Sonntag, 19. April 2020

John Paul: Im Spiegel der Realität

John Paul
„Subjects“
(Enviromental Studies)

John Paul ist ein Mann, an dem sich das sonst so allmächtige Netz nun wirklich mal die Zähne ausbeißt. Also nicht an jedem, sondern nur an diesem. Wer sich für spießige IT-Manager, unfehlbare Päpste oder mittelmäßige Gitarristen interessiert, findet natürlich reichlich Material für seine Recherche. Nur eben kaum über jenen John Paul, der für uns nun mal der interessanteste unter allen möglichen ist. Und daran hat sich auch nichts Wesentliches geändert, seit vor zwei Jahren bei Harbinger Sound sein Debüt „No Filter“ erschienen ist. Man tritt ihm wohl nicht zu nahe, wenn man vermutet, dass John Paul aus Nottingham nichts dagegen hat, dem einen oder anderen Global Player, wie die gierigen Suchmaschinen sich ja gern nennen, einen Strich durch die Rechnung zu machen – gegen ein wenig mehr Bekanntheit hätte er wohl nichts einzuwenden, aber doch bitte auf seine Weise. Darüber, dass dieser Erfolg verdient wäre, müssen wir dabei sicher nicht diskutieren, zählt er doch unter den aktuellen Künstlern der britischen Independent-Szene mit Sicherheit zu denen mit der größten Bandbreite. Schon auf besagtem ersten Album mischte Paul so mühelos wie virtuos verschiedenste Stile wie Grime, Dub, Dancehall, Jazz und UK Garage, dies treibt er nun für „Subjects“ konsequent weiter und zählt mit dieser Mixtur nebenbei auch zu den Tanzbarsten seiner Zunft.



Grundbausteine des Sounds sind weiterhin, ähnlich wie bei den artverwandten Sleaford Mods, computergenerierte Beat- und Bassloops. Anders als Andrew Fearn, der dort seinen meistenteils düsteren Maschinensound zugunsten des wütenden Lyrik-Gebells von Jason Williamson sorgsam dosiert und eher zurücknimmt, reichert Paul seine Tracks zusätzlich um eine reichhaltige Klangpalette an, schichtet er Pianoparts, Bläsersätze oder technoide Töne dazu. Und wagt, eher unüblich, auch das eine oder andere Duett. Obwohl diese Bezeichnung vielleicht etwas irreführend ist, wird doch bei solchen Produktionen der Gesang eher in den Track hineingesampelt – so geschehen mit Ivana Lopez aka. Miss Innit bei „Girlfriend“. Und auf besondere Weise für „How To Breath“, einer Art Herzstück der Platte. Paul hat sie nämlich ebenjener Künstlerin gewidmet, die hier ihren traurigen RnB beisteuert – Diane Charlemagne ist 2015 mit nur 51 Jahren verstorben, Paul hält sie mit der Zeile „I can teach you how to breath, I can teach you how to dream“ in wehmütiger Erinnerung. Dass sich die Texte am gesellschaftlichen Niedergang mit bzw. nach nach Brexit und Machtübernahme durch einen populistischen Laiendarsteller abarbeiten, ist eine weitere traurige Konstante. Die düstere Realität auf klare und zugleich klanglich bestechende Weise zu spiegeln, das zählt zu den unbestrittenen Qualitäten dieses Albums.

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