Meat Wave
"Volcano Park"
(Big Scary Monsters)
Man ist bei amerikanischen Bands neuerdings ja immer versucht, ihre Veröffentlichungen auf der Timeline in die Zeit vor, während oder nach Trump zu verorten, der Typ hat Zeit und Menschen dort drüben einfach so radikal verändert, dass man ihm diesen Einfluß auf die Musik und wahrscheinlich die Kunst generell leider zugestehen muss. Meat Wave aus Chicago, also Sänger und Gitarrist Chris Sutter, Drummer Ryan Wizniak und Bassist Joe Gac haben angefangen, Musik zu machen, als Barack Obama noch im Amt war, ihre ersten Veröffentlichungen erschienen 2013. Die vorliegende EP wiederum wurde aufgenommen, als sich vieles in den USA zum hoffentlich Besseren wandelte, im Herbst 2020. Das Problem: Bei aller Freude über das Wahlergebnis und die Niederlage eines brandgefährlichen Polit-Autodidakten und Turbokapitalisten bleibt doch die Beklemmung, dass knapp die Hälfte des amerikanischen Volkes eben jenen Typen so okay fand, dass sie ihn bedenkenlos mit ihrer Stimme unterstützten und mit ihm systemischem Rassismus, weißen Übermachtsphantasien, Frauenhass und militanter Waffenliebe Tür und Tor öffneten. Und diese Leute sind ja nach dem Machtwechsel im Weißen Haus nicht einfach so verschwunden, sondern immer noch Teil des Landes und seiner Mentalität. Hinzu kommt, dass es Jahre brauchen wird, um die Ungerechtigkeit und die soziale Schieflage dieser Gesellschaft wenigstens einigermaßen wieder zu reparieren, vom medialen Irrsinn einmal abgesehen.
Das sieht und hört man, nimmt man sich die sechs Songs von "Volcano Park" vor - laute, leidenschaftliche Statements zwischen Punk und Post-Hardcore über den Niedergang des gesellschaftlichen Miteinanders, über die Gefahren des Konsumismus und die Verlogenheit politisch gesteuerter Informationsfluten. Alle Tracks der 12" sind thematisch miteinander vernetzt, die Texte zitieren sich in der Abfolge, die Übergänge sind nahezu fließend. Frustration, Wut, Anklage, schon im ersten Stück "Tugboat" wird all das durchdekliniert: "You wanted it new, you get what you asked for, you wanted it, now it's all history." Offen bleibt, ob ein Umdenken angesichts der katastrophalen Zustände, die viele sich gedankenlos herbeigewählt haben und die ihnen jetzt um die Ohren fliegen, jemals stattfinden wird oder ob man nicht doch einen anderen, neuen Schuldigen sucht und findet. Weiter geht es über die Käuflichkeit einer/s jeden von uns ("For Sale"), um die Wahre Wahrheit und wie sie manipuliert oder mit Füßen getreten wird ("Truth Died"). Anfangs noch mit brachialer Gitarrengewalt und Sperrfeuerschlagzeug, verändern Meat Wave ihren Sound im Laufe der gut zwanzig Minuten merklich, bremsen ihn ab, wandeln ihn in Richtung Noise und sind für die finalen "Fire Dreams" fast beim Post-Punk angekommen. Eine spannende Band, ein vortreffliches Kurzformat und einmal mehr der Beweis, dass es für gute Platten keine Überlänge braucht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen