Freitag, 17. Januar 2020

Wire: Zweierlei Maß, eindeutiges Urteil

Wire
"Mind Hive"
(Pink Flag"

Natürlich wird immer und überall mit zweierlei Maß gemessen. Auch hier. Über die Rolling Stones ziehen wir her, weil sie ihren Job nicht endlich an den Nagel hängen, sondern selbst mit Rollator und Stützkorsett noch jede Stadionbühne dieser Welt bespielen. Blink 182 und Green Day finden wir reichlich albern mit ihrem angeranzten Revoluzzergehabe und wenn Axl Rose seine Band samt Bierplauze auf die Bühne hievt, wird höhnisch applaudiert. Dadrock, you know? Anders dagegen bei Leonard Cohen, Marianne Faithfull, Nick Cave oder Neil Young, da ist es plötzlich Kultur, da hat es Stil und Charme und darf gar nicht genug kosten (Stil hat es tatsächlich, aber das steht auf einem anderen Blatt). Und auch die Londoner Kapelle Wire wird in diesem Kontext bewertet. Obschon seit 1976 und damit fast fünfundvierzig Jahre im Dienst, dulden wir sie nicht nur, sondern feiern jedes ihrer letzten Alben - und davon gab es reichlich - mit großem Getöse. Warum? Nun, auch wenn Colin Newman, Graham Lewis und Robert Grey (die drei Herren aus der Urbesetzung) mittlerweile ziemlich alt aussehen, sie haben es an Mut und Kreativität über die Jahre nicht fehlen lassen.



Angefangen beim Punk, hat sich die Band im Laufe ihres Bestehens durch Rock, Post-Punk, Wave und Synthpop gearbeitet und klang dabei - ob nun mit oder ohne "e" am Ende - immer frisch und inspiriert. Die ganz große Sprünge hat so mancher Fan vielleicht bei den letzten fünf, sechs Alben, die seit 2008 und "Object 47" entstanden sind, vermisst. Aber Substanz hatten die Platte alle. Und wie um zu beweisen, dass sie sich auch noch den einen oder anderen gewagten Bruch zutrauen, beginnt das vorliegende "Mind Hive" mit einer Art Mathmetal-Riff, das selbst Metallica neidisch machen könnte. Wer das jetzt schon für ein Wagnis hält, sollte mal besser bis Titel sieben und acht warten. "Oklahoma" und "Hung" nämlich halten für die Zuhörer*innen dronigen Gitarrenlärm, letzteres sogar in Wire-untypischer Überlänge von acht Minuten, bereit. Krass, möchte man sagen. Und: Richtig gut. Zwischendrin gibt's noch lockere Popsongs ("Cactused"/"Off The Beach"), Psychedelic á la Pink Floyd und mit "Primed And Ready" einen veritablen Waverock-Hit. Hat da wirklich wer etwas von über den Zenit gesagt? Andere schon, Wire mit Sicherheit nicht.

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