Le Butcherettes
„Don’t Bleed“
(Rise Records)
Zuerst dieses Video. „Tunisia“ also. Das der erfahrene Kinogänger schnell als knapp dreiminütige Persiflage der gruseligen Sorte auf Steven Kings „Misery“-Verfilmung mit Kathy Bates erkannte. Nur eben jetzt mit Teri Gender Bender in der Rolle des durchgeknallten Fangirls und Bassist Riko Rodriguez-Lopez statt James Caan und nicht als Autor, sondern Produzent. Und zwar des letztjähringen Butcherettes-Albums „bi/MENTAL“. Wilkes aka. Bates aka. Gender Bender besteht nachdrücklich auf einer Fortsetzung, der Produzent verneint und verzweifelt und wählt letztendlich die bekannt drastische Art, ihr das zu verklickern. Nun, er hat sich wohl durchsetzen können, denn die neue EP ist tatsächlich von einem „weiter so“ meilenweit entfernt. Dass Gender Bender nicht nur live eine Grenzgängerin ist, wissen die Anhänger, trotzdem werden sich nicht wenige von ihnen irritiert auf dem Label der Platte versichern, dass der Verkäufer nicht doch die falsche Scheibe in die richtige Hülle gepackt hat – nö, kein Zweifel, sie sind es. Le Butcherettes wagen auf „Don’t Bleed“ so einiges, zumindest, was den Sound der 12“ angeht, denn textlich bleibt die streitbare Leadsängerin bei ihrem ureigensten Thema – dem Dasein ergo dem Kampf als Frau. Gegen Entrechtung, Ausgrenzung und Sexismus, um Selbstbehauptung und -bestimmung.
Deshalb die eindrucksvollen Bilder auf der Verpackung, deshalb ein so krasser Song wie „Don’t Bleed“, über den Gender Bender sagt: „This was a slow awakening to some uncomfortable truths about our biological nature. About how to rationalize and broker a deal between the emotional and the intellectual. And how as women we are always, in the eyes of others, a prey to hunt as we are always bleeding“. Aber zurück zum Sound des Formats. Denn schon der Anfang „Wounds Belong To Me“ mit abgekoppelter Gitarre und blecherner Stimme ist anders als gewohnt – und erinnert etwas an die brillanten Aufnahmen der „Texas Campfire Tapes“ von Michelle Shocked. Danach geht’s dann aber zwar mit vollem Orchester weiter, aber auch hier nicht immer in die übliche Richtung. Denn wer hätte gedacht, dass wir mit Stücken wie „Now I Know“ und „Love Someone“ zwei waschechte Popsongs zu hören bekommen, ersteres mit schönen Hooks und federnden Rhythmen, letzteres als – nunja – Powerballade!? Klar kann jede/r selbst entscheiden, wie sie oder er dazu steht, den Ultraorthodoxen werden das sicher ein paar Schritte zu viel sein und irgendjemand schreit ja immer „Verrat!“ Egal, Grenzüberschreitung ist das, was man von einer Band wie dieser erwarten darf und wenn es mal in die andere Richtung geht, um so besser. Die Stücke wirken überzeugend, funktionieren prächtig, sie haben alles richtig gemacht. https://www.lebutcherettesofficial.com/
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