Freitag, 30. März 2018

Familienalbum # 27: Weller

Der leere Stuhl, irgendwie auch ein trauriges, ja karfreitägliches Motiv. Paßt also bestens zum heutigen Tag. Gerade haben Weller, Indiepop-Band aus Philadelphia, ihr Albumdebüt aus dem vergangenen Jahr als Re-Release für den 29. Juni beim Label Tiny Engines angekündigt - daraus der Song "Point Of Personal Privilege". Und weil es sich anbietet dazu ein kleines, neues Familienalbum zum Thema unbewohntes Sitzmöbel. Es gibt da ja viele schöne Ideen zu - dies herrlichen Sonnenstühle von Neil Young, das klassische Motiv "Stuhl mit Gitarre" natürlich, Courtney Barnetts Zeichnung oder die Abwesenheit des Stuhls bei Wire. Besonders gelungen ein Fan-Cover zu Johnny Thunders, der schon zu Lebzeiten "So Alone" war, nun aber seine Fans nach dessen Tod noch einsamer zurückließ - rührend. Die Aufzählungen wie gewohnt von links nach rechts und oben nach unten.

Weller "Weller", Herrenmagazin "Sippenhaft", Elton John "The Fox", Shawn Mendes "Treat You Better", Howlin' Wolf "Howlin Wolf", David Gibb and Elly Lucas "Old Chairs To Mend", Courtney Barnett "Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit", Rilo Kiley "Take Offs And Landings", Quilt "Plaza", Neil Young "On The Beach", Oddisee "The Good Fight", Terry Allen "Lubbock", Terry Allen "Bottom Of The World", Actual Music Quartett RSM "AMQ RSM", Klein "Kriminell", Stepson "Echoes In An Empty Room", Wire "Chairs Missing", Johnny Thunders "So Alone"

Miya Folick: Mutmacher

Foto: Grete Hjorth-Johansen
Man singt nicht nur für andere, man singt auch für sich selbst: So ähnlich geht es wohl auch Miya Folick, streitbare Sängerin aus Los Angeles, die erst kürzlich mit ihrer EP "Give It To Me" wieder für Furore gesorgt hat. In der Diskussion über den bedauernswerten Zustand der Welt und dessen Auswirkungen auf sie und ihren Freundeskreis wollte sie sich wohl etwas Mut zusingen und hat deshalb das wunderbare "Deadbody" aufgenommen und gerade geteilt - ein Song, der in seiner Intensität wahrlich unter die Haut geht.

Loma: Musik als Möglichkeit [Update]

Loma
"Loma"

(Sub Pop)

Jede Rezension braucht eine gute Geschichte - diese hier ist gut, aber auch etwas traurig: Jonathan Meiburg, Gründer und Sänger der texanischen Indierockformation Shearwater, hat nicht viel Zeit gebraucht, um sich für die Musik von Dan Duszynski und Emily Cross zu begeistern. Weit reisen mußte er dafür auch nicht, schließlich tourten die beiden unter dem Namen Cross Record im Vorprogramm seiner Band und irgendwann kam er dann mit der Idee um die Ecke, neue Stücke für eine gemeinsame Produktion zu schreiben - die Geburtsstunde von Loma. Dem Debütalbum, das nun erschienen ist, muß man sich mit etwas Geduld nähern, die Stücke sind weit davon entfernt, sich dem Zuhörer auf Anhieb zu erschließen, keine Hits, keine Ohrwürmer, nichts, was man im Vorbeigehen mal einfach so mitnehmen kann. Die drei mischen hier düsteren Folk, Elektronika und Krautrock, eingängige Melodien zwar, aber vertrackte Rhythmen, mal mit wuchtigen Drums, mal fragil und zerbrechlich. Ein treibender, durchgängiger Beat wie bei "Dark Oscillations" und "Relay Runner" ist eher selten zu hören, vieles wirkt gedämpft und eigentümlich distanziert.



Und irgendwann gelangt man dann zum Song "I Don't Want Children", den Cross mit zarter Stimme (die nicht selten an Leslie Feist erinnert) singt, der Text voll bitterer Gedanken: "I don't want children, even though if I did, I would want them from you", es folgt einer Reihe trauriger Vorausblicke in eine Zukunft, von der man ahnt, daß es keine gemeinsame sein kann. Und dazu paßt dann die Nachricht, die man gerade in einem Feature bei NPR lesen konnte, daß nämlich Cross und Duszynski während der Arbeit an ebenjener Platte mehr und mehr Zweifel an ihrer Beziehung kamen, der Abschluss der Aufnahmen markiert so auch die Trennung ihrer Ehe und Duszynskis Ausstieg bei Cross Record. Natürlich gibt es für solche Fälle genügend trostreiche Sinnsprüche, nachdem jedem Ende auch ein Anfang innewohne (der hier Loma heißt). Schmerzlich bleibt es allemal und manifestiert sich letztlich auch in den großartigen, zweifelnden Schlußakkorden von "Shadow Relief" und "Black Willow", dem Eingeständnis, der Erkenntnis, daß man nicht weiß, wie es jetzt weitergehen soll. Diese Musik ist eine Möglichkeit. http://lomatheband.com/

13.06.  Hamburg, Hafenklang
18.06.  Berlin, Musik und Frieden
19.06.  Dresden, Beatpol
21.06.  Wien, Arena

Update: Das neueste Video der Band, diesmal zum Wummern von "Dark Oscillations" - toller Track, einmal mehr!



Donnerstag, 29. März 2018

Louis Berry: Bloß keine Fehler

Natürlich haben wir da Angst vor der George-Ezra-Falle, das geben wir gern mal zu. Obwohl, der Louis Berry ist ja bei weitem nicht so smart wie das Milchgesicht aus Bristol. Aber am Ende postet man zwei, drei wohlwollende (und durchaus ehrliche) Kommentare zu seinen Stücken und dann landet er doch auf der Dauerschleife im Formatradio. Und man selbst will's nicht gewesen sein. Die Musik des kantigen Kerls aus Liverpool kann ja in beide Richtungen ausschlagen, er kann zackige (siehe "Nicole") und sanfte Soulfulness (siehe aktuelle Single "Stumbling"), er hat den Rock'n Roll drauf ("45" und "She Wants Me"), die Gitarre so rough wie die Stimme - schlecht ist das alles nicht. Und jetzt kommt er mit diesen Songs auch noch auf Kurztour nach Deutschland und wir hoffen, daß der Junge bloß keine Fehler macht und möglichst bald mit einem brillanten Album rausrückt.

15.05.  Köln, Blue Shell
16.05.  Hamburg, Nochtwache
18.05.  Berlin, Maze
19.05.  München, Kranhalle

Spielbergs: Alles endlich [Update]

Klar, mit so einem Songtitel wird man Ruhm ernten, Erfolge feiern, schlicht alles abräumen, was zu holen ist: "We Are All Going To Die". Puh, das sitzt. Da möchte man mit Mogwai weiterspinnen "Hardrock Will Never Die But You Will". Zum Thema sind ja schon eine Reihe anderer Statements abgefaßt worden, dieses hier von dem Trio Spielbergs aus Oslo hämmert dankenswerterweise ziemlich kompromißlos, so daß man nicht so bald zum Nachdenken kommt - zumindest für viereinhalb Minuten. Und wem es denn gefallen hat, der besorgt sich ab dem 27. April die komplette Debüt-EP "Distant Star" mit allen fünf Songs. Man weiß schließlich nie, wann genau es einen erwischt.

Update: Hier noch der Titelsong der neuen EP.

Mastersystem: Brüderlich

Natürlich ist das ein bisschen albern, erst einzusteigen, wenn ein bestimmter Name fällt. Um so mehr bei Mastersystem, einer Band also, die ohnehin gleich mal eine Handvoll bekanntester Namen in der Bio stehen hat - Supergroup, you know? Als da wären auf der einen Seite das Brüderpaar Scott und Grant Hutchinson von Frightened Rabbit, auf der anderen das Duo Justin (Editors) und James Lockey, der als Filmemacher auch schon bei den Minor Victories (anderes, ebenso lohnenswertes Kapitel) mit an Bord war. Der Bezug zu Schottland und Glasgow lag auf der Hand, da war dann auch der Kontakt zu Mogwai schnell hergestellt. Und eben jene haben jetzt die aktuelle Single "Old Team" neu abgemischt. Bam! Ganz schön viele Namedropping also, und eine Reihe feiner Songs bis jetzt - wir lassen hier pflichtschuldigst auch mal die offiziellen Stücke "Notes On A Life Not Quite Lived", "The Elightenment" und natürlich das Original von "Old Team" aufmarschieren, das Album "Dance Music" wird dann am 6. April bei Physical Education Recordings erscheinen. Und jetzt: Press Play!




Company Of Thieves: Neustart

Company Of Thieves
"Better Together EP"


Und noch einmal Chicago: Company Of Thieves machten dort schon geraume Zeit von sich Reden, 2007 ist ihr Debütalbum "Ordinary Riches" erschienen, vier Jahr später gefolgt von "Running From A Gamble". Danach wurde es still um die Band, Besetzungsknatsch, Labelsorgen - Sängerin Genevieve Schatz veröffentlichte ihre vergleichsweise poppiges Solo "Show Your Colors", nun ja. Die Rückkehr zum kraftvollen Alternativ-Rock der Anfangstage Marke The Kills war jedenfalls kein Fehler, im vergangenen Jahr gab es mit "Treasure" ein erstes Achtungszeichen, dem nun die EP "Better Together" folgt. Und man darf das ruhig wörtlich nehmen, Company Of Thieves haben sich - mittlerweile in Los Angeles - neuerlich und als Trio zusammengerauft und die aktuellen Stücke (obschon nur drei an der Zahl) können sich durchaus hören lassen. Getragen von Schatz markanter, brüchiger Stimme, entwickeln sie durchaus Hitqualitäten, wobei sich die drei auch mal geschmeidigere Melodien zutrauen - "Windows" beispielsweise wird mit ein paar Soundscapes garniert, die an Filmmusik erinnern und durchaus ihren Reiz haben. On Top gibt es noch zwei Live-Aufnahmen, besonders schön für alle Anhänger, die bei der Fahne geblieben sind, eine stripped-down-Version der älteren Single "Oscar Wilde".

Eine Track-by-Track-Review der Band selbst kann man im Übrigen bei den Kollegen von CoS lesen. 



Mittwoch, 28. März 2018

Boy Pablo: Butterweich

Das ist schon über die Maßen unterhaltsam und noch dazu nicht allzu ungewöhnlich: Aus Norwegens Weiten kommen ja in letzter Zeit - zumindest was die Musik betrifft - ungewöhnlich viele Lichtblicke, stellvertretend seien hier mal Sløtface, Smerz, Sigrid oder Anna Of The North genannt. In die selbe Kerbe hauen jetzt auch die Jungens von Boy Pablo, ein Quintett aus dem Städtchen Bergen. Gabriel, Fredrik, Eirik, Sigurd und natürlich Pablo haben erst im letzten Jahr ihre EP "Roy Pablo" veröffentlicht, allesamt butterweiche, sehr anschmiegsame Poptunes, wie gemacht für lauschige, leicht frivole Sommerabende (doch, die kommen sicher auch in diesem Jahr noch!) oder den Soundtrack für's nächste La-Boum-Sequel. Da gräbt man dann auch mal dieses wunderbare Video zu "Everytime" aus und freut sich einfach, wie unbedarft (s.o.) die Kerle in die tiefstehende Sonne blicken und das Playback nur mit viel Fantasie synchron läuft. Aktueller die Single "Losing You", der Charme ist der gleiche.





Dienstag, 27. März 2018

Sleep Thieves: Angenehm untypisch

Zugegeben, bei diesem Sound denkt man nicht unbedingt an Irland. Die Iren sind ja mehr so die Rock'n'Roller, Freunde der handgemachten, grundehrlichen Gitarrenmucke. Die Sleep Thieves allerdings klingen eher nach skandinavischer Innerlichkeit und Düsternis - dronige Synths, dräuende Stimmen, dumpfe Drums, solche Sachen. Vielleicht Fever Ray. Aber Irland? Schön, wenn man noch überrascht werden kann, denn Sorcha Brennan, Wayne Fahy und Keith Byrne kommen tatsächlich aus Dublin und ihr Sound ist überwältigend. Vor einigen Monaten schon kam via Minty Fresh Records die erste neue Single "Is This Ready?", jetzt das ebenso tolle "Aching Bones" und was soll man sagen - mehr davon!

Dama Scout: Das flüchtige Glück

Wir hatten sie noch nicht vergessen: Dama Scout kamen Ende letzten Jahres mit ihrem flirrenden Gitarrenrock und einer Reihe feiner Singles um die Ecke. Die schottische Band, bestehend aus Eva Liu (Gesang, Gitarre), Luciano Rossi (Bass, Keyboard) und Schlagzeuger Danny Grant haben dann auch nicht lange gebraucht, um über die Stadtgrenzen von Glasgow hinaus bekannt zu werden, sie tourten ausgiebig und galten als Dauerkinder alternativer Radiostationen. Nun ist also ihr neues Stück "Milky Milk" erschienen, sie selbst sagen zum Song: "Milky Milk is a song about making the most of fleeting happiness and accepting its irregularity." Sehr schön, für den Moment jedenfalls...

Soccer Mommy: Mächtig Spaß

Auch wenn uns die wunderbare Sophie Allison alias Soccer Mommy einen großen Gefallen noch schuldig ist - wir hätten sie ja zu gern auf Deutschland-Tour zusammen mit Hockey Dad gesehen! - so gibt es von ihrer kürzlich erschienenen neuen Platte "Clean" wenigstens ein neues Video zu sehen. "Cool" ist natürlich in Teilen auf einem soccer field aufgenommen, dazu feiert sie mit ihren Jungs jede Menge Erinnerungen und hat also sehr viel Spaß.

Montag, 26. März 2018

Launder: Hilfe zum Träumen

Eigentlich ist es einer, dann zwei und hier dann drei: Launder ist ein Powerpop-Shoegazing-Mashup, initiiert von John Cudlip aus Los Angeles, unterstützt durch Zachary Cole Smith (DIIV) und für die vorliegende Single zudem von Stephanie Sokolinski aka. SoKo, Sängerin und Schauspielerin aus Bordeaux. Am 27. April soll die EP "Pink Cloud" erscheinen - von den fünf Stücken sind neben "Keep You Close" auch "Annie Blue" und "Fade" bei Bandcamp zu hören.



7Chariot: Gefahr im Verzug

Vorbilder jedenfalls hat sie genug: Schaut man sich das Facebook-Profil von Claire Wilkinson aka. 7Chariot aus Nashville an, dann stehen dort ein paar Namen, die nicht nur für eine 20jährige Newcomerin wie sie schon einen bedeutenden Klang haben - Lorde, Grimes, BANKS, Fiona Apple und Amelia Meath (Sylvan Esso). Lauter honorige Künstlerinnen also, die wie Wilkinson selbst mindestens ein bestechendes und insofern auch gemeinsames Merkmal aufweisen: Eine beeindruckende Stimme. Mit dieser veredelt die junge Dame also ihren LoFi-Pop, vor ein paar Monaten die Single "Ricochet", gerade den Nachfolger "Danger In Me". Manchem kommt vielleicht auch der Song "No Roots" in Erinnerung, mit dem Alice Merton vor einem Jahr die Charts stürmte, gefährlich (also gefährlich gut) klingt es allemal.

Sonntag, 25. März 2018

Fufanu: Aufgespürt [Update]

Fufanu
„Sports“

(One Little Indian)

Man möchte es gern noch einmal erwähnen: Wer immer noch behauptet, die Geschichte der isländischen Rock- und Popmusik beschränke sich auf drollige Elfengesänge und garstigen Deathmetal, muß sich zu Recht der böswilligen Ignoranz bezichtigen lassen und selbst der Einwurf, mit Gus Gus, Björk und Sigur Rós gäbe es ja ein paar hörenswerte Ausnahmen, liegt schon lange nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Bestes Beispiel: Seit einiger Zeit darf man dem kleinen Inselstaat auch den Post-Punk zuschlagen, spätestens mit Kaktus und Guðlaugur "Gulli" Einarsson und ihrer Band Fufanu ist die Verbindung von Coolness und Tristesse zumindest in der Hauptstadt Reykjavik angekommen. War das erste Album des Trios „Few More Days to Go” noch so eine Art Rohdiamant, entfaltet sich das Talent der Herren auf dem Nachfolger „Sports“ nun zu voller Blüte.



Das wiederum kann natürlich auch daran liegen, daß ein gewisser Nick Zinner, hauptberuflich Gitarrist der New Yorker Indie-Kapelle Yeah Yeah Yeahs und nebenher noch Fotograf, Produzent und Spürnase aus Leidenschaft, schon am Debüt Gefallen gefunden hatte und nun kräftig am neuen, deutlich elektronischeren Sound von Fufanu mitgedreht hat. Kompakter, direkter kommen sie also daher, die Stücke sind mit trockenen, meist dunklen Beats verbaut, ein paar schiefe, schlingernde Synthloops und Kaktus Einarssons schnoddrige Stimme tun ein Übriges, damit Fufanu dem Hörer zwar interessant, aber bloß nicht zu sympathisch erscheinen. Warum nun gerade der Sport zum Thema des Albums gewählt wurde, erschließt sich einem nicht so recht – Island ist nun nicht als olympische Nation bekannt und neben unserem ehemaligen Handballtrainer und ein paar lustig benamsten Fußballern, die laut Huh! brüllen können, fällt einem so recht keine Berühmtheit ein. Für Fufanu kein Problem, sie meinen zur Begründung: „Athletes are always competing against themselves and so are we in our music”. Ah ja. Ein bisschen Ironie dürfte auf dem Coverfoto aber dennoch mitschwingen. Eine tolle bleibt es ohnehin, Anspieltips neben dem Titelsong und der Single „Bad Rockets“ in jedem Fall die Tracks „Tokyo“ und „Liability“, so etwas wie die Essenz des neuen Sounds. http://www.fufanu.net/

Update: Video-Update zu unseren isländischen Post-Punk-Helden - nach "Tokyo" kommt nun der Clip zu "Gone For More" ins Netz.



Samstag, 24. März 2018

NONONO: Nicht mehr aus dem Kopf

Gut, Steve Albini wird sie nicht mögen, soviel ist schon mal klar. Gerade durften wir lesen, daß der Mann, den Freunde gutgemachter Gitarrenmusik mit Recht als Produzentengott verehren, mit Pop, sei er auch noch so perfekt, nichts anzufangen weiß: "Mit einer Knarre gegen den Kopf, ich könnte NICHTS über diese Musik sagen." Bei aller Wertschätzung - es werden ihm einige schöne Momente entgehen in diesem Leben. Und vielleicht auch NONONO aus Schweden. Stina Wäppling, Tobias Jimson und Michel Flygare landeten 2014 mit ihrem Debüt "We Are Only What We Feel" einen krachenden Debütantenerfolg, die folgenden drei Jahre waren dann mit Remixen, Touren, TV-Auftritten ausgefüllt, bis Ende 2017 mit "Masterpiece" das erste neue Stück auftauchte. Kurz darauf der "Lost Song" und nun die Single "Friends", zu der wir hier auch ein Video zeigen können. Stilistisch unterscheiden sich die drei Tracks ziemlich stark voneinander, gemeinsam ist ihnen die Eingängigkeit - man bekommt sie so schnell also nicht mehr aus dem Kopf.



Freitag, 23. März 2018

International Music: Schwerwiegend

Schon wenn man es hinschreibt, reut es einen ein bisschen, weil man bei denen nicht weiß, ob man ihnen nicht mächtig auf den Leim gegangen ist. Aber es sind die Fakten, die zählen, und die wiegen nun mal mindestens so schwer wie ihr aktueller Song: International Music kommen aus dem Hause Staatsakt (also: Persilschein), ihr erstes Album "Die besten Jahre" ist ein Doppelalbum (spricht für: Mut und/oder Größenwahn) und wurde von Olaf Opal (spricht für: Geschmack und Sachkenntnis) produziert und stehen offensichtlich auf Velvet Underground, Jesus And Mary Chain und deutschen Krautrock (spricht für: traurige Kindheit). Alles zusammengenommen gibt ein schön schiefes Bild, so schön, wie Perdo Goncalves Crecenti, Peter Rubel und Joel Roters auf dem Cover ihrer Platte aussehen. Die Jungs stammen übrigens aus Essen (oder war's La Düsseldorf?), mit "Für alles" (ganz neu), "Mama, warum?" und "Country Girl" gibt es hier jedenfalls schon mal drei der neuen Songs vorab, der Rest folgt dann 27. April.

27.04. Essen, Südrock
02.05. Hamburg, Pudel
03.05. Rostock, M.A.U. (Kneipe)
04.05. Berlin, Internet Explorer
08.05. Dresden, Groovestation
15.05. Leipzig, Ilses Erika
17.05. Köln, Baumann & Sohn
18.05. Mainz, Schon Schön (mit Das Paradies)
19.05. Bonn, Kult41

Update: Die hübsche Videosammlung wollen wir heute mit dem Clip zum Song "Cool Bleiben" vervollständigen und wie man schnell hören wird, reißen IM damit die drei wichtigsten Themen dieses verstörenden Lebens an.







Diamond Thug: Allerspätestens [Update]

Sie haben uns auf diese Nachricht dann doch recht lange warten lassen: Diamond Thug, Popquartett aus Südafrika, hat ja in den letzten Monaten mit reichlich vorzüglichem Singlematerial von sich hören lassen, nun gibt es endlich auch ein vagen Termin für das langerwartete Albumdebüt. Voraussichtlich am 6. April soll "Apastron", so der Name, endlich im Regal stehen, den ersten Vorabtrack "Choo Choo" gibt es hier samt Coverart schon mal vorab.

Update: Und hier kommt mit "Sapphire" die zweite Single vom Debüt.





Donnerstag, 22. März 2018

Preoccupations: Ganz unten

Preoccupations
„New Material“

(Jagjaguwar)

Manchmal sind die klaren Worte die besseren, für’s Verständnis hilfreichen und Matt Flegel, Sänger der Post-Punk-Band Preoccupations, macht auch gar keine Anstalten, hier etwas beschönigen zu wollen: "It's an ode to depression and self-sabotage and looking inward at yourself with extreme hatred”, meint der Mann zur Ausrichtung des dritten Albums, allerdings läßt er offen, was genau ihn zu solch einer düsteren Höchstleistung bewogen hat. Als US-Amerikaner wäre ihm natürlich die handelsübliche Wildcard, der Trump-Faktor also, sicher gewesen für den pechschwarzen Lyrik-Wettbewerb, aber Flegel ist Kanadier und als solcher in vergleichsweise mildem politischen Klima beheimatet. Sind es dann doch die globale Schieflage oder eher private Untiefen, durch die er sich müht – es wäre Spekulation und somit unzulässig. Festhalten darf man jedenfalls, daß Flegel der Dunkelheit und dem Leiden eine Kunst abzuringen vermag, die weder plump noch eintönig ist, sondern ob ihrer Vielfalt fasziniert.



Das beginnt beim Sound von “New Material”: Auch wenn der einem an vielen Stellen angenehm bekannt vorkommt – schon die beiden vorangegangenen Platten waren ja voll von Post-Punk- und Goth-Zitaten – man nimmt die Anklänge bei Joy Division (hier besonders “Espionage” und “Solace”) und Bauhaus aber nicht als störend, sondern bereichernd wahr, zumal die Preoccupations dem gewohnten Mix aus schiefen Synthloops, sattem Basslauf und scheppernden Gitarren immer genau jene Menge Ideen hinzufügen können, die sie vom Ruch der bloßen Kopisten befreit. Federführend hier natürlich Multiinstrumentalist Steve Munro: “My ultimate goal would be to make a record where nobody knows what instrument is playing ever and I think we’ve come closer than ever, here. It schouldn’t sound robotic – it should sound human, like people playing instruments. It’s just maybe no one knows what they are”, diktierte er seinem Label und man will ihm uneingeschränkt beipflichten.



Auch bei den Videoarbeiten zeigte und zeigt das Quartett ein ums andere Mal konzeptionellen Mut und Treffsicherheit – Kevan Funk, Brook Linder, Valentina Tapia und Yoonha Park sprechen allesamt in starken Bildern und selbst Nathan David Smith, der eigentlich nur das Covermotiv von Marc Rimmer für den Eröffnungssong in Szene setzt, reiht sich hier bestens ein. Eben dieses Motiv, das wie ein Foto anmutet, jedoch eine Collage ist, läßt sich natürlich trefflich deuten – bei jedem Schritt trifft man neue Formen, neue Möglichkeiten, Überraschungen, Herausforderungen, wann und wie man weiter- oder herauskommt, weiß man wohl erst, wenn man den Schritt hindurch wagt. Flegel sieht die Sache nicht ganz so erbaulich und optimistisch, schon der knappe Mehrzeiler “Doubt” läßt eher auf eine sehr ausgeprägte Schwermut schließen: “Falling in and out of line, I don't understand what everybody's waiting for, falling in and out of time and everything is black and white like a domino. With doubt we comply, they ask and we supply, the cells divide and multiply. And we can't help ourselves.” Trotzdem oder deshalb – wieder ein bemerkenswertes Album.  http://preoccupationsband.com/

07.06.  Berlin, Musik und Frieden
04.07.  Hamburg, Molotow

Mittwoch, 21. März 2018

Jinka: Anderer Blickwinkel

Musik kann bekanntlich vieles - sie kann auch Wahrnehmungen ändern: Bislang dachte man beim Begriff "Transylvanien" an düstere Gestalten mit spinnenartigen Fingern, schwarzen oder blutroten Capes und natürlich besonders langen Eckzähnen, Roman Polanski und Bram Stoker lassen grüßen. Seit Dezember letzten Jahres wird der Blick aber auch gern mal in Richtung Pop gelenkt, verantwortlich dafür die rumänisch-stämmige Wahlberlinerin Jinka, die mit ihren fein verbastelten Tracks aufhorchen ließ. Nun ist sie mit "Countdown Forever", ihrer neuen Single, zurück im Geschäft und erfreulicherweise hat der Sound nichts von seinem Reiz verloren.

Dienstag, 20. März 2018

Kreisky: Bitterer Nachgeschmack

Kreisky
„Blitz“
(Wohnzimmer Records)

Eigentlich hatten wir uns doch wunderbar eingerichtet. Zwischen dem besoffenen, morbiden Scheißegal-Rock von Wanda und der ultracoolen, exaltierten Pop-Pose eines Maurice Ernst und seinem Bilderbuch. Alles schön übersichtlich, entweder schöner leiden oder besser feiern, das hatten sie beides fein raus da drüben und weh getan hat’s auch nicht. Mit Kreisky geht das nicht mehr so einfach. Kein Schmäh, keine zarte Ironie, von Coolness ganz zu schweigen – Kreisky sind garstig, Mitleid haben sie nur mit sich selbst, ihr Witz ist giftig, der Ton hart, die Gitarren laut und schief. Der knallig gelbe, geschlitzte Fontana-Look ihres fünften Albums passt deshalb wunderbar zur Stimmung desselben. Sie finden auch ohne die große Politik – und die gäbe dieser Tage daheim weiß Gott genügend Futter – passenden Stoff für ihre ätzenden Verse.



Song um Song durchmessen sie das Schmierentheater gepaarter Unzulänglichkeiten (und oft genug merkt man erst spät, daß man hier über sich selbst lacht). Mit der kleinteiligen Beschreibung der Trennung („Bauch Bein Po“) fällt die sorgsam gehütete Fassade, zeigen sich Ödnis und Abscheu, später dann Selbstekel („Veteranen der vertanen Chance“), Trotz („Ein braves Pferd“) und späte Scham („Saalbach-Hinterglemm“). Der Abgesang auf vergangene Zeiten hat so gar keine nostalgische Wehmut, keine Patina, kein Trost, sondern steckt voller Frustration und Groll: „Der Lärm und die Mädchen und unser ganzes schönes Europa: Das ist alles weg“, und weiter: „Jetzt stehe ich da: Ein Depp des 20. Jahrhunderts.“ Kreisky machen Lieder, die wirklich weh tun wollen, selbst die kleinste Gefälligkeit sucht man bei ihnen vergeblich. Der Nachgeschmack ist bitter und doch kommt man nicht los davon – die wahre Wiener Schule. http://www.kreisky.net/

12.04.  Graz, PPC
13.04.  Innsbruck, PMK
14.04.  Linz, Stadtwerkstadt
19.04.  Wien, WUK
07.05.  München, Milla
09.05.  Hamburg, Häkken
10.05.  Berlin, Kantine Berghain
11.05.  Köln, Subway
12.05.  Stuttgart, Merlin
16.05.  Wien, Rabenhof
17.05.  Wien, Rabenhof
14.06.  Nürnberg, Stereo

Hinds: Leichte Entscheidung [Update]

Buenas noticias de Madrid: Die Hinds, spanisches All-Girls-Quartett, haben eine neue Platte fertig. Der Nachfolger für "Leave Me Alone" aus dem Jahr 2016 soll den Titel "I Don't Run" tragen und am 6. April im Laden stehen. Dass die vier Mädchen das Motto wörtlich nehmen, kann man auch gut im Video zur ersten Single "New For You" erkennen, denn dort stolpern sie mehr schlecht als recht dem Ball hinterher und es wird schnell klar, daß sie wohl besser singen als kicken können.

26.04.  Hamburg, Molotow
27.04.  Berlin, Bi Nuu
29.04.  Zürich, Mascotte

Update: Es bleibt, naja, sportlich - die Hinds legen mit der nächsten Single "The Club" nach, natürlich auch mit schönem Filmmaterial aus dem Reisetagebuch der Band.



Acht Eimer Hühnerherzen: Lieber linke Gerade [Update]

Acht Eimer Hühnerherzen
„s/t“
(Destiny Records)

Nicht wissen und rätseln ist manchmal viel schöner als die genaue Kenntnis eines Sachverhalts. Sicher könnten wir recht schnell herausbekommen, woher denn der irre komische Bandname von Acht Eimer Hühnerherzen stammt. Wir könnten andererseits aber auch ein bisschen spekulieren. Darüber, daß sich die Kreuzberger Punk-Kapelle vielleicht in direkter Erbfolge zu den mindestens ebenso abgefahrenen Drahdiwaberl aus dem Wien der 70er sehen, die ja ihrerzeit schon manches Konzert vorzeitig wegen fliegender Hühnerteile abbrechen mussten. Oder aber die vier betrachten sich als fleischfressenden Gegenentwurf zur Ostberliner Formation 1000 Tonnen Obst, die vor der Wende anders und danach leider schnell verschwunden waren. Wie man sieht gibt es eine ganze Reihe möglicher Herleitungen, die in direkter Konkurrenz zur tatsächlichen stehen könnten.



Ziemlich sicher ist aber, daß die Band mit derlei Wortdrechseleien nicht sonderlich viel am Hut hat. Hört man sich ihre aktuelle Platte an, dann bevorzugen Apokalypse Vega, Herr Bottrop  und Bene Diktator eher die trotzig-rotzige Attitüde, den schnellen Spruch und die Wirkungstreffer der linken Gerade. Viele Geber-Qualitäten also, die das Trio zu bieten hat – man schrammelt sich zu unterhaltsamen bis bösen Wortbildern angenehm flott durch’s Programm, liebt das Mittelmass, den heimatlichen Dialekt, die Welt vor der Haustür und Eis jeder erdenklichen Sorte. Von den vier “f” sind frisch, fröhlich und frei immer mit dabei, wem das nicht reicht, den schicken die Herzchen mit einem knackigen “Fick Dich selber und Bye-Bye!” wahlweise zum Meditieren nach Murmansk oder gleich zu Leder-Helene. Saubere Sache ditte, sa’ck ma.

Update: Es gab ja im Osten Deutschlands schon zu ummauerten Zeiten einige Städte, denen eine gewisse Uncharmantheit anhing - triste Industriekäffer, seelenlose Arbeitersiedlungen, solche Sachen. Alles Quatsch natürlich, aber wenn der Ruf erst ruiniert ist... Bitterfeld, Schwedt, Frankfurt an der Oder zählten dazu - und auch Eisenhüttenstadt. Selbiges spielt bei Acht Eimer Hühnerherzen eine tragende Rolle - reinhören!

Montag, 19. März 2018

Queens Of The Stone Age: Bleibt gut

Okay, wir hatten ja fast schon vergessen, wie gut ihr letztes Album war: Schuld daran war wahrscheinlich auch der reichlich maue Tour-Auftritt der Queens Of The Stone Age (zumindest in München) - "Villains" bleibt dennoch eine ihrer besten Platten in years und deshalb ist auch das aktuell nachgereichte Video zu "Head Like A Haunted House" unter Regie von Liam Lynch den Hinweis wert. Unterhaltsame dreieinhalb Minuten, nicht weniger.

Ganser: Der diskrete Charme der Mobilität

Da darf man auch ruhig mal ungeduldig die Tage zählen: Am 20. April erscheint endlich "Odd Talk", das Debütalbum der Noisekapelle Ganser aus Chicago. Wir haben sie hier schon ausführlich gelobt (und nichts davon war gelogen oder übertrieben), nach der ersten Single "PSY OPS" gibt es heute natürlich die zweite obendrauf. "Avoidance" präsentiert Männerträume auf vier Rädern in hübschen Retrofilmchen - "the faint hum electric, it murmurs of meaning"...

Seinabo Sey: Zeitgemäß

Es gibt tatsächlich Menschen, die halten die Gebrüder Matt und Luke Goss für nachhaltige, erinnerungswürdige Größen im Popgeschäft. Keine Ahnung, wer das ist? Okay, besser bekannt waren die beiden Ende der Achtziger unter dem Namen Bros und zwar für ihre zweieinhalb Hits "I Owe You Nothing" und "When Will I Be Famous?" Der Fairness halber muß man erwähnen, daß sie es im Heimatland England (sie stammen aus dem südenglischen Städtchen Camberley) mit allen drei Alben in die Top 20 geschafft haben, sie galten lange Zeit als die einzig legitimen Nachfolger von Siegfried und Roy, Right Said Fred und die Vorwegnahme von Jürgen und Zlatko, noch dazu haben sie der Kombi aus Jeans- und Lederjacke damals zu neuem Auftrieb verholfen. Warum wir das erwähnen? Nun, gerade hat die Künstlerin Seinabo Sey eine neue Single namens "I Owe You Nothing" - ausdrücklich keine Coverversion! - veröffentlicht und damit den Nachfolger ihres Albums "Pretend" aus dem Jahr 2015 angekündigt. Und der Song paßt so gut in die heutige Zeit wie der von Bros damals, auch wenn beide einen komplett anderen Kontext haben. Zum aktuellen Song übrigens gibt es auch noch eine passende B-Seite mit dem Titel "Remember", was wir ja hiermit getan haben. Wenn auch nicht ganz im angestrebten Sinne...



Bloc Party: Wiedervorlage

Der Montag kommt naturgemäß etwas langsamer aus den Puschen als die restliche Woche und so passiert es, dass sogar das Folgende schon eine Meldung ist: Kele Okereke wird zusammen mit seiner Bloc Party das machen, was schon andere vor ihm taten - im Herbst diesen Jahres kommt er für einen Termin nach Deutschland und wird dort mit der aktuellen Besetzung seiner Band das Debütalbum "Silent Alarm" (2005) in Gänze nachspielen. Nun ja, wie gesagt, nicht so die Hammernews, aber weil die Platte damals tatsächlich ziemlich frisch und neu klang, wollten wir das wenigstens mal erwähnt haben.

18.10.  Berlin, Columbiahalle

Sonntag, 18. März 2018

St. Tropez: Einladung an alle

Der Punk ist zurück in Holland - zumindest, was St. Tropez betrifft. Das Quartett, 2016 mit dem selbstbetitelten Debüt erfolgreich, veröffentlichte im letzten Jahr seine EP "Debate" (u.a. mit der Single "Fake It" unten). Nun soll bald das nächste Album folgen, aus diesem dürfen wir schon mal die Vorabsingle "Down" hören. Im Mai werden die vier übrigens in den Central-Station-Studios in Amsterdam ein kleines Experiment wagen, ihrer Einladung werden dorthin verschiedene Solokünstler und Bands folgen, die dann zusammen mit Kindern und Erwachsenen, Fachleuten und Autodidakten mit Sounds und Instrumenten experimentieren sollen, was dabei herauskommt, wird wohl für alle Beteiligten eine große Überraschung werden.



Freitag, 16. März 2018

Our Girl: Hoffnung auf mehr

Wo wir gerade bei lauten Gitarren sind, darf natürlich auch das Trio Our Girl aus Brighton nicht fehlen. Im Februar schon wurde deren gleichnamige EP veröffentlicht inklusive der B-Seite "Sleeper", jetzt schicken Soph Nathan, Josh Tyler und Lauren Wilson ein Video hinterher - aufgenommen im Studio, produziert und gefeatured von Bill Ryder-Jones (The Coral). Ob am Ende der vielen EP, die Our Girl bislang aufgenommen haben, bald ein Album steht, war auf die Schnelle noch nicht herauszubekommen.



Donnerstag, 15. März 2018

Breichiau Hir: Ganz eigen

Erst kürzlich haben wir hier den Mut des walisischen Trios Adwaith gelobt, ausschließlich in ihrer Landessprache zu singen, schließlich nahmen und nehmen die drei Mädchen damit in Kauf, um der Authentizität willen auf einen erweiterten Hörerkreis zu verzichten. Auf dem gleichen Label beheimatet, lässt sich Gleiches auch von Breichiau Hir, einem Post-Hardcore-Sextett aus Cardiff sagen. Gerade ist von den Herren eine Doppel-A-7" erschienen, darauf finden sich die beiden Brecher "Mewn Darnau" und "Halen", offizieller Release-Termin via Libertino Records ist der 6. April.

Wax Chattels: Strangeways here they come

Wenn man es nicht beschreiben kann, sollte man es lieber lassen. Oder das wenige ausweisen, was verbürgt ist. Bei den Wax Chattels aus Auckland, Neuseeland, ist das zum Beispiel so - drei Songs kann man sich bislang von ihnen anhören und alle drei klingen sehr verschieden und kaum definierbar. Peter Ruddell, Tom Leggett und Amanda Cheng sagen derweil selbst über sich, sie spielen "guitarless guitar music", was eben daran zu erkennen ist, daß sie zwar Bass, Keyboard und Drums besetzen, aber mehr eben auch nicht. Und so poltern oder wabern sie, je nach Auswahl, und überlassen die genauere Kategorisierung lieber ihrem Publikum. Das selbstbetitelte Album erscheint dann am 18. Mai bei Captured Tracks - hier finden sich schon mal die Stücke "Stay Disappointed", "In My Mouth" und die Hommage an Schauspielerin Gillian Anderson - eben: "Gillian".



Mittwoch, 14. März 2018

The By Gods: Mehrfachnennung

Da kann jetzt jeder selbst entscheiden, welchen Namen man in die Liste der Vorbilder einträgt (unabhängig von der Band selbst), aber eines ist klar - die Pixies dürften recht häufig genannt werden: Das Trio The By Gods aus Nashville spielt einen ziemlich lauten Garage-Rock straight from the Nineties, und zwar ziemlich gut. Gerade haben Tye Hammonds und das Ehepaar Natalie und George Pauley ein Video zu ihrem letzten Song "Wait Up" geteilt und wem die niedlichen Hunde darin auch noch gefallen, ist den dreien im besten Sinne auf den Leim gegangen - denn genau darum ging's bei "Wait Up". Im vergangenen Jahr haben sie übrigens ihr Album "Move On" veröffentlicht und das gibt es zum weitere Faktencheck hier gleich mit dazu.



SOHN: Anfang ist gemacht

Damit geht es ja meistens los. Also, auf Facebook jedenfalls. Mit der Meldung "hat sein Profilbild aktualisiert" fängt das Hufescharren an, darf man auf mehr hoffen, vielleicht. Jedenfalls hat auch Christopher Taylor aka. SOHN gerade ein neues Foto gepostet und weil der Mann weiß, was sich gehört, hat er gleich noch zwei neue Songs drangehängt. "Hue" und "Nil" sind die ersten beiden Lebenszeichen seit dem fabelhaften Album "Rennen", das im Januar 2017 erschienen ist. Tatsächlich gibt es auch schon ein paar Konzerttermine des Künstlers, wäre ja zu schön, wenn dem auch bald ein neues Album folgen würde.

01.05.  Zürich, Kaufleuten
02.05.  Lausanne, Les Docks
03.05.  Dornbirn, Spielboden
04.05.  Linz, Posthof
13.05.  Stuttgart, Im Wizemann



Ought: Keine Grenzen, heilige Wut

Ought
„Room Inside The World“

(Merge)

Wer seine frühe Jugend auch als dürrer Schlaks verbracht hat, der schaut gerade mit Bewunderung und wohl auch ein wenig Neid auf Tim Darcy, Sänger der kanadischen Kapelle Ought. Denn es ist ja nun mal so, daß man sich in dieser Zeit selten sehr wohl in seinem Körper fühlt, alles irgendwie zu lang geraten, kaum zu koordinieren und die Klamotten, die man dazu auswählt, können einfach nicht passen. Jahre später empfindet man beim Blick auf die Fotos dieser Zeit eigentlich nur Scham. Gut möglich, daß Darcy das erspart bleiben wird, denn nach nunmehr drei erfolgreichen Alben und einem fast noch famoseren Solodebüt sieht es ganz danach aus, als müsse sich der Junge seiner Vergangenheit später keineswegs schämen. Und das liegt nicht an der Kleiderordnung. Sondern zu großen Teilen an seinem unleugbaren Talent, richtig gute Songs zu schreiben und dazu noch den Post-Punk zuvorderst nicht als Nische für schwarzumrandete Blaupausen des tausendundeinsten Joy-Division-Hear-A-Like-Contests zu verstehen, sondern als Chance, die vielfältigsten Einflüsse der frühen 80er mit dem Indiesound von heute zu verbinden.



Hat er schon immer gemacht. Deshalb klingen die drei Platten auch so angenehm unterschiedlich. Das Debüt noch suchend, indifferent, der Nachfolger ein harscher Gitarrenkracher, windschief und laut. Für sein Solowerk belieh Darcy schon überaus gekonnt Ikonen wie David Bowie, Bryan Ferry und vor allem Lou Reed, diese standen nun für „Room Inside The World“ erneut Pate. Seine herrlich verbeulte Stimme tut ein Übriges dazu, so daß die neun Songs ein erstaunlich großes Feld aufziehen, auf dem sich Darcy zusammen mit seinen Kollegen Matt May (Keyboard), Ben Stidworthy (Bass) und Tim Keen (Drums/Violine) weidlich austoben können. Während der Opener „Into The Sea“ im genretypischen Sinne tatsächlich noch traditionell gebaut ist, schwankt die Single „Disgraced In America“ zwischen den Strokes und Velvet Underground. Ein erster Höhepunkt dann „Disaffectation“, ein zorniges Stück gegen alles, was die Wachheit beeinträchtigt und die Wut betäubt: „Disaffection is holy, it makes me feel alive and I'll do it again!”



Die Wandelbarkeit geht so weit, daß Ought auch das Hymnische, Weihevolle nicht scheuen und in seltenen Momenten sogar etwas U2-haftes bekommen – etwa beim wunderbaren „Desire“. Im Videoclip findet ein junger Mann sein zweites Ich als Drag-Queen, Darcy croont zum Herzerweichen und im Hintergrund jubiliert das vielstimmige Ensemble Choir! Choir! Choir! aus Toronto, das muß man sich erst mal trauen. Berührungsängste kennen Ought jedenfalls keine, auf den Krach folgt die zarte Ballade, zwischendrin taumeln Sound und Gesang auch mal unschlüssig und weitläufig (“Pieces Wasted”) durch die Gegend und man hat trotzdem Freude daran. Zwischentöne sind das Maß der Dinge, im Text wie im Ton: “[It's] not like we have an answer or anything like that, but working within grey areas and the angst that comes from that as a person, thinking about the world and also how to still be productive, still care about people and figure out your own shit.” Viel passender als Darcy gegenüber dem Netzportal The Skinny kann man ihre Arbeit kaum beschreiben, man hat wahrhaftig schon weitaus ödere Statements in diesem Alter gelesen. Not that bad, lad!

30.04.  Lausanne, Le Romandie Rock Club
01.05.  Winterthur, Albani
03.05.  Köln, Bumann und Sohn
04.05.  Berlin, Kantine Berghain

Willie Nelson: Der letzte seiner Art [Update]

Der letzte macht das Licht aus - was witzig gemeint ist, kommt nicht bei jedem gleich gut an. Willie Nelson zum Beispiel wird im April fünfundachtzig und hat schon viele seiner Freunde, wie er singt, auschecken sehen - Merle Haggard, Waylon Jennings, Johnny Cash, all gone, er möchte nicht unbedingt der letzte seiner Art sein. Gleichwohl ist er neben Kris Kristofferson eine der letzten noch lebenden Country-Legenden und am 27. April wird er seinem Werk ein weiteres Album hinzufügen. Dann erscheint, in Zusammenarbeit mit seinem Kompagnon Buddy Cannon, seine neue Platte "Last Man Standing" und im Titelsong heißt es: "If you don't mind I'll start a new line and decide after thinking it through, go on in front if you're in such a hurry, like hell, it ain't waiting for you. I don't wanna be the last man standing, on second thought maybe I do", und später weiter: "Maybe we'll all meet again on the other side, we'll pick and sing, load up the buses and ride." Wollen wir hoffen, daß sich auch noch einige Busladungen zum "Problemkind Gottes", wie er sich selbst genannt hat, aufmachen können, er ist ja die nächste Zeit wieder unterwegs, im Juni angeblich auch für drei Termine in Deutschland.

Update: Hier kommt mit "Me And You" ein weiterer Song vom neuen Album



Dienstag, 13. März 2018

Belly: Mit Feuerszungen [Update]

Schön, wenn das Kind dann endlich auch einen Namen hat: Daß Tanya Donelly zusammen mit ihrer Band Belly nach mehr als zwanzig Jahren ein neues Album plant, hatten wir hier ja schon erwähnt - damals kam mit "Hushabye Mountain" ein Coversong als erstes ernstzunehmendes Lebenszeichen daher. Nun soll es also "Dove" sein und tatsächlich atmet die Verpackung ein wenig von diesem neutestamentarischen Feuerszungen- und Heiliger-Geist-Ding. Ebenso dazu paßt natürlich auch der Titel der ersten Single "Shine One", auf die restlichen zehn Songs werden wir aber noch bis zum 4. Mai warten müssen.

Update: Na gut, das Video zum Song (Regie: Chris Gorman und Jack McKenna) ist dann nicht mehr ganz so Holy Ghost...



The Sea And Cake: Nicht nur für Kritiker

Was für ein komischer Satz das ist: "Die Band stößt vor allem bei Kritikern auf positives Echo". Manchmal fragt man sich wirklich, wer die Texte bei Wikipedia verfasst bzw. verfassen darf. Manches Mal hat man den Eindruck, da hat ein übereifriger Fanboy einen Unsinn verzapft, an anderer Stelle klingt es wieder, als hätte die Putzkraft schnell noch ergänzt, wo die Praktikanten unvollendet blieben. Na gut, jedenfalls reden wir hier von keiner geringeren Band als The Sea And Cake und die haben doch nun wahrlich einen sehr großen und auch treuen Anhang im Laufe ihrer fünfundzwanzigjährigen Karriere um sich gescharrt. Das letzte Album "Runner" wurde 2012 veröffentlicht, um so erfreulicher ist die Meldung, daß am 11. Mai ein weiteres folgen soll - "Any Day" erscheint bei Thrill Jockey und der Titelsong ist nun wirklich ein wahrer Ohrenschmauss. Und zwar nicht nur für Kritiker...

31.05.  Berlin, Frannz Club
01.06.  Frankfurt, Zoom
04.06.  Köln, Luxor

Montag, 12. März 2018

Peter Kernel: Scheitern als Chance

Peter Kernel
„The Size Of The Night“
(On The Camper Records)

So manchem reicht ja schon der Hinweis „Experimental-Musiker trifft Experimental-Filmerin für gemeinsame Platte“, um dankend abzuwinken, nicht ohne noch hinterherzurufen, daß das ja ohnehin nur etwas für Kopfgesteuerte und Freaks sein könne. Falsch gedacht. Denn obschon Aris Bassetti und Barbara Lehnhoff mit den genannten Professionen (sie Kanada und Film, er Schweiz und Musik) zur Gattung „schräge Vögel“ zu zählen sicher kein Fehler ist, sollte man ihrem neuen Album ruhig ein paar Minuten mehr Gehör schenken und die Vorurteile besser beiseite lassen. Denn tatsächlich mischen die beiden für diese Platte wieder auf höchst reizvolle Weise Psych-, Krautrock und ein bisschen No-Wave miteinander – kerniger Noise, satte Bassgitarren, meistenteils perkussiv arrangiert, das marschiert ganz ordentlich. Sicher gibt es bewusst gesetzte Pausen, Tempowechsel, Flötentöne und auch atonale Einschübe, damit die Stücke nicht zu mediokrem Rockgedudel verkommen und die Spannung halten können.

Aber gerade mit Lehnhoffs wandelbarer Stimme, die von zart bis zornig agiert, entfalten die Songs Schicht um Schicht und Takt um Takt eine bemerkenswerte Kraft. Und das passt bestens zum sehr speziellen Thema des Albums, dessen Ursprung man gern noch einmal zitieren möchte: "Es gibt keine Gebrauchsanweisung, um uns an Fehlern zu hindern, Menschen um uns herum nicht zu verletzen oder auf die vollkommene Art und Weise zu lieben. Wir leben nur. Wir machen es gut und schlecht. Manchmal lernen wir, öfter dagegen nicht und machen einfach Fehler. Wir sind komplex. Wir können uns dumm verhalten und uns verloren fühlen. Wir können einander vermissen, auch wenn wir zusammen sind und nicht miteinander reden“, so eine Feststellung der beiden in den Linernotes. Und aus dieser Unsicherheit, dieser allzu menschlichen Schwäche heraus ergaben sich dann die Stücke: "Mit diesen Songs, diesem Album versuchen wir zu akzeptieren, dass wir sehr sensible Menschen und gleichzeitig Arschlöcher sein können. Und das ist in Ordnung." Und klingt, mit Verlaub, weitaus interessanter als gedacht, im günstigsten Falle reißt es einen sogar mit.

The Streets: Sparsam

Okay, soviel haben wir verstanden: Der Junge ist sehr sparsam. Zumindest was Informationen angeht. Das hat in diesen Zeiten allerdings fast schon wieder etwas Tröstliches, wo doch jeder irgendeinen Schmarren (bayer. für "Mist") in die Weltgeschichte hinausbläst, der wiederum die hyperventilierende Netzgemeinde zu Posts mit solch sagenhaft aussagekräftigen Überschriften wie "X/Y is up to something" veranlasst. Boring. Mike Skinner aka. The Streets jedenfalls teasert Tracks, mehr nicht. Gerade erst "Boys Will Be Boys" gemeinsam mit dem Grime-Rapper Jaykae aus Birmingham, zusammengenommen mit den bisher geleakten Stücken macht das jetzt vier. Vier von was wissen wir aber immer noch nicht, denn ein eventuelles Album wurde nicht benannt. Sind wir also weiterhin geduldig.

Sonntag, 11. März 2018

Fine China: Zur richtigen Zeit

Fine China
"Not Thrilled"

(Velvet Blue Music)

So recht ist es nicht zu begreifen, warum einer Band wie Fine China bislang der Durchbruch verwehrt war. Lag es daran, dass zum Zeitpunkt ihrer Gründung Ende der Neunziger und dem Erscheinen ihres Debüts "When The World Sings" im Jahr 2000 kaum Bedarf nach ihrer Art von schwungvollem und durchaus gut gelauntem Sound bestand. Zudem schienen auch sie noch nicht so richtig zu wissen, in welche Richtung es wohl gehen solle - "We Rock Harder Than You Ever Knew" versprach der Opener des Albums, dem sie jedoch eine Reihe geschmeidiger Synthpopsongs folgen ließen. Ein Missverständnis also? Oder zur falschen Zeit am falschen Ort - "Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit"? Zwei Jahre später dann der Nachfolger "You Make Me Hate Music", wieder so eine Ansage. Mittlerweile zwar deutlich rockiger, den richtigen Erfolg brachte aber auch das nicht. 2006 dann die Auflösung.



Aber irgendwie schien ihre Geschichte wohl noch nicht zu Ende erzählt. Und hört man sich das neue Album an, dann weiß man auch, wieso. Natürlich darf, ja muss man das, was Rob Withem, Greg Markov und Thom Walsh auf "Not Thrilled" anbieten, Revival und Retro nennen. Und vielleicht haben es all jene einfacher, die The Smiths, The Cure und die Housemartins nicht im Rucksack ihrer Vita mit sich herumtragen. Aber ihren Hang zur melancholischen Mollmelodie hatten Fine China zuvor eben nur angedeutet, jetzt leben sie ihn konsequent aus und sind - das ist die positive Überraschung, ziemlich gut darin. Die zehn neuen Stücke sind allesamt recht gelungen, die genannten Verweise passen endlich mal perfekt in die Zeit. Und auch wenn sie es manchmal mit der Gefühligkeit etwas übertreiben, man hört es gern und ertappt sich schnell beim Mitsummen. Den dreien sollte es eine späte Genugtuung sein.

Samstag, 10. März 2018

Rich Girls: Aus der schwarzen Stadt [Update]

Auch wenn hier der erste Eindruck vielleicht täuscht, die Rich Girls aus New York City zählen ebenfalls nicht gerade zu den leistesten ihrer Zunft. Das Trio, bestehend aus Leadsängerin Luisa Black, Gitarrist August Churchill und Gavin Haag am Schlagzeug, hat für den 6. April mit "Black City" via Tricycle Records den Nachfolger für seine EP "Love Is The Dealer" aus dem Jahr 2016 angekündigt - diesmal allerdings im Langformat. Die erste Vorauskopplung "Hit" klingt zwar noch etwas zurückhaltend, der Rest aber, soviel dürfen wir versprechen, wird dann garantiert energischer.

Update: Mit "Wayne" kommt hier auch schon die zweite Single aus dem neuen Album.

Haiyti: Abfeiern in der Hüpfburg

Haiyti
Hansa 39, München, 10. März 2018

Es hatte dann doch ein bisschen was von einer Abi-Party. Was natürlich vorrangig am Durchschnittsalter des Publikums lag - gerade volljährig, geschätzt. Kleine und größere Flaschen kreisten in der Runde, maximal aufgekratzte Stimmung, Kajal satt, hohe Beanie-Dichte, das eben. Ein DJ zum Einzählen, schon sprang sie auf die Bühne - Schuhe Plateau, Shirt abgeschnitten, Haare wirr unter einem Hut vergraben. Wer sie nicht kennt, dürfte Ronja Zschoche alias Haiyti eher nach Neukölln verorten, doch aus Berlin kommt tatsächlich nur Kitschkrieg, das Label, das ihr zusammen mit Trettmann, Megaloh und Joey Bargeld zur zweiten Heimat geworden ist. Sie selbst stammt aus dem Hamburger Kiez. "Die Kleine macht jetzt Kasse" als Tourmotto, da ist alles Nötige gesagt. Nach München war sie mit ihrem Album "Montenegro Zero" gekommen - angeprollte Egomucke, angstfrei abgemischte Beats aus Hip Hop, Trap, Dance, Electro, bissige Reime, bestens geeignet zum gnadenlosen abfeiern.



Wie ein Flummi sprang sie über die kleine Bühne, die ausgelassene Crowd dankte ihr den Einsatz mit glänzenden Augen und textsicherem Gebrüll. Jeder Track ein Hit jetzt, das Handy ein Trapphone, der Onkel ein Mafioso, ein bisschen Italiano, die Kippen von Kate Moss, alle anderen Schlampen - zwischendurch Auftritt "Zeitboy" (der seine Sache dank Karaoke-Text aus dem Netz ganz ordentlich machte) und, weniger glamourös, Martini aus Plastikbechern. Nicht so wichtig für's Gelingen der großen Sause offenbar der ziemlich miese Sound - zu leise, kein Volumen, was auf Platte mächtig Druck macht, blieb an diesem Abend leider seltsam flach. Nun, der Masse in der Hüpfburg war's egal, beim furiosen "Berghain" tanzten zum Schrecken der Security am Ende mehr Leute auf als vor der Bühne, kurz darauf war Schluss. Und der Saal schnell leer - weiter ging's zur nächsten Party.


Casper: Kein gutes Ende

Bei der ganzen Aufregung um so ein neues Video kann man auch schon mal ein paar Zahlen durcheinander bringen: Gerade hat Casper einem Song "Flackern, Flimmern" eindrucksvolle Bilder hinterhergeschickt und so noch einmal nachdrücklich an sein grandioses Album "Lang lebe der Tod" erinnert. Über die Bedingungen des Videodrehs in Kanada gibt es allerdings ein paar widersprüchliche Angaben - während der Musikexpress von -25 Grad spricht, versteigt sich Diffus sogar zu -40. Geschenkt, es war wohl saukalt, weitaus wichtiger die dramatische Story zum Song, die von einem tragischen Flugzeugabsturz erzählt und Verlust und Einsamkeit in beklemmende Szenen setzt. Und zu keinem guten Ende findet.

Freitag, 9. März 2018

David Byrne: In gutem Glauben

David Byrne
„American Utopia“

(Nonesuch Records)

Daß der Gutmensch in letzter Zeit so in Verruf geraten ist, liegt nun wirklich nicht daran, weil es einige wenige mit dem Engagement etwas übertrieben haben (denn das, liebe Freunde, geht gar nicht). Es hat vorrangig damit zu tun, daß viele mittlerweile der Ansicht sind, zuviel Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit schade dem eigenen Karma, mache weich und schwach und ob man nun etwas Gutes tue oder nicht sei sowieso egal, denn die Welt gehe eh über kurz oder lang vor die Hunde. Also besser weiter Ellbogen raus und mir das meiste. Wie gut tut es da, einen wie David Byrne, kluger Kopf der einstmals so wunderbaren und unerreichten Talking Heads, zu hören. Denn anders als viele von uns will der nicht in die grassierende Schlechtmacherei und das laute Gejammer einstimmen, sondern behauptet frech das Gegenteil – mittels seiner Website und Vortragsreihe „Reasons To Be Cheerful“ möchte er uns glaubhaft vermitteln, es gäbe weitaus mehr gute Dinge zu berichten als angenommen. Er ist also nicht nur ein Gutmensch, sondern auch ein Gutgläubiger.



Was Wunder, daß auch sein aktuelles Album „American Utopia“ recht aufmunternd daherkommt. Byrne ist ja seit jeher ein großer Anhänger der Weltmusik, seit Jahren musiziert er mit den verschiedensten Künstlern und Künstlerinnen und verspürt einen ungebändigten Spaß am Mix der Genres und Kulturen, er schreibt für Musicals, Opern, Filmscores und TV-Serien. Ein Macher, ein Wusler, ein Arbeitstier, dem man gern zuhört, weil er etwas zu sagen hat und weil das (wie in letzter Zeit ja gern getitelt wird) auch wirklich Sinn macht – Stichwort: „Start making sense“. Denn von Plattheit und Heileweltgedöns ist sein Utopieentwurf natürlich Lichtjahre entfernt, vielmehr geht er die Sache gewohnt provokant und humorvoll an.

Und der Humor ist bitterböse, vom ersten Takt an: „I Dance Like This“ gibt die Richtung vor mit Zeilen wie “And the truth don't mean nothing, if you ain't got the cash, a credit card mommy, an invisible dad, career opportunities, that you never had“ –  ist das schon der Tanz auf dem Vulkan? Das Leben als Wunder oder als unbezahlte Rechnung (je nach Sichtweise), der Mensch mit dem Hirn eines Hundes, gefangen im Themenpark, den er das Leben nennt, Song auf Song viel Bissiges, Amüsantes, Befremdliches, man fühlt sich bestens unterhalten, auch wenn einem das Lachen manchmal im Halse stecken bleibt. Allein die Beschreibung, wie sich ein Geschoss durch Haut, Magen, Herz und Kopf eines fiktiven Opfers bohrt, ist von ungemein schräger Poesie.



Der Sound dazu ist nicht minder spannend. Fast so, als ob Byrne seinem eigenen Genie nicht trauen wollte, hat er sich für die Kompositionen noch jede Menge erlesene Verstärkung ins Studio geholt – dort trifft man dann Brian Eno, Daniel Lopatin aka. Oneohtrix Point Never, Jack Penate, Sampha, Thomas Bartlett, Dev Hynes und mehr. Dafür, daß Byrne in diese Männerschar keine einzige Frau lud, hat er im Zeichen von #metoo gerade ein wenig Prügel einstecken müssen – die Entschuldigung seinerseits kam prompt, weshalb man (eingedenk seiner herausragenden Arbeiten mit Anna Calvi, St. Vincent oder Cindy Sherman) an die Sache auch gleich wieder einen Haken machen kann. Das Album jedenfalls groovt, federt, funkt ganz fabelhaft, zum Piano gibt’s mal wuchtige Drums, gleich zu Beginn ein paar garstige Technosequenzen und mittendrin pfeift er sich sogar eins: „There's only one way to read a book and there's only one way to watch tv, well there's only one way to smell a flower, but there's millions of ways to be free“, heißt es dann. Mit den Songs wird’s noch leichter… http://davidbyrne.com/

26.06.  Wien, Museumsquartier
27.06.  Berlin, Tempodrom
17.07.  Zürich, Theater 11