Kruder und Dorfmeister
„1995“
(G Stone Recordings)
Das ist also das Album, das uns zu Nostalgikern macht. Weil es trotz aller Beteuerungen eben weniger eines für Menschen ist, die 1995 geboren sind, sondern eher für jene, die in dieser Zeit in den Bars und Clubs die Nacht feierten. Und einem/einer jeden fallen jetzt unzählige Orte und Begebenheiten ein, die mit der Musik von Peter Kruder und Richard Dorfmeister zu tun haben, die davon erzählen, wie man damals diesen unglaublich coolen und smoothen Sound nicht nur erlebt, sondern regelrecht aufgesogen hat. Ob hierzulande auf dem Dancefloor des Hamburger MOJO-Clubs oder bei Michael Reinboths Into Somethin‘ in der Münchner Muffathalle, das Duo war für ein paar Jahre sprichwörtlich tonangebend – dass die Platten der beiden dann den Weg von der Nacht in den Tag fanden und fortan auch immer öfter in Coffeeshops dem schwatzhaften Gastrovolk zur Ablenkung und Unterhaltung dienten, dafür kann man den zwei Wienern kaum einen Vorwurf machen. Die Qualität ihrer Arbeit schmälerte das ohnehin nicht, die nutzte sich nur leider etwas schneller ab. Es hätte Nachschub gebraucht, doch wie sie gerade in Interviews erzählen, war der Hype so überwältigend und allumfassend, dass für mehr keine Zeit blieb – und so kam es, dass einiges an Material ungehört auf Bändern in Kisten verschwand, das nun, über zwanzig Jahre später erst mit großem Aufwand aufpoliert und wieder zugänglich gemacht wurde. Eben „1995“.
Wer sich schon damals nicht darauf beschränkte, das Werk des Duos nur als entspannte Klangkulisse wahrzunehmen, sondern das Vergnügen schätzte, den Klangkosmos aus Dub, Downtempo, Jazz, Trip-Hop und Drum And Bass näher zu ergründen, wird auch an den wiederentdeckten Tracks viel Freude haben. Denn die Einflüsse von Morricone, Mancini, Barry, Brubeck, Davis und vielen mehr sind wieder überdeutlich zu hören und kommen, garniert mit den eleganten Beats und äußerst präzisen Arrangements, so frisch daher, als hätte sich dazwischen nichts Wesentliches getan, als könnte die Zeit all dem nichts anhaben. Die Singles „Johnson“, „Swallowed The Moon“ und vor allem „Kingsize“ wurden mit Bedacht gewählt, weil sie exemplarisch das feine Gespür von Kruder und Dorfmeister für klug abgemischtes Hitfutter unterstreichen, die besagten Referenzen finden sich dann aber vor allem in den restlichen Stücken, die zudem mit einer Vielzahl kluger Effekte glänzen können. Ganz besonders gelungen ist das gut dreizehnminütige „One Break“, bei dem sich aus einer maximal relaxten Trancenummer allmählich knackige Breakbeats schälen. Nicht ganz ohne eine gewisse Ironie übrigens kommt das Album gerade jetzt in die Läden – das Erlebnis ausgelassener Tänze bis in die frühen Morgenstunden ist aus Gründen derzeit legal nicht zu haben, die Sehnsucht danach dürfte dem Erfolg einer Platte wie „1995“ noch einen zusätzlichen Schub geben.
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