Freitag, 22. Januar 2021

Steiner und Madlaina: Mit Nachdruck

Steiner und Madlaina
„Wünsch mir Glück“

(Glitterhouse Records)

Die kleingeistige Rückständigkeit mancher Männer ist ja leider eine internationale und als solche nur schwer zu ertragen. Ob Trump, Weinstein, Strauss-Kahn oder Blocher, immer wieder auf’s Neue verwundert einen die Ignoranz und Arroganz derer, die sich qua Geburt für das starke Geschlecht halten und doch so arm an Geist und Empathie sind, dass man nicht weiß, ob man traurig, wütend oder angeekelt sein soll, ein ums andere Mal. Dass es hierzulande nicht anders bestellt ist, fällt dabei kaum mehr ins Gewicht, noch vor der Pandemie füllten die ranzigen, präpubertären Witzchen eines Mario Barth ganze Stadien und gerade erst wollte sich allen Ernstes einer zum Kanzlerkandidaten ausrufen lassen, der einen Chauvinisten nicht einmal dann erkennt, wenn er ihm morgens beim Rasieren aus dem Spiegel entgegenblickt. Grund zur Verzweiflung wäre also genug vorhanden, damit man dies nicht tun muss, braucht der Mensch Notanker. Und solche waren in den letzten Jahren verlässlich die Lieder von Nora Steiner und Madlaina Pollina.

Ihr Debüt „Cheers“, 2018 bei Glitterhouse erschienen, war so übervoll von all dem, was unser Leben ausmachen kann, wenn es denn authentisch ist, wenn wir es zuzulassen bereit sind: Aufgebracht waren die Lieder, lustvoll, verschwenderisch, sie kannten Zweifel und Schwächen, Enttäuschungen, Einsamkeit, aber auch die Liebe, die Zusammengehörigkeit, die Hoffnung und zügellose Freude. „Cheers“ kam aus dem Herzen, das spürte man sofort und das hielt an, auch wenn man die Platte zu einem späteren Zeitpunkt wieder auflegte, plötzlich dringend brauchte, weil um einen herum alles so schabloniert, so vorhersehbar war. Und eben weil dieses Album so großartig war, lautet die bange Frage jetzt, da der Nachfolger erscheint: Wird es uns mit ihm genauso ergehen, wird uns „Wünsch mir Glück“ ähnliche Dienste erweisen können?



Nun, abschließend möchte man das jetzt noch nicht beurteilen, nach den ersten Runden tendieren wir aber eher zu einem „ja, aber…“ Die Lieder, die einen im Sturm nehmen und umhauen, die hat es noch immer. „Prost mein Schatz“ besingt die Unwägbarkeiten, die (Selbst)Zweifel und Zwischentöne, ist übervoll an Melancholie und sucht den Trost, „Und die bin ich“ und „Klischee“ beschwören das Selbst, erzählen von der Schwierigkeit, gegen Vorurteile, Fremdbilder, Erwartungen anzukämpfen, sich zu mögen, wie man ist. Mal traurig und frustriert, mal trotzig und zornig. Und dann das unglaubliche „Denk was du willst“ – ein Blick in den Abgrund, gierig, gewaltig, zerstörerisch, und trotzdem so schön, dass es wehtut.



Woher also dann die Einschränkung? Nun, vielleicht hatten wir uns allzu sehr an die Innerlichkeit in den Songs der beiden gewöhnt, mit Rock, mit einer gewissen Schnoddrigkeit, sogar ein paar politischen Parolen nicht gerechnet? Wollten lieber leise Töne und bekommen dagegen auch mal vordergründig Lautes, Plakatives? In die „Heile Welt“ über die schweizerische Unart mischen sich fast schlagerhafte Töne, „Wenn ich ein Junge wäre“ möchte auf ungewohnte Weise böse losrocken, klingt dabei aber leider gar nicht mehr so einzigartig, an anderer Stelle wieder ein „Lalala“ zu viel und ein paar Beiläufigkeiten, die man von ihnen nicht hören wollte. Und trotzdem: Steiner und Madlaina bleiben auf ihre Art eigenwillig, setzen Reize, Reibungspunkte. Und wenn sie die Besinnlichkeit nun zuweilen drangeben für ungeduldiges, forsches Drängen, für Unmut und ein paar bittere Worte, dann haben sie – siehe oben – wohl Grund genug dazu.

02.11.  Stuttgart, Im Wizemann Club
03.11.  München, Ampere
05.11.  Magdeburg, Moritzhof
06.11.  Dresden, Beatpol
08.11.  Hamburg, Knust
09.11.  Bremen, Tower
10.11.  Münster, Gleis 22
11.11.  Essen, Zeche Carl
12.11.  Köln, Gebäude 9
17.11.  Freiburg, Jazzhaus
19.11.  Wien, Chelsea
20.11.  Nürnberg, Korns
22.11.  Wiesbaden, Schlachthof
23.11.  Hannover, Musikzentrum
25.11.  Leipzig, Täubchenthal
26.11.  Erfurt, HsD
27.11.  Berlin, Hole44

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