Samstag, 10. Oktober 2020

Travis: Besser das Kerngeschäft

Travis
„10 Songs“

(BMG/Warner)


Das muss man sich vorstellen: Als Fran Healey seine Band Travis gründete, also 1990, war der Junge gerade mal siebzehn Jahre alt. Okay, bis zum ersten Album hat es dann noch mal eine ganze Weile gedauert (und ein so durchschlagender Erfolg wie das zweite ist „Good Feeling“ auch nicht geworden) – aber was waren das für Zeiten: Rap, heute die Musik der Stunde und als solche auch das bei weitem innovativste Genre, war von seiner jetzigen Dominanz noch meilenweit entfernt und suchte zwischen billigem Kommerz, Gangsta-Attitüde und politischem Anspruch noch seinen Platz, Euro-Pop und Breitbein-Rock dominierten die Charts. Die Welt brauchte dringend Abwechslung und lechzte förmlich nach Gefühligkeit, Melancholie, es sollte echt, einfach und unaufgesetzt klingen und die vier grundsympathischen Schotten waren, noch bevor Coldplay auf den Plan traten und letztlich alles zu Tode ritten, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort.



Und heute? Heute hätte der Newcomer Francis wohl nur als Yung Franci$ oder Lil Healey eine wirkliche Chance, seine Art von Folkrock wurde dagegen von einer ganzen Reihe nicht weniger talentierter Frauen erst geentert und später ganz übernommen, so recht vermissen muss Travis also gerade niemand mehr. Umso erstaunlicher ist es, dass der Band das ganz offensichtlich schnurz piep egal zu sein scheint, sie nehmen einfach weiter Platten auf, die so klingen, wie Travis-Platten nach ihrem Verständnis eben zu klingen haben. Neuerungen? Stilwechsel gar? Nö. Das kann man nun für renitent und unklug, vielleicht aber auch für konsequent, ja fast mutig halten, ganz so wie’s beliebt. Und so gibt’s also nach den zwölf Erinnerungen („12 Memories“, 2003) und ein paar mäßig erfolgreichen Zwischenmeldungen nun ganze zehn neue Stücke, diesmal wieder komplett von Healey selbst geschrieben.



Und natürlich kommt das neue Album als Komplettpackung zartester Mann-Frau-Lieder daher: Mal duettiert Healey versonnen mit der wunderbaren Susanna Hoffs von den Bangles („The Only Thing“), mal läuft er am Wasser den Schmetterlingen hinterher und sinniert dabei, wie die Jahre verfliegen – mögen andere ihre politischen Meinungen ausbreiten, Travis kümmern sich lieber um’s Kerngeschäft. Und das heißt: Träumen, wundern, klagen, trösten, lächeln. Healey ist schon lange Vater und singt einmal mehr, als wolle und müsse er seinem Sohn zeigen, dass die Welt gar nicht so schlimm sei, wenn man nur achtsam und liebevoll genug mit den alltäglichen Kleinigkeiten darin umgehe. Und das ist nun sicher nicht die verkehrteste Sicht der Dinge. Verkriechen hat ohnehin keinen Sinn: „It's easier to be alive than hide under your pillow while your life is passing you by“ singt er denn auch in „A Ghost“ beim Anblick seines Spiegelbildes. Und wenn er für „Valentine“ die Gitarren mal so richtig scheppern läßt, dann hat man kurz den Eindruck, der alte Junge hat trotz aller Besinnlichkeit doch noch mächtig Spaß am Leben.

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