Haiyti
„Influencer“
(Hayati Musik)
War die nicht gerade … hat die nicht erst…? Ja, hat sie. Schon im Juli dieses Jahrs gab es von Haiyti eine volle Ladung neuer Songs, „Sui Sui“ hieß die und wenig überraschend war sie richtig gut. Gemäß dem Motto „Irgendwas ist immer“ darf man erwarten, dass einige am Tempo der Veröffentlichungen etwas auszusetzen haben – die gleichen wahrscheinlich, die an längeren Wartezeiten ebenso erwartbar herumnörgeln. Klar sind fünf Monate nicht viel und neunzehn Tracks nicht wenig, den kreativen Output der Wahlberlinerin deshalb vorschnell abzuschenken ist jedoch die schlechteste aller Ideen. Denn klar ist: Noch immer ist Ronja Zschoche eine wie keine, noch immer findet sie kaum Sparringspartner*innen, wenn sie in den Ring steigt. Das Ego riesig, die Punchlines fett, Stücke wie die neuen schreibt immer noch keine außer ihr und selbst die schwächeren sind besser als alles andere da draußen.
Bezog schon der Vorgänger seinen Reiz aus den düsteren Zwischentönen, den Zweifeln und ungewohnt heruntergebremsten Passagen, geht das aktuelle Album diesen Weg konsequent weiter. Natürlich gibt es sie noch, die knüppelharten Beats und die hastig hektischen Wutwortkasskaden, wo früher 100.000 Fans waren, zählt sie heute „100.000 Feinde“ – kennenlernen will sie trotzdem keinen von ihnen. Und doch ist das Gros jetzt eher dunkler, deeper LoFi-Rap, Haiyti wirkt irgendwie verloren, ja hilflos in ihren Stücken. „Macht kaputt, was mich kaputt macht“ hört man sie singen, aus dem „Serienmodell“ ist ein „On/Off Model“ geworden und glücklich wirkt sie dabei nicht. Frei nach dem Dschungel-Motto „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ taumelt und irrlichtert sie durch die Nacht, der Traum ist aus, die Kehrseiten scheinen – Klunker hin, Money her – zu überwiegen („Star und zurück“/“Holt mich raus“).
Scheint ganz so, als wäre sie von einer allzu bitteren Realität eingeholt worden, „Zu real“ das alles: „Sie sagen der Weg ist das Ziel, doch ich frag mich, wann komm ich an?“ Die Lichter der Großstadt, sie flackern trügerisch („Tokio“), das Herz brennt wie „Benzin“, nicht mehr lang bis zum Infarkt. Auch wenn in Kielwasser viele Blaupausen hinterherschwimmen, die Zahl der Neider*innen groß ist, wer bitte kann denn hier mithalten, für wen sollte sie wohl „Influencer“ sein, um mal das meistgehasste Unwort auf dem Albumtitel zu zitieren. Eine seltsam schöne Platte in seltsamen, verwirrenden Zeiten, die Gesellschaft sick, der Mob, so klein und doch so laut, am Durchdrehen, kaum ein Stein bleibt auf dem anderen, wir wissen nichts und müssen trotzdem weiter.
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