Lambchop
„This (Is What I Wanted To Tell You)“
(Merge Records)
Von der britischen Band Radiohead gibt es einen Song, der sich für das Quintett fast als programmatisch erwiesen hat: “How To Disappear Completely”. Nun, entgegen allen Gerüchten sind Thom Yorke und Kollegen noch immer ziemlich gegenwärtig, es könnte allerdings sein, dass nun mit Lambchop andere nach fünfundzwanzig Jahren Bandgeschichte und dreizehn Alben den Schritt in die Unendlichkeit wagen. Mit seiner Mütze nämlich scheint Kurt Wagner, der sympatische Murmler aus Nashville, nun auch jedwede Zurückhaltung abgelegt zu haben, was den Sound seiner Band angeht. Vor einigen Jahren traten Lambchop noch als Dutzend im Vielklangkollektiv auf, 2006 nach „Damaged“ dann ein erster Break – bis heute zählen noch fünf ständige Mitglieder zur Stammbesetzung. Was auch daran liegt, dass sich die Songs im Laufe der Jahre vom alternativen Country über den Post-Rock hin zu elektronischen, auch experimentellen Gebilden entwickelt haben und nunmehr, wenn auch überaus kunstvoll, größtenteils aus Bits und Bytes bestehen.
Wagner hat das auf dem aktuellen Werk mit einer Konsequenz vorangetrieben, die auf dem Vorgänger „FLOTUS“ schon deutlich zu erahnen war, er nennt das (s)einen „kollaborativen Ansatz“ und dieser wiederum bezieht sich zum einen auf die Zusammenarbeit mit Matthew McGaughan (Bon Iver, Hiss Golden Messenger), zum anderen aber auch auf das Rework des letzten Albums zusammen mit mehreren Kölner Klangtüftlern (u.a. Gregor Schwellenbach, Philipp Janzen, Colorist, Twit One, Retrogott), das ihn wohl endgültig auf den Geschmack gebracht hat. Und so hört man auf der neuen Platte ein fast durchgängig meditatives Pluckern und Klacken, klassisches Instrumentarium wie Bläser, Streicher und Piano verstöpseln Lambchop gekonnt mit digitalen Beats. Stimmen überlagern sich, werden verzerrt und mittels Vocoder verfremdet, es gibt viele „Oohhhs“ und „Uuhhhs“ zu hören und unter allem liegt, wie auch schon zuvor, eine Grundierung aus sanftem Funk und Soul.
Wer jetzt allerdings meint, das alles wäre gleichbedeutend mit einem belanglosem Dahinplätschern, der irrt. Schon „FLOTUS“ war ja, beim Cover angefangen, eine kleine Hommage an die politische Arbeit seiner, Kurt Wagners Frau. Und auch diese Platte ist auf vorsichtige, aber bestimmte Art ein Abbild gesellschaftlicher Umbrüche und Verwerfungen. Man ginge wohl zu weit, würde man behaupten, „This (Is What I Wanted To Tell You)“ wäre Wagners Kommentar zu Trump-Ära. So oft, wie er aber in seinen Lyrics auf Nachrichten, Headlines, Medien zu sprechen kommt, darf man schon einen roten Faden vermuten, den er in seinen Stücken spinnt. „The news was fake, the drugs were real, the dream was gone, not its appeal“, heißt es beispielsweise in “Everything For You”, kurz darauf reimt er wehmütig: “The lasting last, how high the roof is, and it was explained, won't slow you down, the lasting last of you, and the printed word, so familiar.”
In fast jeder seiner Zeilen schwingt eine große Traurigkeit, eine sehnsüchtige Rückschau mit, das Bedauern über den politischen Wandel, der alle Bereiche des Alltags erreicht und neu justiert hat, ist deutlich zu spüren. Ein so wunderbares Stück wie “The Air Is Heavy And I should Be Listening To You”, das so angenehm an Rain Tree Crows großartiges Lied “Black Water” erinnert, bringt eben doch so tiefschwarze Worte wie “This is normal now, this ist the new not normal” und jeder weiß, wie er’s meint – acht Minuten dunkles Mäandern. Einen Walmart-Warnsticker verdient sich Wagner dann noch bei „The December-ish You“: „Let's speak of hard impressions, I'm not your dick, I’m not your rich, I'm not your bitch”, bevor er gleich darauf, gerade als die Drums laut und hart werden („This Is What I Wanted To Tell You“), mit weicher Stimme barmt. Ganz am Ende (“Flower”) zweieinhalb Minuten ohne Schnickschnack – „If I gave you a hundred dollars, to record just three words, I could make the perfect song” – er ist noch bei uns, anders zwar, aber immer noch sehr nah. Gut so. https://www.thisiswhatiwantedtotellyou.com/
17.04. Leipzig, Felsenkeller
18.04. München, Muffathalle
19.04. Wien, WUK
20.04. Darmstadt, Centralstation
24.04. Bern, Dachstock
25.04. Zürich, Rote Fabrik
26.04. Berlin, Funkhaus Nalepastraße
27.04. Köln, Gloria Theater
29.04. Hamburg, Elbphilharmonie
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