Arcade Fire „The Suburbs“ (City Slang)
Es ist ein undankbarer Job, eine neue Platte von Arcade Fire zu rezensieren, die seriöse Kritikerkaste aus Netz und Print ist da wahrlich nicht zu beneiden. Denn diese Band ist schon nach zweieinhalb Alben derart mit Erwartungen und Bedeutung befrachtet, wie es vor der Jahrtausendwende und mit einem deutlichen Mehr an Quantität vielleicht nur Radiohead oder Sonic Youth ergangen ist. Ebenso wie diese sind die Kanadier in ihrer Zeit zu Gralshütern des wahren Indierocks ausgerufen worden, auch sie gelten als Retter und Heilsbringer in Personalunion für vergangene und für kommende Dekaden. Die Versuchung ist demnach groß, gegen den Trend anzuschreiben und der behüteten und oft so selbstreferentiellen Szene mal kräftig ins träge Hinterteil zu treten.
Doch zum Granteln fehlt es mir in diesem Falle sowohl am nötigen Altersstarrsinn als auch schlichtweg am passenden Grund, und so bleibt mir nichts anderes übrig, als mich in den Jubelchor einzureihen und mit (durchaus ehrlichem) Überschwang zu konstatieren: Ja, diese Platte haut einen um, sie ist der große Wurf, als der sie angekündigt war und ja, sie kann, wenn schon nicht Leben retten, so doch für einige Augenblicke der Glückseeligkeit sorgen. Sie tut das im Übrigen nicht so wie der Erstling, der einem den Mund offen stehen ließ angesichts der vollkommenen und opulenten Magie, die dieses Kollektiv auf eine Plastikscheibe zu zaubern verstand. Es sind nicht die verwunschenen Choräle, die dunklen und geheimnisvollen Klänge von „Funeral“, die – obschon auch auf „The Suburbs“ vorhanden – einen jetzt in den Bann schlagen, sondern eher die Leichtigkeit, mit der die Butler’sche Großfamilie dem vergleichsweise geradlinigen Popsong auf diesem Werk huldigt und es versteht, auch solche – quasi in Reihe – auf den Longplayer zu packen.
Schon bei der ersten Single „The Suburbs“ befällt einen zusammen mit Win Butler eine Art sehnsüchtige Wehmut und gern soll an dieser Stelle noch einmal aus dem Text zitiert werden, weil er doch auch für mich so perfekt zu passen scheint: „So can you understand why I want a daughter while I’m still young? I want to hold her hand and show her some beauty before all this damage is done.“ Bei so viel nachdenklicher Sinnhaftigkeit kommen einem schnell Jochen Distelmeyers Zeilen aus „Murmel“ in den Sinn, ach Jungens … Ebenso wie das Titelstück sind auch „Ready To Start“ (mit dem Gesang wuchtiger Rotorblätter im Abgang) und „Modern Man“ im besten Sinne simple Großtaten, das verspielte „Rococo“ erinnert dann als erstes an die Frühwerke der Band und fast scheint es, Butler habe sich, rein phonetisch, etwas Rat bei Caetano Veloso und seinem „Cucurrucucú Paloma“ geholt. „Empty Room“ fidelt sich zweistimmig zu gewohnter, atemberaubender Größe – da steht sie fest und wacker, die „Wall Of Sound“. Mit neugewonnener Stärke versehen dann wieder „City With No Children“, „Suburban War“ und das lässig geklampfte „Wasted Hours“, allesamt von bestechender Einfachheit. Textlich hat sich weitaus weniger verändert, die als „Hohepriester der Melancholie“ titulierte Band bleibt ihrem Ruf treu und präsentiert so eine Art traurig-schönen Roadmovie als gereiften Blick in die Vergangenheit, ent/täuscht, illusionslos und doch ein wenig verklärt.
Es ist wirklich erstaunlich, wie Arcade Fire über die beachtliche Länge von fast siebzig Minuten Qualität und Spannung zu halten vermögen, erstaunlich auch wegen der für sie ungewöhnlichen Bandbreite zwischen sakralen, vielspurigen Orchesternummern (Half Light I/Sprawl I), melodischem Riff-Rock (Deep Blue), ungebremstem Garagepunk (Month Of May) und sogar einem unglaublichen Ausflug in abbaeske Tanzbarkeit bei „Sprawl II“. Es ist dieser meisterhaft ausbalancierte Facettenreichtum, der „The Suburbs“ wohltuend vom Vorgänger „Neon Bible“ abhebt und so den nachhaltigeren Eindruck hinterlässt. Ein Meisterwerk, ohne Zweifel. You're so damn right, Wigger.
http://www.arcadefire.com/
Es ist ein undankbarer Job, eine neue Platte von Arcade Fire zu rezensieren, die seriöse Kritikerkaste aus Netz und Print ist da wahrlich nicht zu beneiden. Denn diese Band ist schon nach zweieinhalb Alben derart mit Erwartungen und Bedeutung befrachtet, wie es vor der Jahrtausendwende und mit einem deutlichen Mehr an Quantität vielleicht nur Radiohead oder Sonic Youth ergangen ist. Ebenso wie diese sind die Kanadier in ihrer Zeit zu Gralshütern des wahren Indierocks ausgerufen worden, auch sie gelten als Retter und Heilsbringer in Personalunion für vergangene und für kommende Dekaden. Die Versuchung ist demnach groß, gegen den Trend anzuschreiben und der behüteten und oft so selbstreferentiellen Szene mal kräftig ins träge Hinterteil zu treten.
Doch zum Granteln fehlt es mir in diesem Falle sowohl am nötigen Altersstarrsinn als auch schlichtweg am passenden Grund, und so bleibt mir nichts anderes übrig, als mich in den Jubelchor einzureihen und mit (durchaus ehrlichem) Überschwang zu konstatieren: Ja, diese Platte haut einen um, sie ist der große Wurf, als der sie angekündigt war und ja, sie kann, wenn schon nicht Leben retten, so doch für einige Augenblicke der Glückseeligkeit sorgen. Sie tut das im Übrigen nicht so wie der Erstling, der einem den Mund offen stehen ließ angesichts der vollkommenen und opulenten Magie, die dieses Kollektiv auf eine Plastikscheibe zu zaubern verstand. Es sind nicht die verwunschenen Choräle, die dunklen und geheimnisvollen Klänge von „Funeral“, die – obschon auch auf „The Suburbs“ vorhanden – einen jetzt in den Bann schlagen, sondern eher die Leichtigkeit, mit der die Butler’sche Großfamilie dem vergleichsweise geradlinigen Popsong auf diesem Werk huldigt und es versteht, auch solche – quasi in Reihe – auf den Longplayer zu packen.
Schon bei der ersten Single „The Suburbs“ befällt einen zusammen mit Win Butler eine Art sehnsüchtige Wehmut und gern soll an dieser Stelle noch einmal aus dem Text zitiert werden, weil er doch auch für mich so perfekt zu passen scheint: „So can you understand why I want a daughter while I’m still young? I want to hold her hand and show her some beauty before all this damage is done.“ Bei so viel nachdenklicher Sinnhaftigkeit kommen einem schnell Jochen Distelmeyers Zeilen aus „Murmel“ in den Sinn, ach Jungens … Ebenso wie das Titelstück sind auch „Ready To Start“ (mit dem Gesang wuchtiger Rotorblätter im Abgang) und „Modern Man“ im besten Sinne simple Großtaten, das verspielte „Rococo“ erinnert dann als erstes an die Frühwerke der Band und fast scheint es, Butler habe sich, rein phonetisch, etwas Rat bei Caetano Veloso und seinem „Cucurrucucú Paloma“ geholt. „Empty Room“ fidelt sich zweistimmig zu gewohnter, atemberaubender Größe – da steht sie fest und wacker, die „Wall Of Sound“. Mit neugewonnener Stärke versehen dann wieder „City With No Children“, „Suburban War“ und das lässig geklampfte „Wasted Hours“, allesamt von bestechender Einfachheit. Textlich hat sich weitaus weniger verändert, die als „Hohepriester der Melancholie“ titulierte Band bleibt ihrem Ruf treu und präsentiert so eine Art traurig-schönen Roadmovie als gereiften Blick in die Vergangenheit, ent/täuscht, illusionslos und doch ein wenig verklärt.
Es ist wirklich erstaunlich, wie Arcade Fire über die beachtliche Länge von fast siebzig Minuten Qualität und Spannung zu halten vermögen, erstaunlich auch wegen der für sie ungewöhnlichen Bandbreite zwischen sakralen, vielspurigen Orchesternummern (Half Light I/Sprawl I), melodischem Riff-Rock (Deep Blue), ungebremstem Garagepunk (Month Of May) und sogar einem unglaublichen Ausflug in abbaeske Tanzbarkeit bei „Sprawl II“. Es ist dieser meisterhaft ausbalancierte Facettenreichtum, der „The Suburbs“ wohltuend vom Vorgänger „Neon Bible“ abhebt und so den nachhaltigeren Eindruck hinterlässt. Ein Meisterwerk, ohne Zweifel. You're so damn right, Wigger.
http://www.arcadefire.com/