Donnerstag, 22. April 2021

International Music: Näherungsvermeidung

International Music
„Ententraum“

(Staatsakt)

Dass International Music bereits mit dem zweiten Album ihr Opus Magnum veröffentlichen, ist keine große Überraschung, schließlich steckt bei ihnen die Gigantomanie schon im Namen. Schließlich kommen sie aus Essen und dort wie nebenan wird, wie wir wissen, gern groß gedacht (selbst wenn nicht viel dahintersteckt). Davon kann bei Peter Rubel, Pedro Goncalves Crescenti und Joel Roters allerdings überhaupt keine Rede sein, schon mit dem Debüt „Die besten Jahre“ ist ihnen 2018 etwas gelungen, das es so hierzulande kaum gibt – das Hohelied der Kneipenpoesie, Plüschpunk für den Tresen, zarte, bierselige Choräle ganz ohne Banalitäten oder peinliche Prollreime. Hier will sich die Dunkelheit anschmiegen, will hinüberdämmern ins Zwielicht aus Delirium und Weltenflucht. Und auch wenn sie für das vorliegende Werk die rauchverhangenen Katakomben meist gegen die zwitschernde und quakende Natur getauscht haben, wurde doch sonst nichts Wesentliches geändert.



Nun neigen gerade wir Deutschen ja immer dazu, alles und jeden verstehen zu wollen, den Sinn zu erkennen – Unschärfen und Rätsel sind uns ein Graus. Das lyrische Prinzip von International Music aber baut, wie schon damals bei Foyer Des Arts, Grauzone oder Palais Schaumburg (nahezu die einzigen Referenzen, die man gelten lassen mag), gerade auf dadaistische Reimereien, Zweideutigkeiten, Irritationen, sie mögen es gern fragwürdig und unsinnstiftend. Insofern kann man schon versuchen, passende Antworten bei Metternich, Einstein, Thoreau zu finden, kann das Hirn mit Philosophie quälen oder sonstwelche Anker- oder Anhaltspunkte in den Texten zu erschließen. Wir haben es ja für den Albumtitel exemplarisch versucht und sind kläglich gescheitert. Je mehr man versucht, der Band inhaltlich auf die Schliche zu kommen, desto größer ist das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit, fast meint die drei im Geheimen kichern zu hören.



Also: Können schon, aber müssen eben nicht – das Album ist auch so ein unterhaltsamer, oftmals überaus komischer Genuss. Wenn sie traditionelle Besetzungs- und Kompositionsmuster bei „Spiel Bass“, „Museum“ oder „Kopf der Band“ (die zweite) auf’s Korn nehmen, der „Wassermann“ die Hosen runterlässt und die Hüften schwingend Freude bringen. Schwarmintelligenz meets Stammkneipe meets Marmeladenglas, im Titelsong albert der Quatsch von Helge Schneider mit dem Sound der Neubauten herum und auch wenn der Himmel in Krakau so schön blau ist, bleibt die Laune doch mies. Der Grund, warum das alles nicht zu anstrengend und ermüdend wird, ist auch die musikalische Grundierung der Platte – gewohnt dunkel, so schwarz also wie auch der Humor, melancholisch sowieso. Kraut- und Psychrock mit Post-Punk in inniger Umarmung, irgendwo zwischen Velvet Underground, NEU!, den Beach Boys und Belle And Sebastian, so ungefähr jedenfalls.



Und wenn einem der Songs mal die Puste auszugehen droht, dann schicken International Music im Schlussdrittel einfach ein wunderbar krachendes Schrammelriff in den Ring und schon haben sie uns wieder am Haken. Siebzehn Lieder also, ein jedes mit Fein- und Eigenheiten, die weiter aufzuzählen ihnen den Zauber nähme. Wer für diese Art von erhabener Choralmusik und Kontemplation empfänglich, ja begeisterungsfähig ist, wird sich ohnehin in den nächsten Tagen für die Gedankenreise in Klausur begeben wollen, um auf der Insel der Verlassenheit im Dschungel die Höhle der Vernunft heimzusuchen, das Elend dieser Tage zu beklagen und die unsichtbare Schwere unserer Atmosphäre zu reflektieren. „Die Sprache ist eklektisch, as you and me. Truth is not objectiv, wie er und sie“, mehr gibt es nicht zu sagen – der Rest ist Hören.

11.06.  Essen, Zeche Karl
12.06.  Mainz, Zitadelle
09.07.  Schorndorf, Manufaktur
04.10.  Köln, Gebäude 9
08.10.  Rostock, Peter-Weiss-Haus
14.10.  Bremen, Lagerhaus
17.10.  Dresden, Groove Station
21.10.  Düsseldorf, Zakk
22.10.  Augsburg, Kantine
24.10.  Darmstadt, Centralstation
25.10.  Stuttgart, Merlin Kulturzentrum
26.10.  Bern, Dachstock
27.10.  Zürich, Bogen F
28.10.  St. Gallen, Palace
29.10.  Basel, Kaserne
04.11.  Nürnberg, Club Stereo
05.11.  Wien, Fluc

Keine Kommentare: