Schmyt
„Gift“
(Division Entertainment)
Auf die Schnelle ist uns kein un/passenderes Bild eingefallen, aber säßen wir auf dem drehbaren Plastikungetüm während der sogenannten blind auditions in einer dieser doofen Casting-Shows, mit dem Rücken zum vortragenden Künstler also – es würde keine drei Augenblicke dauern, bis wir mit voller Wucht auf den Buzzer hauten. Einmal ganz davon abgesehen, dass Julian Schmit aka. Schmyt in seinem Leben dort hoffentlich nicht mehr stehen wird, wäre es doch eine komische Sache. Denn eigentlich wollen wir doch, das liegt wohl in unserer Natur, niemandem zuhören, der uns geschlagene zwanzig Minuten lang erklärt, wie abgrundtief trostlos und deprimierend sein Dasein ist. Eigentlich, wie gesagt. Dieser Schmyt aber tut genau das auf eine Art, die beim Zuhören etwas zum Schwingen bringt, ein Mitgefühl, ein Wiedererkennen, das Weghören unmöglich macht. Wer Selbstmitleid so gekonnt buchstabiert wie er, der hat die Leute schnell auf seiner Seite.
Ob bei Opener „Gift“ gemeinsam mit RIN, wo er davon singt, dass Liebeskummer nur dann zu ertragen sein, wenn er voll sei wie die See. Oder bei Zwiegespräch mit dem „Taximann“, den er schnurstracks in Richtung Hölle schickt, auch wenn er nicht weiß, was ihn die Fahrt kosten wird. „Jenny“ hat weiche Lippen, aber ein hartes Herz und bei „Poseidon“ kann sich Schmyt nichts Besseres vorstellen, als im blaugrünen Licht ihrer Augen zu ertrinken – sie dafür „geht unter als ginge sie heim“. Apropos Poseidon – nicht der einzige Song mit literarischem Bezug. Denn auch das schönste Stück auf der EP nimmt Bezug auf die Odyssee von Homer, wo der Held sich dem Zyklopen als „Niemand“ vorstellt und so mit List der Rache der zu Hilfe eilenden Ungeheuer entgeht. Bei Schmyt steht der Name allerdings als trauriges Bild seiner Selbstwahrnehmung, mit Hilfe rechnet, einmal ganz unten angekommen, wohl auch er nicht. Es geht also Richtung Abgrund und wir bereitwillig mit. Hoffentlich macht er was draus …
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