Dienstag, 15. September 2020

Fontaines D.C.: Mit besten Absichten [Update]

Fontaines D.C.
„A Hero’s Death“

(Partisan Records)

Woher all der Argwohn kommt? Nun, manchmal ist das Alter eben nicht von Vorteil, sorgt die damit angeblich einhergehende Weisheit, von der ständig die Rede ist, dafür, dass man das hektische und beneidenswert vorbehaltlose Schaffen der Jugend mit misstrauischen Blicken und Zweifeln begleitet. Dabei ist doch eigentlich gar nichts Verwerfliches daran, wenn eine so junge und talentierte Band wie die Fontaines D.C. aus Dublin gerade mal ein Jahr nach Veröffentlichung ihres fabelhaften Debüts „Dogrel“ gleich die nächste, allzeit beunkte zweite Platte angeht. Lassen wir also alle Bedenken und schlechten Beispiele (The Killers, Kings Of Leon, Coldplay, you name it) mal beiseite. Und freuen uns an der Schlagzeile der Irish Times, die gerade treffend titelte: „Same band, different songs, same brilliance“.



Genaugenommen war das ja genau die Schlagzeile, die man insgeheim erhofft hatte. Und selbst die Band scheint hin- und hergerissen zwischen eigenem Anspruch und der Erwartungshaltung ihres nunmehr doch recht großen Publikums. Auf der einen Seite, so sagte Sänger Grian Chatten dem Guardian, habe er gar keine Lust, sich zu rechtfertigen, ob denn die neue Platte mit der alten vergleichbar sei, ob ein „weiter so“ vielleicht doch die bessere Wahl gewesen wäre: “This is us as people. If people can’t accept it or don’t like it, then their band is gone.” BAM! Andererseits unterstrich Chatten im gleichen Gespräch, dass es nichts Verlogeneres gäbe als einen Rockstar, der sich angeblich um nichts und niemanden bei seiner Arbeit Gedanken mache – der Mittelweg, ein schmaler Grat, ist es wohl, was den Reizpunkt setzt.



Dass die Fontaines D.C. mit ihrem neuen Status nicht rundherum glücklich sind, beweisen die mehr oder weniger deutlichen Textbezüge in den Songs von „A Hero’s Death“ – Stücke wie „Televised Mind“, „A Lucid Dream“ (Update: Video) und „I Don’t Belong“ wählen hier eine ungewohnt ehrliche Sprache. Mit Überzeugung so zu sein, wie man ist – Chattens großes Anliegen auf diesem Album. Dann nämlich landet man schnell auf der übergeordneten Ebene mental health, die ja in den letzten Monaten und Jahren eine immer größere Aufmerksamkeit und Brisanz erfahren hat. Vor diesem Hintergrund erlangen wiederum Songs wie „A Hero’s Death“, „I Was Not Born“ und an abschließende „No“ eine um so dringlichere Bedeutung. Und bilden den Kontrast zu nostalgischer Rückschau, Liebeslied und Alltagsflucht, die auch ihren Platz bekommen.

Auffällig in musikalischer Hinsicht – das neue Werk ist, mehr als das Debüt, welches noch von Ungestüm geprägt war, ein Songwriting-Album geworden, die fünf legen weitaus größeren Wert auf Wandelbarkeit, stilistische Nuancen, genre-crossing also. Wo „Dorgel“ noch ein lupenreines Post-Punk-Gewächs war, werden hier ganz andere Fachgebiete touchiert, kommen Streicher, Akustik- und Westerngitarren zum Einsatz, sogar balladeske Züge versagen sie sich nicht („Oh Such A Spring“) und bei „Sunny“ erwartet man fast, dass nunmehr gleich ein Sinatra-Hologram um die Ecke tänzelt und Ol Blue Eyes dem Sänger mit generösem Blick den Arm um die Schulter legt. „That is us“ - wie gesagt, sie wollten es wissen und haben es durchgezogen.



Es gibt, das darf man feststellen, keinen einzigen schlechten und keinen langweiligen Song auf dieser Platte - und beileibe nicht alle brechen mit den Erwartungen (soll heißen: Post-Punk still exits, mate). Dass die Jungs ihren Anhänger*innen etwas zumuten mußten, wollten sie vor sich selbst das Gesicht nicht verlieren, ist schlüssig und bestens geglückt. Ohnehin gibt es, und zwar besonders in der Rückschau mit einiger Zeit Abstand, kaum etwas Öderes als die Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung. Schon klar, sie sind nicht die ersten mit dieser Erkenntnis, aber einen ganz wichtigen Punkt haben sie, glaubt man dem Gitarristen Carlos O’Connell, schon mal kapiert: “It’s not up to us to become the biggest band in the world, it just isn’t. It’s up to how the music resonates.”

15.03.  Zürch, Dynamo
16.03.  München, Backstage
19.03.  Berlin, Astra Kulturhaus
20.03.  Hamburg, Gruenspan
26.03.  Wiesbaden, Schlachthof
27.03.  Köln, Live Music Hall

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