraftvolle und leidenschaftliche Stimme und ab und an ein wütendes Gitarrengeschrammel – wem da Kathleen Hanna und Annie Clark in den Sinn kommen, der liegt sicher nicht falsch. Von den „Bräuten“ gab’s am Ende (es war zu vermuten) leider nichts zu hören, dafür aber mit dem Rausschmeißer „Der beste Augenblick“ einen veritablen Hit aus den Anfangstagen ihrer Solokarriere. Es liegt in der Natur des hier besungenen buddhistischen Sinnspruchs, dass er an Gültigkeit nie verliert – in gewisser Weise ist das ein Trost, weil ja auch die Dinge, die einen fassungslos und wütend machen, nicht eben weniger werden. In einem alten Interview sagte Bernadette La Hengst: „Die Welt ist so groß und der alltägliche Scheiß, mit dem man sich umgibt, so klein, daß man ab und zu mal auslüften sollte.” Dafür war dieser Abend in der Tat die passende Gelegenheit, irgendwie trat man den Heimweg aufrechter und durchaus ermutigt an.

06.11. Mannheim, Blau
09.11. Gottsbüren
10.11. Frankfurt, Fabrik
11.11. Zürich, Helsinki
12.11. Freiburg, Theater
13.11. Augsburg, Grandhotel Cosmopolis
14.11. Reutlingen, Franz K
17.11. Regensburg, Alte Mälzerei
19.11. Nürnberg, Desi
24.11. Köln, Tsunami
25.11. Dortmund, Subrosa
26.11. Hamburg, Hafenklang
05.12. Leipzig, Fraku

Donnerstag, 5. November 2015

Fine Times: Spielerei

Dann doch mal wieder ein ungemein witziges Video: Fine Times aus Kanada, seit 2010 auf dem Plan und mit einem Debütalbum in der Tasche, haben in diesem Jahr ihre EP "Bad::Better" veröffentlicht, von dieser stammt natürlich auch der Titelsong, zu dem es jetzt diesen Clip gibt. Und wenn es nicht so platt klänge, würde man jetzt gern sagen: Anschauen - Spaß haben.



Pelzig: In die Nacht hinaus

Pelzig
„Medium Cool World“

(Cargo Records)

Wenn man mal das Spinnen anfängt, dann kommt man darauf, dass in Ingolstadt die Dinge anders laufen als im Rest der Republik und zwar mit einer sich stets wiederholenden Parallelität. Da hat es der Blechkarossenbauer mit den vier Ringen, mithin Hauptarbeitgeber in Stadt und Region, endlich in die Champions-League und nach Übersee geschafft und bekommt just in diesem, seinem besten Moment die Schludereien seines großen Bruders in der leidigen Abgasaffäre zu spüren. Eine Etage tiefer ist der eben von jenem Konzern gesponserte Fußballverein endlich in der ersten Liga angekommen und schlägt sich dort recht beachtlich auf einen einstelligen Tabellenplatz – wahrgenommen wird er aber kaum, weil der viel größere und ruhmreichere Effzehbayern einen jeden Verein in seinem Glanz wie eine kleine, graue Maus aussehen läßt. Auch dumm gelaufen. Und nun Pelzig. Jahrelang fabrizieren die Herren feinsten Indierock (der so gar nicht nach Provinz, sondern eher nach Übersee klingt) und werden doch als Anhängsel der viel größeren und ruhmreicheren Kapelle Slut in den Schatten gestellt oder, nicht besser, mit einem kleinen, komischen Mann mit Karohemd und Kordhütchen verwechselt. Und auch wenn letzterer gerade erst in Ruhestand getreten ist darf man annehmen, dass das die Sache nur unwesentlich erleichtert.

Dass es für dieses Schattendasein überhaupt keinen Grund gibt, das beweist einmal mehr ihr aktuelles Album „Medium Cool World“. Elf Jahre nach „Safe In Its Place“ ist von Ermüdung und sonstigen Mangelerscheinungen rein gar nichts zu hören – Christian und Rainer Schaller, Christian Schulmeyr und René Arbeithuber treten einmal mehr den Beweis an, dass alternativer Gitarrenrock noch recht lebendig zu klingen vermag. Den Einstand geben sie mit „Style Kills All“ und der Frage nach dem wahren Gefühl, das in unserer so blankpolierten, nivellierten und rundum optimierten Gesellschaft abhanden gekommen scheint, ein Gefühl, das per se nicht einmal ein gutes sein muss, sondern eben nur ein echtes: „No more mission, no more real bad teen songs, is here any desire to go? Is here anyone tired or amused or tricked?“ Das nachfolgende „Battles“ schimmert so düster und erhaben wie ein Interpol-Song in seinen besten Zeiten, es gibt nicht viele Bands, die hierzulande solch einem Vergleich standhalten würden.



Schwarz wie der Hintergrund für den elektrischen Reiter von Klaus Fürmaier auf dem Cover bleibt es, die Welt ist „medium cool“ und „well done“ und trotzdem aus den Fugen, Halt gibt es wenig und Pelzig machen die Musik zum Dilemma. Business, Duty, Solar, Job – Hurra, wir funktionieren ja noch – ein Blick auf den iPod hilft mir trotzdem nicht mehr weiter und die Nacht, meine Nacht, bleibt als einziger Ausweg. Es ist nicht wirklich ermutigend, wie Christian Schulmeyr da über die Distanz von zehn Stücken den instabilen Zustand aus Zweifel, Leere, Einsamkeit und andauerndem Unverständnis beschreibt, immer mit einer Stimme zwischen vorsichtigem Gesang und leicht verfremdetem, schneidendem Rezitativ: „Ain’t got no home, no we ain’t got no place, we are on random but flowers and ruins are left in the cage. We try to keep it and hold it, but our dreams are just locked in a case.“

Dazu gibt es mal hymnische, raue Gitarren und fette Drums, an anderer Stelle teilen sich irrlichternde Soundschleifen und rumpelnde, schleppende Beats die Kulisse, bis plötzlich bei „Safe Route“ eine anmutige, fast luftige Sythie-Melodie jäh die alles überlagernde Schwermut durchbricht. Vielleicht liegt das Geheimnis ihres Erfolges ja in der Fähigkeit, neben dieser ausgeklügelten Balance aus zarter, fein verwobener Textur und kantigem Lärm auch die Überraschung zuzulassen, die unerwarteten Töne zu wählen. Gelingen tut ihnen jedenfalls beides, sie bauen ein traumhaftes, himmelhohes Gebilde und reißen es hernach mit „Trasher“ wieder ein. Versöhnliches dennoch zum Abschied, „All Signals Off“ ist eines dieser Stücke, die länger als andere in Erinnerung bleiben werden – das Echolot funkt in die kalte, schwarze Ungewissheit, doch die Hoffnung bleibt: „Whatever you tell, it’s always your story, whatever you tell, it’s always you, and I embrace all desires, let me in…“ Man sollte so etwas ja nicht allzu häufig sagen, aber viel besser als auf diese Platte hätten es Pelzig wohl nicht machen können. http://www.pelzig-music.de/

21.01.  München, Milla
22.01.  Nürnberg, Z-Bau
23.01.  Augsburg, Soho Stage
26.01.  Hamburg, Hafenklang
27.01.  Berlin, Monarch
28.01.  Münster, Gleis 22