Body/Head
„The Switch“
(Matador)
Man kann es Kim Gordon kaum übelnehmen, dass sie richtig viel Erhellendes zum neuen, zweiten Album von Body/Head nicht herauslassen will. Zum einen möchte Gordon schon längere Zeit nicht mehr nur als Musikern wahrgenommen werden – schließlich stellt sie seit Jahren in namhaften Gallerien ihre Bilder und Skulpturen aus und empfindet die recht einseitige Ausrichtung der Fragen wohl eher als unnötige Reduzierung. Als zeitgenössische Künstlerin weiß sie zudem, dass erklärte Kunstwerke – und dazu zählen auch solche aus Tönen – keine wirklich spannenden mehr sind. Zu guter letzt hat Gordon nicht eben selten die Erfahrung gemacht, daß sich alle Gespräche mit ihr über kurz oder lang um ihre Job als Bassistin und Sängerin bei Sonic Youth drehen, eine Zeit, die, liest man ihre Autobiografie, abgeschlossen hinter ihr liegt und die sie nur ungern wieder und wieder durchkauen möchte. Und deshalb können ihr weder Kyle Meredith (WFPK Independent Louisville) noch die Zeitschrift Elle mehr als ein paar sparsame Kommentare zu „The Switch“ entlocken – „quite heavy and different to the first one“ hört man beim Interview des einen, im Modeheftchen erfährt der Leser über die zwischenzeitliche Liveplatte „No Waves“: "My favorite thing is getting lost in the music. It can seem kind of almost meditative when things are optimal". Nun ja, da wäre man vielleicht auch selbst drauf gekommen.
Fakt ist, daß Gordon zusammen mit ihrem Bandpartner Bill Nace den Sound von Body/Head für die neue Platte nochmals überarbeitet hat. Waren beim Vorgänger „Coming Apart“ noch ansatzweise Songstrukturen zu erkennen, bewegen sich die beiden mittlerweile auf einer performativen Ebene, sind herkömmliche Muster bei den fünf Stücken nicht mehr herauszuhören. Was die Sache für den Zuhörer nicht eben einfacher, aber in gewisser Hinsicht auch deutlich spannender macht. Denn dieses Album funktioniert wie die meisten seiner Art (man denke zum Beispiel an die Mammutwerke von Michael Gira und seinen Swans) am besten im Live-Kontext, ohne die unmittelbare, körperliche Erfahrung der Noiseattacken vor eigenen Augen auf der Bühne ist der Zugang schwer zu bekommen, fehlt der Platte einfach eine sehr wichtige Dimension. Man kann das den beiden natürlich nicht zum Vorwurf machen, schließlich ist ein Tondokument wie dieses hier besser als keines, das Konzerterlebnis kann es dennoch nicht ersetzen. Erklärungen zu den Stücken sind, wie erwähnt, nicht nur schwer zu bekommen, sondern schlicht unnötig, alles auf „The Switch“ funktioniert über Assoziationen, ganz persönliche Bilderwelten, die sich bei entsprechender Bereitschaft unweigerlich auftun.
Da passt es ganz gut, dass Nace und Gordon noch spartanischer, noch krasser instrumentieren, dass Gordon ihre Stimme seltener und wenn, dann zusätzlich verfremdet einsetzt. Wie bei einer Hohepriesterin dröhnt ihr Gesang zu den knirschenden, verzerrten Klangkonstrukten. Ein Thema, eine Melodielinie gar lässt sich nur selten ausmachen, am ehesten findet man solches bei den beiden längsten Stücken „Change My Brain“ und „Reverse Hard“, wo repetitive Sequenzen eine fast schon meditative Stimmung erzeugen. Ansonsten irrlichtert bruchstückhafter Gesangs zwischen Feedbackfetzen und dronigem Lärm, alles mäandert, stolpert umher – kaum eine schlüssige Form, kein Halteseil, keine Orientierung, Freilauf der Gedanken. Mal hört es sich an, als habe jemand das Aufnahmemikrophon in ein Hornissennest geschoben und dieses zusätzlich in einen Sturm gehängt, dann wiederum meint man das Keuchen einer Beatmungsmaschine auszumachen. Am Ende jedenfalls bricht alles zusammen, unwiderruflich. Einen schönen, weil allgemeingültigen Satz haben wir dann doch noch gefunden, geäußert hat ihn Gordon kürzlich im Gespräch mit Davina Semo: „Ich denke, wo auch immer du die Kraft herbekommst – ob es das Hochgefühl ist, Musik zu spielen oder Kunst zu machen, wichtig ist allein das gute Gefühl zu deinem, in deinem Körper. Und der Schlüssel dazu ist nicht etwa Selbstbewußtsein – nein, du musst es wirklich besitzen.“ http://bodyheadmusic.com/
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