Samstag, 31. Juli 2010

Gehört_167



Arcade Fire „The Suburbs“ (City Slang)
Es ist ein undankbarer Job, eine neue Platte von Arcade Fire zu rezensieren, die seriöse Kritikerkaste aus Netz und Print ist da wahrlich nicht zu beneiden. Denn diese Band ist schon nach zweieinhalb Alben derart mit Erwartungen und Bedeutung befrachtet, wie es vor der Jahrtausendwende und mit einem deutlichen Mehr an Quantität vielleicht nur Radiohead oder Sonic Youth ergangen ist. Ebenso wie diese sind die Kanadier in ihrer Zeit zu Gralshütern des wahren Indierocks ausgerufen worden, auch sie gelten als Retter und Heilsbringer in Personalunion für vergangene und für kommende Dekaden. Die Versuchung ist demnach groß, gegen den Trend anzuschreiben und der behüteten und oft so selbstreferentiellen Szene mal kräftig ins träge Hinterteil zu treten.

Doch zum Granteln fehlt es mir in diesem Falle sowohl am nötigen Altersstarrsinn als auch schlichtweg am passenden Grund, und so bleibt mir nichts anderes übrig, als mich in den Jubelchor einzureihen und mit (durchaus ehrlichem) Überschwang zu konstatieren: Ja, diese Platte haut einen um, sie ist der große Wurf, als der sie angekündigt war und ja, sie kann, wenn schon nicht Leben retten, so doch für einige Augenblicke der Glückseeligkeit sorgen. Sie tut das im Übrigen nicht so wie der Erstling, der einem den Mund offen stehen ließ angesichts der vollkommenen und opulenten Magie, die dieses Kollektiv auf eine Plastikscheibe zu zaubern verstand. Es sind nicht die verwunschenen Choräle, die dunklen und geheimnisvollen Klänge von „Funeral“, die – obschon auch auf „The Suburbs“ vorhanden – einen jetzt in den Bann schlagen, sondern eher die Leichtigkeit, mit der die Butler’sche Großfamilie dem vergleichsweise geradlinigen Popsong auf diesem Werk huldigt und es versteht, auch solche – quasi in Reihe – auf den Longplayer zu packen.

Schon bei der ersten Single „The Suburbs“ befällt einen zusammen mit Win Butler eine Art sehnsüchtige Wehmut und gern soll an dieser Stelle noch einmal aus dem Text zitiert werden, weil er doch auch für mich so perfekt zu passen scheint: „So can you understand why I want a daughter while I’m still young? I want to hold her hand and show her some beauty before all this damage is done.“ Bei so viel nachdenklicher Sinnhaftigkeit kommen einem schnell Jochen Distelmeyers Zeilen aus „Murmel“ in den Sinn, ach Jungens … Ebenso wie das Titelstück sind auch „Ready To Start“ (mit dem Gesang wuchtiger Rotorblätter im Abgang) und „Modern Man“ im besten Sinne simple Großtaten, das verspielte „Rococo“ erinnert dann als erstes an die Frühwerke der Band und fast scheint es, Butler habe sich, rein phonetisch, etwas Rat bei Caetano Veloso und seinem „Cucurrucucú Paloma“ geholt. „Empty Room“ fidelt sich zweistimmig zu gewohnter, atemberaubender Größe – da steht sie fest und wacker, die „Wall Of Sound“. Mit neugewonnener Stärke versehen dann wieder „City With No Children“, „Suburban War“ und das lässig geklampfte „Wasted Hours“, allesamt von bestechender Einfachheit. Textlich hat sich weitaus weniger verändert, die als „Hohepriester der Melancholie“ titulierte Band bleibt ihrem Ruf treu und präsentiert so eine Art traurig-schönen Roadmovie als gereiften Blick in die Vergangenheit, ent/täuscht, illusionslos und doch ein wenig verklärt.

Es ist wirklich erstaunlich, wie Arcade Fire über die beachtliche Länge von fast siebzig Minuten Qualität und Spannung zu halten vermögen, erstaunlich auch wegen der für sie ungewöhnlichen Bandbreite zwischen sakralen, vielspurigen Orchesternummern (Half Light I/Sprawl I), melodischem Riff-Rock (Deep Blue), ungebremstem Garagepunk (Month Of May) und sogar einem unglaublichen Ausflug in abbaeske Tanzbarkeit bei „Sprawl II“. Es ist dieser meisterhaft ausbalancierte Facettenreichtum, der „The Suburbs“ wohltuend vom Vorgänger „Neon Bible“ abhebt und so den nachhaltigeren Eindruck hinterlässt. Ein Meisterwerk, ohne Zweifel. You're so damn right, Wigger.
http://www.arcadefire.com/

Donnerstag, 29. Juli 2010

Jochen kommt noch mal ...



... und wer ihn bei seiner ersten Solomucke nicht gesehen hat, sollte sich mal schleunigst Karten besorgen:

14.08. Eschwege - Open Flair-Festival
23.09. Hamburg - Reeperbahn Festival
12.10. Berlin - Festsaal Kreuzberg
17.10. München - 59 to 1
18.10. Graz - PPC
19.10. Wien - Fluc
20.10. Wels - Schlachthof
22.10. Wolfsburg - Hallenbad
24.10. Wiesbaden - Schlachthof
25.10. Köln - Gebäude 9

Dienstag, 27. Juli 2010

Gefunden_67



Ich wage mal die These, dass sich im Ferienmonat August abgesehen von der neuen Arcade Fire musiktechnisch nicht allzu viel bewegen wird, der angeherbstelte, raureifige September aber hat gleich zwei Neuheiten zu bieten: Das vierte Album von Interpol und das zweite der Altherrenkapelle Grinderman. Zu letzterem gibt es auch schon eine Single mit einem gruseligen Cover und obendrein die langerwartete Nachricht, dass sich Nick Cave mit seinen Kumpanen noch mal in den Tourbus setzt und auch an der Isar vorbeischauen wird. Das wird ein Spaß!
"Heathen Child" bei Pitchfork
11.10. München, Muffathalle
13.10. Leipzig, Haus Auensee
14.10. Berlin, Columbia-Halle
15.10. Köln, E-Werk
12.10. Hamburg, Docks

Montag, 26. Juli 2010

Gehört_166



I Heart Hiroshima „The Rip“ (Valve Records)
Geht dir das auch so? Du hörst den ersten Akkord einer dir bis dato unbekannten Band. Das gefällt Dir, das klingt noch nach Probenkeller und Kleinstadtclub, nach Enthusiasmus, so jung, so unbekümmert und doch so ernst, wie Du selbst einmal warst. Ist lange her, klar. Und du hoffst inständig, dass die Stimme, die jetzt gleich einsetzen muß, den Eindruck nicht versaut, denn von diesem ersten Eindruck hängt viel ab. Für dich vielleicht nur noch die Wahl zwischen „wunderbar“, „geht so“ oder „schon vergessen“, für andere kann dieser erste Eindruck das komplette Leben verändern, wie das bei dir vielleicht Sonic Youth, The Smiths oder die Guided By Voices geschafft haben – damals ... Keine Sorge, Matthew Somers, neben Susie Patten bei I Heart Hiroshima für die Vocals zuständig, macht keinen Fehler und so gelingt schon mit dem Eröffnungsstück „Count Me In“ ein flotter, überzeugender Einstieg. Das nachfolgende „Got Out“ erinnert in seiner Vehemenz an die ersten Stücke der Studentencombo The Thermals, weitere Songs, wie „Old Tree“ oder „River“, haben wiederum Ähnlichkeit mit denen ihrer Landsleute, den frühen Go-Betweens, ein Vergleich, der ja nun weiß Gott nicht gerade als Rufmord gelten kann. All das kommt noch dazu angenehm kurz und bündig daher, das längste Stück „Ocean“ dauert gerade mal viereinhalb Minuten und das auch nur deshalb, weil es eine Schande wäre, die bezaubernden Gitarrenspuren allzu früh zu stoppen. Kann durchaus sein, dass ich mich zu Beginn etwas in den Maßstäben vergriffen habe, aber wie anders sollte man denn die musizierende Jugend von heute motivieren als mit überzogenem Anspruch. Bliebe es nämlich bei den beiden Platten (Debüt: Tuff Teef, 2007), wäre das nicht nur für die Australier, sondern auch für uns jammerschade.
http://www.ihearthiroshima.com/

Gefunden_66



Neues Video zur neuen Single "Spectacular Girl" zur neuen Eels-Platte "Tomorrow Morning" (VÖ 31.08.2010) - danach muß die Frage lauten: Und wie gut kennst D u Deine Frau?

Donnerstag, 22. Juli 2010

Gefunden_65



Für alle, deren Retter-Shirt schon nicht mehr ganz so frisch aussieht, gibt es ürbigens auch eine hübsche Alternative von "Storch Heinar".
http://www.storchheinar.de/

Mittwoch, 21. Juli 2010

Gehört_165



Kristin Hersh „Crooked“ (Harpercollins)
Wer sich einmal auf die Seite der kleinen Amerikanerin aus Georgia geschlagen hat, vielleicht auch schon die Chance hatte, sie live zu sehen, der hat eine Entscheidung für’s Leben getroffen. Denn Kristin Hersh ist sowohl bei Musik als auch deren Präsentation eine Frau, an der sich die Geister scheiden. Wenn sie da auf einer, gemessen an ihrer Körpergröße, immer zu groß geratenen Bühne steht, dieses geheimnisvolle Lächeln auf den Lippen und den Blick stets knapp über den Köpfen des Publikums festgezurrt, fast starr – für manch einen ist das gewöhnungsbedürftig. Auch ihre, gerade in hohen und lauten Tonlagen, oft brüchige und stets energische Stimme wird dem einen oder anderen Unbehagen bereiten. Sei’s drum, ich habe mich schon 1990 auf einem Konzert der Throwing Muses entschieden, dass ich eben dieser Frau, dieser Stimme, den anrührenden Geschichten auf ewig verfallen sein werde. Im Übrigen bin ich nach wie vor der Meinung, dass „Your Ghost“ (Hips And Makers, 1994) als Duett mit Michael Stipe zu den wohl zehn, zwölf schönsten Songs überhaupt gehört und sollte das Jüngste Gericht irgendwann doch einmal herniederkommen, dann wäre das ein passender Abschied vom Diesseits, denn für dieses Stück hat der Herrgott die Tränen gemacht.
Genug davon – das neue Album ist ein gutes geworden. Kristin Hersh hat ja im Laufe ihrer Solokarriere auch eine ganze Reihe eher leiser, behutsamer Platten gemacht, mehr und mehr nimmt sie aber wieder, vielleicht eine Folge der Wiederbelebung der Muses oder auch ihrer Arbeit mit den teils infernalischen 50 Foot Wave, deutlich mehr Härte mit ins Programm. Die Gitarren kratzen und schrammeln, das Schlagzeug scheppert ordentlich, schon „Mississippi Kite“ geht gut drauflos, auch der behäbige Blues von „Moan“ ist grandios. Wie bei früheren Stücken spielt sie gern mit Kontrasten, setzt gern lautes Gebrüll gegen leises Wispern, garstige Riffs gegen zarte Akkustik, in diesem Wechselspiel liegt ihre große Stärke und der immerwährende Reiz der einzelnen Songs. Auch der bedächtig wiegende Rhythmus zeichnet diese Platte wie die vorigen aus – das an Neil Young gemahnende „Coals“ könnte wohl noch ewig weiterschaukeln, all die wunderbaren Rückkopplungen inklusive. Die anfangs mit Cello und Piano begleitete Ballade „Krait“ endet kraftvoll im Strudel elektrisch verstärkter Verzerrungen, das anschließende „Flooding“ kommt dagegen fast ohne Instrumentierung aus. „Crooked“ gibt es im Übrigen, neu in dieser Form, als gebundene Buchausgabe mit einem speziellen digitalen Code, der zu reichhaltigem Artwork, Linernotes und Essays jede Menge an zusätzlichem Content wie Videomaterial, Audiokommentare, Studio-Outtakes und einen Zugang zum Fanforum liefert. Das also für die Unersättlichen, der Rest kann sich ohne weiteres schon in der Musik verlieren ...
www.kristinhersh.com

Dienstag, 20. Juli 2010

Gelesen_7



Henning Mankell „Der Feind im Schatten“ (Zsolnay)
Nun ist er also fort, der Kurt Wallander, unwiderruflich. Mankell hat ihm, mit drei endgültigen Sätzen am Ende des Buches, kein Schlupfloch mehr gelassen, es gibt kein Hintertürchen, einen Cliffhanger schon gar nicht. Abgang, Ende. Er ist ja nicht der erste der großen Ermittler, der gehen musste, weil er seinem Schöpfer ausreichend beleuchtet und abgearbeitet schien – auch Nessers van Veeteren, Sjöwall/Wahlöö’s Kommissar Beck, Dexters Inspector Morris und der Commissaris von van Wetering, um nur einige wenige zu nennen, ereilte das gleiche Schicksal.

Und dennoch, als treuer Begleiter von Mankells verschlossenem und wenig lebensfrohem, doch trotzdem sehr erfolgreichen Kriminalbeamten, ertappt man sich während der Lektüre dieses letzten Romans der Reihe desöfteren bei dem Wunsch, Mankell hätte dieses Buch doch besser nicht geschrieben. Für einen leidenschaftlichen Anhänger der stets recht unkonventionellen Wallanderschen Ermittlungsarbeit, sein Gespür für allzu menschliche Ab- und Hintergründe, seine immerwährenden Grübeleien und persönlichen Unzulänglichkeiten klingt dieser Wunsch natürlich etwas widersprüchlich. Und erklärt sich doch aus dem Inhalt des aktuellen Werkes.

„Der Feind im Schatten“ ist mehr noch als seine Vorgänger ein Grenzgänger zwischen Kriminalstück und Gesellschaftsprosa und ähnelt in seiner tieftraurigen, düsteren Diktion eher Mankells historischen Epen „Vor dem Frost“ und „Tiefe“. Ungleich viel mehr Gewicht als dem Spannungsbogen, also der Ermittlung in schwedischen Militär- und Geheimdienstkreisen, wird hier der Privatperson Kurt Wallander geschenkt, das Buch scheint als endloser Abschiedsreigen all seiner größtenteils missglückten und ungelösten Lebensstationen gedacht: die schwierige Beziehung zum verstorbenen Vater, die Distanz zur eigenen Tochter und ihrer neuen Familie, die fast schon aggressive Ablehnung jeglichen Kontaktes zu seiner ebenfalls gescheiterten Exfrau, der schmerzhafte Abschied von seiner großen Liebe Baiba und nicht zuletzt die Unfähigkeit, sich in das eigene, schwindende und beschwerlicher werdendere Leben hineinzufinden. Seite um Seite ringt Wallander mit dem Unabänderlichen, zetert, jammert, hofft und lamentiert, selten wirkt er gefasst oder mit sich im Reinen und wenn er zur Mitte des Buches hin plötzlich einmal beschwingt und beschwerdelos für kurze Zeit einen Spaziergang zu genießen weiß, schrickt man regelrecht auf und bleibt natürlich argwöhnisch wie der Protagonist selbst, weil man die Fallhöhe kennt, die es anschließend auszuhalten gilt.

Natürlich ist Mankells Wallander nie einfach zu haben gewesen, er war immer der Depression näher als dem frohen Überschwang und irgendwie war das ja auch immer Teil seiner Arbeit, an der man so gern teilnahm. Wenn einen anfangs, der langjährigen Verbundenheit wegen, noch Mitgefühl für sein Schicksal einnimmt, stoßen einen Selbstmitleid und Selbstgerechtigkeit dieses Mannes doch zunehmend ab, und gerade das Fehlen einer wirklich fesselnden Rahmenhandlung – der Ausflug ins Spionagemillieu bleibt seltsam blass und ohne wirkliches Crescendo – lässt am Ende leider nur einen verbitterten und vereinsamten alten Mann zurück, der noch lange nicht bei sich angekommen ist und diese Chance wohl auch durch die besonderen Umstände, in welche er gerät, nicht mehr bekommen wird.

Gute Literatur trotzdem und ohne Frage, und doch ein Abschied, den man sich so gern erspart hätte. Im Übrigen gibt es zum Thema Demenz in der neuzeitlichen Kriminalliteratur mit Martin Suters „Small World“ ein mindestens ebenso anrührendes Standardwerk, welches durch etwas mehr Stringenz und Sachlichkeit zu überzeugen weiß.
http://www.mankell.de/

Sonntag, 18. Juli 2010

Gehört_164



Big Boi "Sir Lucious Left Food: The Son Of Chico Dusty" (DefJam)
Sollte noch irgendwer geglaubt haben, Atwan Andre Patton alias Big Boi wäre nur der ebenso schwergewichtige wie schwerfällige Sidekick vom ewig gutgelaunten Outkast-Sunnyboy André 3000, der nur mit von der Partie ist, weil's ganz so fröhlich nicht immer paßt und er doch manchmal so "gangstamäßig" rüberkommt, der weiß sich nun eines besseren belehrt. Gerade tingelte noch die von Outkast protegierte Janelle Monáe im Player, nun kann man diese guten Gewissens gegen das Debüt des selbsternannten "Klangkriegers" tauschen, denn dessen Album zeigt doch deutlich mehr Biss und trotz aller Vielfalt genügend Linie zur ausreichenden Orientierung. Patton ist ja schon im Hauptjob ein experimentierfreudiger Junge gewesen, diesen Weg geht er auch mit seinem Alter Ego Sir Lucious Left Food konsequent weiter - erfrischender Temporap, bester P-Funk und reichlich quirlige Soundideen, die wirklich jeden einzelnen Song zum Erlebnis machen. "Daddy Fat Sax", "Turns Me On", "Follow Us" - alles poltert gefährlich infektiös aus den Boxen, der Mann kennt den Beat und weiß ihn zu setzen. Und wer das kann, darf dann auch mal Verdi's Aida beleihen, ohne dass es peinlich wird - er ist schließlich nicht irgendwer, er ist "General Patton". Der gefühlte Höhepunkt des Albums ist dann "Tangerine", ein Track, der zu Recht das Attribut "camp" verträgt, die einschmeichelnden Gitarrenhooks bekommt man so schnell nicht mehr aus dem Schädel. Irgendwann kommt dann noch Jamie Foxx auf einen lässigen Soul vorbei (Hustle Blood), nachdem er bei den Roots auch schon reichlich gute Ware abgeliefert hat. Pikanterweise ist das Duett mit besagter Janelle Monáe (Be Still) hier eines unter vielen gelungenen, wohingegen die Zusammenarbeit mit Big Boi auf ihrem Album eher zu den besseren Ausnahmen zählt. Dass Patton auch elektronisch bestens verkabelt ist, zeigen die beiden Stücke "Night Night" und "Back Up Plan" - spätestens hier müßte Kanye West, bisher quasi ein Alleinstellungsmerkmal intelligenten HipHops, gewarnt sein - da wird er sich mächtig strecken müssen auf dem bald erwarteten "Mr. West". Doch dazu an anderer Stelle. Für Big Boi gilt neben gebührendem Respekt: Wenn er solo so gut ist, dann wiegen die andauernden Trennungsgerüchte um Outkast gleich etwas weniger schwer.

Freitag, 16. Juli 2010

Kommen und Gehen ...



Ausgewogene Nachrichtenlage beim FC - der Trikotsponsor "Do You Football" geht in die Insolvenz, der Verein geht mit einer neuen Website an den Start, viel Bewegung drin in der Aufwärmphase.
http://www.fcstpauli.com/

Donnerstag, 15. Juli 2010

Gehört_163



Janelle Monáe „The ArchAndroid“ (Warner)
Es kann natürlich nicht angehen, dass man die Fähigkeit zur kunstvollen Verwandlung an einer Stelle hymnisch preist und als besondere Qualität herausstellt, um sie dann im nächsten Moment als irreführend und beliebig zu geißeln. Möglicherweise liegt dem aber auch eine gewissen Voreingenommenheit zugrunde, nachdem alle Welt voller Überschwang auf dieses Album reagiert, schnell mal die bisherigen Bewertungsmaßstäbe über den Haufen schmeißt oder – wie die WELT – die Platte sogar auf die Seite 1 hebt. Bei mir jedenfalls blinkt da ein kleines rotes Warnlämpchen mit der Aufschrift „Vorsicht!“ und ich frage mich: Ist denn dieses überlange Epos d i e Sensationsmeldung des Sommers, das also, was Outkast vor längerer und Gnarls Barkley vor nicht allzulanger Zeit einmal waren? Mir für meinen Teil treibt es die gute Janelle Monáe etwas zu weit mit dem Stylehopping, ich fühle mich – nun ja, ein wenig überfordert beim wilden Ritt durch’s Repertoire. Das mag an den Hörgewohnheiten des Rezepienten liegen, jedenfalls hätte ich mir eine Art Schwerpunkt gewünscht, also zwei, drei Songs einer Stilrichtung, die als eine Art Klammer hätten fungieren können bei dem ganzen Hin und Her. So jedoch heißt es: Kulisse rein, Kulisse raus, man kommt kaum aus dem Staunen heraus und ist doch am Ende platt und etwas müde. Subjektive Antipoden – auf der einen Seite das angenehm lässige „Tightrope“ und ein gefühlvolles und verträumtes „57821“ und dagegen das nervtötend spleenige „Mushrooms & Roses“ und ein mehr als durchschnittliches „Locked Inside“, dazwischen HipHop, Soul, Bigband, Barjazz, TripHop, Klassik, Punkrock, Dance, Psychedelia und was nicht alles kommt und geht. Milde geurteilt, kann Janelle Monáe sehr vieles sehr gut, weniger charmant ließe sich das ganze aber auch als eine allzu eitle Nummernrevue ohne wirkliche Tiefe bezeichnen. Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte liegen, der Quantensprung zu Stilikonen wie Grace Jones steht trotz dieses Albums allerdings noch aus.
http://www.myspace.com/janellemonae

Mittwoch, 14. Juli 2010

Bonne Chance!



Schaden kann ein wenig Crosspromotion (hüstel) sicher nicht - Catherine Collin, auf diesem Blog eingetragene und somit akkreditierte Stammleserin, startet dieser Tage mit ihrer Firma und Website, um dem Berufsstand des Landschaftsarchitekten künftig die standesgemäße, mediale Bedeutung zukommen zu lassen. Dafür an dieser Stelle die besten Wünsche!

Der Countdown läuft ...



... und natürlich an dieser Stelle noch einmal die Präsentation der wichtigsten Neuzugänge beim FC (von links nach nicht ganz so links): Carlos Zambrano (FC Schalke 04), Fin Bartels (FC Hansa Rostock), Gerald Asamoah (FC Schalke 04) und Moritz Volz (Ipswich Town). Heißer Dank natürlich an Antje für die mehr als guten Bilder, als Dreingabe noch ein sonniges Mannschaftsfoto. Die Saison kann kommen!

Dienstag, 13. Juli 2010

Gehört_162



School Of Seven Bells "Disconnect From Desire" (PIAS)
Ganz ehrlich, wenn die Platte so weitergegangen wäre, wie man beim ersten Lied, der Single "Windstorm", befürchten musste - ich hätte sie umgehend in die Ecke gepfeffert und einen saftigen Verriß an die gleiche Stelle gesetzt. Denn die Vielzahl derer die meinen, man könnte nichts falsch machen, wenn man nur halbwegs wie Arcade Fire klänge, ist noch immer enervierend groß. So aber haben Ex-Secret-Machines-Gitarrist Benjamin Curtis und die Zwillingsschwestern Alejandra und Claudia Deheza nur einen einzigen Titel in den Sand gesetzt und der ist nach knapp vier Minuten schon wieder vergessen. Was danach kommt, macht deutlich mehr Freude: Shoegazerpop der ganz feinen Sorte, verträumt, schimmernd und an den richtigen Stellen synthetisch veredelt. Natürlich gibt's die School Of Seven Bells auch jetzt nicht ohne ehrwürdige Vorbilder, die aber kommen nicht so sorglos kopiert daher wie beim Eröffnungsstück - erfreuliche Parallelen mit Laetitia Sadier und Stereolab zum Beispiel bei "Dust Devil" und "Babelonia", die eine ähnlich hypnotische Wirkung aufbauen können wie Stücke der britischen Indiegötter. Bei vielen Passagen meint man natürlich, Kevin Shields habe dauerhaft im Aufnahmeraum herumgeschraubt, "Joviann" zum Beispiel hat annähernd die Majestät von My Bloody Valentine. "Camarilla" und "Bye Bye Bye" wiederum könnten auch von Hot Chip stammen, sind hübsche, verspielte Songs mit Wiedererkennungseffekt. Möglich, dass sie die Qualität ihres Debütalbums "Alpinisms" nicht ganz haben halten können, vielleicht fehlen so brillante Stücke wie "White Elephant Coat" oder "Iamundernodisguise". Und doch ist "Disconnect From Desire" eine Platte geworden, die man gern auch noch öfter hören möchte, ich für meinen Teil darf halt nur die Skip-Taste für den Einstieg nicht vergessen ...
http://www.sviib.com/

Montag, 12. Juli 2010

Gehört_161



M.I.A. „MAYA“ (XL/V2)
Natürlich kann, wer über Mathangi „Maya“ Arulpragasam, kurz M.I.A. und ihre neue Platte schreibt, den Wust an aufgeregtem pseudopolitischem – tja: Content nicht ganz außer Acht lassen. Seit Beginn ihrer Karriere im Jahre 2005 gilt ihre mediale Attitüde als diskussionswürdig, sie selbst je nach Betrachtungswinkel mal als selbstgerechte Salonaktivistin oder streitbare Kämpferin gegen Globalisierung und Weltenarmut. Dass sie zusammen mit dem Sohn des Time-Warner-Chefs Edgar Bronfman im weißen Nobelviertel von L.A. residiert und sich nicht ganz ohne eigenes Zutun zur revolutionären Sexikone stilisieren läßt, erhöht den Irritationsgrad und hält sie im Gespräch, genauso wie ihre leicht angezickten Äußerungen über Kolleginnen wie Lady Gaga.

Eigentlich könnte sie gut auf dieses ganze Ballyhoo verzichten, sagen zumindest diejenigen, die ihr grundsätzlich wohlmeinende Absichten unterstellen und den täglich getwitterten Schwachsinn nicht höher bewerten als einen Fliegenfurz. Denn abseits aller Nebengeräusche macht diese Frau zusammen mit diversen Produzenten seit mehreren Jahren und drei Alben noch immer die interessanteste und aufregendste Musik der Jetztzeit und ist meilenweit davon entfernt, als bloßes Popsternchen wahrgenommen zu werden. Auch „MAYA“ ist, wie seine Vorgänger „Arular“ und „Kala“, wieder ein aufregendes Patchworkmonster geworden, vollgestopft mit elektronisch verschnittenem Baile-Funk, Dance, erstaunlichen Meta(l)morphosen und Industrial, wie gewohnt eingebettet in raues und aggressiv pumpendes Beatgewitter. Nach knapper Einleitung setzt ein träges und schwermetallisches „Steppin’ Up“ den ersten Glanzpunkt, gefolgt vom schnelleren und fast poppigen „XXXO“. Das gut sechsminütige „Teqkilla“ spielt die komplette Klaviatur der M.I.A.’schen Stilmixtur herunter, verrückt, verwegen und gewaltig – fast folgerichtig bezieht sie sich bei der Frage nach ihren aktuellen Vorbildern auch auf die beiden hier schon erwähnten Lieblingskinder der elektronischen Indieszene Crystal Castles und Sleigh Bells.

Bei „Lovealot“ bekommt die NYT-Redakteurin Lynn Hirschberg noch einmal eine unmißverständliche Erklärung für M.I.A.’s Verhaltensmuster, welches sie dank spontan geposteter Mobilnummer schon leidvoll kennenlernen durfte: „I love a lot, but I fight the one that fight me“. Nach lässigen Reggae-Anleihen bei „It Takes A Muscle“ dann der nächste Höhepunkt – zu „Born Free“ und dem dazugehörigen, ebenso genialen wie umstrittenen Videoclip von Romain Gavras ist schon mächtig viel geschrieben worden, der Song selbst ist ebenso brutal wie die ihn begleitenden Bilder – ein Statement, eine Provokation, nicht weniger. Noch härter, aber wesentlich konventioneller dann „Meds & Feds“, ein Gitarrenmashup, gegen den das soulig klagende „Tell Me Why“ fast wie ein Fremdkörper wirken muss.

Dennoch, es bleibt dabei: Es gibt derzeit kaum jemanden, der eine lebendigere, pulsierendere Verpackung für politisch korrekte Straßenkampfpropaganda anbieten kann als die egozentrische Tamilin. Deshalb und in Anbetracht ihres scheinbar unerschöpflichen Talents mag man sich gern den Worten ihres Labelchefs anschließen: „Es geht letztlich [nur] darum, den Moment zu erwischen, in dem man die populäre Kultur ein Stück bewegen kann. Maya kann die Position der Nadel verändern. Ich will dahin, wo sie mich hinbringen wird.“
http://www.miauk.com/

Donnerstag, 8. Juli 2010

Gehört_160



Sleigh Bells „Treat“ (Sony)
Die Frage wird lauten: Braucht man das? Das ist so selten melodisch wie harmonisch und ebenso weit davon entfernt, sich beim Hörer einschmeicheln zu wollen. Wer also braucht Musik, die sich anfühlt, als bekäme man knappe fünfunddreißig Minuten pausenlos eins mit einem Knüppel über den Schädel gezogen. Und noch mal. Feste druff. Das sonnige Chearleadercover führt genauso in die Irre wie der niedliche Name der Truppe, denn Achtung: Gleich von Beginn an werden hier die Geschosse in Stellung gebracht, um dann ohne Gnade loszuballern, als gäbe es kein Morgen. Zu dem ohnehin brachialen Getrommel kommen noch Gitarren, die ganz offensichtlich mit den Zähnen angerissen werden, dazu barbarisches Geschrei und tonnenschwere Synthiewände und fertig ist die krude Mischung. Man kennt Ähnliches von den Crystal Castles oder auch auch in Ansätzen von Primal Scream und ihrer recht eigenwilligen und experimentellen Platte „XTRMNTR“. Warum es hier trotzdem funktioniert, könnte zum einen an der Knappheit der Songs liegen, die jeder für sich genommen nicht überbeanspruchen. Zudem ist dieser Hardcore-Dance von einer reizvoll agressiven Rhythmik, wie ihn ja auch extremer Mathmetal oder geloopte Breakbeats bieten. Und dass beileibe nicht alles so stur durchgeprügelt werden muß wie die Stücke „Riot Rhythm“ oder „Infinity Guitars“, zeigen die vergleichsweise lieblichen „Rachel“ oder auch „Rill Rill“. Für den Rest sollte dann aber eine ordentliche Anlage in der Wohnung stehen, denn spätestens „Crown On The Ground“ und das punkige „Straight A’s“ machen aus weniger belastbaren Membranen Konfetti. Ein paar Eierkartons für die Wände wären auch nicht zu verachten, denn man sollte dieses „Glockenspiel“ nicht zu leise hören – der Schmerz geht wieder und irgendwann läßt auch das lästige Pfiepen im Ohr nach, ganz sicher ...
http://www.myspace.com/sleighbellsmusic

Mittwoch, 7. Juli 2010

Naja, Giovane ...



"Ich glaube, das wird eher eine südamerikanische WM. Argentinien und Brasilien sind gute Mannschaften. Spanien schafft es bis ins Finale. An Deutschland glaube ich nicht. Das Viertelfinale müssen sie schaffen. Aber mehr traue ich den Deutschen nicht zu. Mein Geheimfavorit: Holland."
Giovane Elber in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Juni 2010

Montag, 5. Juli 2010

Start im Breisgau



In Südafrika laufen die deutschen Kicker noch fleißig um den WM-Titel, daheim in Deutschland sind seit heute die Startpläne für die Bundesliga auf dem Tisch. Und trotz aller gebotenen Bescheidenheit, die erste Begegnung für den FC St. Pauli gegen den SC Freiburg zählt wohl zu den machbaren. Weitere wichtige Termine für einen St. Paulianer:
WE vom 17. bis 19. September: HSV am Millerntor,
WE vom 5. bis 7. November: Pauli auf Schalke und
WE vom 10. bis 12. Dezember: Pauli beim FCB.
So - das nur zwischendurch, und nun wieder "högschde Konzentration" auf den möglichen Titel.
Spieltage der Bundesliga-Hinrunde Saison 2010/11

Donnerstag, 1. Juli 2010

Gehört_159



Kylie Minogue „Aphrodite“ (EMI)
Soll keiner behaupten, ich wäre nicht lernfähig. Nachdem ich für meine Rezension des aktuellen Albums von Goldfrapp an gleicher Stelle kräftig Prügel einstecken mußte, durfte „Aphrodite“ von Kylie Minogue ein paar Extrarunden drehen. Genützt hat es, so die ernüchternde Erkenntnis, leider nicht sehr viel: Diese Platte gehört ganz offensichtlich zu den schwächsten und uninspiriertesten der Australierin. Und auch wenn einfache Mathematik dem Pop selten gut steht – hier läßt sich eine ganz simple Rechnung aufmachen: Zwölf Songs packt Kylie Minogue auf „Aphrodite“ und von denen sind bei strenger Bewertung ganze drei wirklich gut, haben also eine Idee, überraschen und können mitreißen, der Rest ist größtenteils allzu simples und einfallsloses Bum-Tschak mit dünnem Stimmchen, nichts was einen vom Hocker zu reißen vermag. Schon die Single „All The Lovers“ kann kann nicht überzeugen und wird seine Punkte maximal mit einem einigermaßen originellen Video sammeln. Als ersten Titel auf der „Haben“-Seite kann man „Closer“ verbuchen, spannendes Intro, schöner Beat, das funktioniert bestens. Der Titelsong dagegen ist bestenfalls anstrengend, kein Charme und viel zu viel Madonna. Mit „Illusion“ pumpt dann wieder Besseres aus den Boxen, das klingt fett und dank der schmatzenden, satten Synthieloops bekommen wir auch wieder guten Dancefloor statt billigem Eurodance. Nach einer abermaligen Erholungs- aka Kreativpause dann bei „Cupid Boy“ das große Staunen, man hätte solches auf dieser Platte einfach nicht mehr erwartet. Eröffnet mit angenehm vertrauten New-Order-Gedächtnishooks pulsiert der Song über die gesamte Länge wunderbar geschmeidig in den Gehörgängen, und man bekommt eine sehnsuchtsvolle Ahnung davon, was nicht alles möglich gewesen wäre, wenn ... Am Ende kann jeder nachrechnen, dass ein Verhältnis von drei zu neun kein wirklich lohnender Deal ist, „Aphrodite“ unterm Strich also eher enttäuschendes Mittelmaß bleibt. „You know that I'm magical, and I am the original, I am the only one to make you feel this way“ singt Kylie selbstbewußt im Titeltrack, da kann man nur hoffen, dass sie sich da mal nicht täuscht.
http://www.kylie.com/