Sonntag, 3. November 2019

Gaddafi Gals: Einen Schritt voraus

Gaddafi Gals
Folks! Club, München, 2. November 2019

Das ist schon kurios: Normalerweise beginnen Geschichten ja genau so - erstes Konzert der ersten Tour, gespielt vor zweihundert Leuten im Kellerclub der Heimatstadt (Weiste noch, damals, München? Da ging's los...) Aber so laufen Geschichten eben heute nicht mehr, nicht die junger, ambitionierter Künstler*innen, nicht im Musikbusiness. Und natürlich auch nicht die der Gaddafi Gals. Denn von denen war schon, auch ohne das nun erschienene Debütalbum "Temple", international die Rede, da kannten sie hier nur Eingeweihte. Die New York Times nämlich hatte in dem außergewöhnlichen Stilmix von slimgirl fat, walter P99 arke$tra und blaqtea Qualitäten erkannt, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorerst gemächlich verschlafen wurden. Und so kam es, dass die Gaddafi Gals auf dem renommierten SXSW-Festival auftraten, obwohl sie daheim noch noch keine große Rolle spielten. Mit einer einzigen EP ("The Death Of Papi") und jeder Menge Mut und Selbstbewußtsein.

Und doch würden sie wohl lügen müssen, wollten sie behaupten, hier in München, einer ihrer Heimatstädte, wären sie nicht nervös gewesen. Die kleine Bühne in kaltes Blau getaucht, Nebel wabert und ein dünner, zitternder Lichtstreifen gibt das Startsignal: "Welcome to the temple of Gaddafi Gals". Den Namen wird man noch öfters hören in dem gut einstündigen Set, ähnlich wie bei den Produktionen von KitschKrieg, übernommen vom amerikanischen Hip-Hop, verortet er die Tracks, brandet sie und ist stolzes Zeichen der eigenen Identität. Dazu gehören die satten Beats und Loops, schwer und dunkel, selten schnell, der sirenenhafte Gesang von Nalan Karacagil (slimgirl fat) und harten Raps von Ebru Düzgün (blaqtea). Das alles greift ineinander, bildet eine kompakte, sich wiegende Einheit, eine Art künstlichen Organismus, der leuchtend, pulsierend, auch mal mit Fauchen und Geschrei, den Blicken standhält.



"That's us!" heißt es trotzig in "Mitsubishi", dem Song von der neuen Platte, der am ehesten als Hitsingle unter eher unkonventionellen Sounds hervorsticht. Wo andere lieber im Ferrari oder Maserati posen (und daran ist ja im aktuellen Deutschrap nun wahrlich kein Mangel), bevorzugt das Trio die Außenseiterrolle, die Abgrenzung, den Unterschied. Man darf das wohl gern im übertragenen Sinne verstehen, die Gaddafi Gals haben es oft genug im Gespräch betont: Wichtig ist nicht so sehr, wen sie hierzulande mit ihrer Musik überzeugen können oder bei welchem Magazin, welchem Kritiker sie zu glänzen, zu punkten vermögen. Wichtig ist vielmehr, selbst spannend zu bleiben, sich herauszufordern, sich zu entwickeln. Wenn es den Leuten gefällt - um so besser. Ihre "Gang" jedenfalls mußten sie an diesem Abend nicht überzeugen, die war schon restlos begeistert. Also irgendwie doch ein guter Start.

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