Sault
"Nine"
(Forever Living Originals)
Sault also, schon wieder? Hatten die nicht schon im vergangenen Jahr mit "Untitled (Black)" und "Untitled (Rise)" zwei fulminante Alben am Start? Nun, weil das Londoner Kunst-Kollektiv zuallererst schwarz und politisch ist, erscheint die Antwort auf die Frage recht einfach: Solange es Probleme gibt, die mit ihrer Herkunft, mit ihrer Geschichte und ihrer Hautfarbe in Verbindung stehen, solange werden auch Sault da sein und Musik darüber und dazu machen. Und man kann nicht behaupten, dass es im Königreich derzeit an Problemen mangelt - Rassismus, Nationalismus und Fremdenhass sind dabei nur einige von vielen, die dieses Land momentan mächtig aufwühlen. Auch deshalb also "Nine". Aber nur vergleichsweise kurz. Denn diese neue Platte, die fünfte nach "5", "7" und den beiden oben genannten, soll nur für ganze 99 Tage zum Verkauf stehen, danach werden zumindest die offiziellen Tonträger inklusive Stream wieder aus dem Schaufenster genommen, wohl allen, die sich vorher damit versorgt haben.
Dass es kein Fehler ist, sich auch die neuen Songs zu sichern, wird schnell klar. Denn wie schon zuvor, so sind auch diese zehn Tracks eine fabelhafte Mischung aus vielem, was schwarze Musik heute zu bieten hat. Als da wären Jazz, Hip-Hop, RnB, Soul, Dub und diverse Spielarten zeitgemäßen Dancepops. Aber wie gesagt - alles politisch. Sault sind ohne Anspruch und Haltung nicht zu bekommen und genau deshalb momentan unverzichtbar. Los geht's mit straffen Breakbeats über die "London Gangs", gefolgt von einer Art perkussivem Straßenkampflied "Trap Life", wo es heißt: "We trap on these blocks and we don't trust these cops, tell me who's taking shots, shots, shots - I wanna be free, free my mam' and my mind, 'cause we're locked up inside ..." Der krasseste Track auf dem Album ist wohl "Fear", es geht um die Wut der Ausgegrenzten, Benachteiligten, darum, dass man als People Of Colour quasi zur Beweislast gezwungen wird, das Unrecht immer und immer wieder aufzuzeigen, obwohl es doch jeder und jedem längst bewusst sein sollte.
"Pain is real, can't fake this" formiert sich zum dröhnenden Mantra, unterlegt mit maximal fettem Bass. Solche zornigen Zeilen wechseln in der Folge mit gefühlvollen Tönen ("Bitter Streets"), aufgekratzem Sarkasmus ("You From London", gereimt von Little Sinz) und trauriger Klage ("Alcohol"). Es gibt gesprochene Einspieler aus dem Alltag und ganz zum Schluß ein leidenschaftliches Plädpyer für die Liebe, einmal mehr gesungen von der wunderbaren Cleo Sol, die zum festen Ensemble der Formation gehört: "Without love, it's hard for you to give it a try, so many promises that turn into lies, don't wanna start again and give someone a chance, can't you see the light's in your hands" - schöner und emotionaler hätte das auch Whitntey Houston kaum bringen können. Kein Selbstmitleid, sondern Trost- und Mutmacher, Sault zeigen einmal mehr (und nicht nur musikalisch) das richtige Gespür für das, was diese Zeiten erfordern. Grund genug, die 99 Tage nicht unnötig vertsreichen zu lassen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen