Dienstag, 27. April 2021

Dinosaur jr.: Überlebenskünstler

Dinosaur jr.
„Sweep It Into Space“

(Jagjaguwar)

Schon komisch irgendwie, da sind Wissenschaftler*innen ja sonst um keine Einschätzung verlegen, aber was die Lebenserwartung eines Dinosauriers angeht, geraten die Damen und Herren regelmäßig ins Schwimmen. Irgendwo zwischen vierzig und hundert Jahren soll, abhängig von Körpergröße und Ernährungsgewohnheiten, so ein Urviech geworden sein, bevor der große Steinklumpen auf die Erde gerauscht ist und dem lustigen Brüllen und Fressen ein jähes Ende bereitet hat. Doch auch wenn die Herren Masics, Barlow und Murphy mit ihrer Band die untere der geschätzten Altersgrenzen noch nicht einmal erreicht haben – gemessen am Durchhaltevermögen so viele ihrer Kolleg*innen wäre es doch langsam mal an der Zeit, ihre Band in Dinosaur sr. umzutaufen. Und das ist überhaupt nicht despektierlich gemeint, sondern mit höchster Anerkennung verbunden, gibt es doch kaum eine Formation, die auf so unpeinliche Weise die Klänge ihrer Gründerjahre unverändert und trotzdem frisch bis ins Heute gerettet hat.



Dabei ist es völlig unerheblich, ob man nun jeden Song der bislang zwölf erschienenen Alben seit 1984 benennen und mitsummen kann, selbst mit der Erkenntnis, dass viele (gerade der neueren) Stücke ähnlich, manche auch mal weniger inspiriert klingen, lässt sich prima leben. Es reicht, die wichtigsten, stilbildenden zu schätzen, um die Ehrfurcht vor der Unbeirrbarkeit des Trios zu bewahren. In diesem Licht ist auch das neue Album natürlich ein überaus gelungenes, eines mit fantastischen Wiedergängern alter Glanztage („I Met The Stones“, „To Be Waiting“ und vor allem „Walking To You“) und spärlichen, aber durchaus erstaunlichen Wendungen. Denn der Sound von „Take It Back“ beispielsweise ist durchaus ein ungewöhnlicher – der eigenwillige Rhythmus zu Beginn, das Abgleiten ins Artrockige zur Mitte hin, da traut sich nur hin, wer sich seiner Sache so sicher ist wie diese drei.



Das Schönste aber, neben der altersmilden Poesie, dem Gastspiel von Kurt Vile und natürlich den ikonografischen Gniedelriffs von J Mascis, ist die Tatsache, dass Dinosaur jr. einer Tradition huldigen, die dem Trio bestens zu Gesicht steht und den Anhang regelmäßig zum Staunen bringt: Seit nämlich 2005 Gründungsmitglied und Bassist Lou Barlow die Kernbesetzung wieder komplettierte, schreibt er pro Veröffentlichung immer genau zwei Songs pro Platte und diese zählen dann ein jedes Mal zu den Highlights derselben. Hier und jetzt also „Garden“ und „Wonder“. Ersteres mit feinster Melodik, knackigem Solo vom weißhaarigen Gitarrengandalf und Barlows angenehm warmer Stimme, letzteres kommt sogar mit einem augenzwinkernden Nirvana-Hearalike-Intro und ebenfalls ganz wunderbarem Getöse. Wenn wir mal davon ausgehen, dass der rasende Steinhaufen 2009JF1 im kommenden Jahr die Erde verfehlen wird, steht einem Weiterbestehen der Band nichts im Wege und uns noch eine Reihe lohnender Veröffentlichungen ins Haus.

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