Donnerstag, 2. Mai 2019

Element Of Crime: Friedliche Geiselnahme

Element Of Crime
Support: Isolation Berlin
Circus Krone, München, 1. Mai 2019

Da soll keiner behaupten, er kümmere sich nicht um den Nachwuchs. Die Ankündigung, wen das Publikum unter ausverkauften Zirkuskuppel als Vorband erwarten dürfe, machte Sven Regener höchstselbst, neben ein paar mäßig ernst gemeinten Bemerkungen, die Kerle von Isolation Berlin könnten aufgrund ihrer Jugend sowieso alles viel besser als die alten Herren, die ihnen später folgen würden. Tobias Bamborschke revanchierte sich seinerseits mit dem Dank dafür, dass Element Of Crime seine Band auf Tournee begleiten würden. Der Junge ist ja tatsächlich ein großes Versprechen an die Zukunft, er textet und musiziert nicht nur fabelhaft, sondern schreibt mittlerweile auch eigene, lyrische Verse zwischen zwei Buchdeckel. Und man darf annehmen, dass er sich wahnsinnig auf das Engagement als Begleitband gefreut hat. Als wir ihm in einem frühen Interview ein paar Kandidaten als mögliche Vorbilder aufzählten, fielen Rio Reiser und Peter Hein unbeachtet durch, Sven Regener allerdings lobte Bamborschke in allerhöchsten Tönen, ohne ihn, so meinte er, sei sein eigenes Coming Out als Musiker nicht vorstellbar gewesen. Der Meister und der Lehrling an einem Abend, eine schönere Paarung konnte es also gar nicht geben – das Publikum begegnete den jungen und lauten Burschen dann mit wohlwollend freundlicher Reserviertheit, so schnell läßt sich die Elterngeneration nicht aus der Reserve locken.



Ihre Begeisterung heben sie sich natürlich für die Gleichaltrigen auf, nicht wenige kennen Regener und Kollegen seit Mitte der Achtziger, als sie noch ausschließlich englisch sangen (und auch da schon ganz wunderbare Platten machten). Der große Erfolg kam dann mit ihrem ersten deutschsprachigen Album „Damals hinterm Mond“ ans Rennen, seit dieser Zeit haben sie eine solch große Anzahl erinnerungswürdiger Stücke geschrieben, dass selbst Regener mit der Zuordnung mal durcheinandergerät und es sich zudem leisten kann, einen Song wie „Deborah Müller“ als alten Hit anzukündigen, auch wenn der mit seinen zehn Jahren ja noch zu den jüngeren im Gesamtwerk zählt. Es kommen später am Abend mit „Delmenhorst“ und „Weißes Papier“ noch zwei, die mehr auf dem Buckel haben, zu einem Best-Of-Abend lassen sich Element Of Crime aber dankenswerterweise nicht hinreißen. Dafür nämlich ist ihre aktuelle Platte „Schafe, Monster und Mäuse“ viel zu gut gelungen. Auf den ersten Blick mag dies ihr Berlin-Opus sein, neben den liebevollen Erinnerungen ist es aber auch ein Werk des Mahnens und Aufbegehrens, wieder ein großes, dunkles Stück Musik. Wenn Regener in „Ein Brot und eine Tüte“ dem Soziopathen Zucker gibt und zu den Takten von „Immer noch Liebe in mir“ gewohnt ungelenk und ausgelassen tanzt, dann ist das herrlich verschossen, hat sogar etwas von Kirmes-Stimmung und lädt manche/n zum lautstarken Mitgrölen ein.



Auf der anderen Seite werden „Gewitter“ und „Stein, Schere, Papier“, anders als auf dem Tonträger, live zu ziemlich schwergewichtigen Nummern – Regener steht mit seinem ernsten (und plötzlich auch sehr alten) Holzschnitt-Gesicht grell angestrahlt im Zwielicht und die Band baut eine düster dröhnende Soundkulisse auf. Keine zarten Streicher hier, statt Trost ein letzter Toast „auf die gute alte Zeit, denn die ist jetzt vorbei, und bitter schmeckt der Rauch, ein Gewitter kommt auf.“ Er weiß das zu brechen, die Stimmung schlägt zumindest an diesem Abend nicht um. Regener plaudert gern, aber nicht zu viel, kurz erzählt er ein paar Takte über die Filmmusik zu „Robert Zimmermann“, ebenso aber davon, dass es selten lohnt, dem Publikum allzu viele Erklärungen mitzugeben. Das Eintrittsgeld sei ohnehin schon entrichtet, als Geiselnehmer vertraue er im Übrigen auf das Stockholm-Syndrom, nach welchem ihm sein Publikum ohnehin Zuneigung entgegenbringen müsse, auch ohne viele Worte. Recht hat er, die Geiselnahme endet nach mehreren Zugaben erwartungsgemäß friedlich, die Band war vorzüglich, der Chef bei anhaltend guter Stimme und Laune und dass es in den nächsten Tagen draußen wieder kälter wird, dafür kann der Mann mit der Trompete nicht wirklich nichts.

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