Freitag, 19. Februar 2021

Mogwai: Die Reise ins Ich

Mogwai
„As The Love Continues“

(Rock Action Records)

In der Wochenzeitung DIE ZEIT gibt es jeden Donnerstag das Portraitfoto eines Tieres zu sehen, mal reichlich derangiert, mal mutmaßlich gut, mal schlecht gelaunt, da träge und versonnen, dort überaus neugierig oder betont desinteressiert. Daneben steht immer die gleiche Zeile: „Du siehst aus, wie ich mich fühle“. Und auch wenn Ähnliches jetzt für weniger printaffine Menschen bei Twitter unter #mood netzwerktauglich gemacht wurde – es bleibt originell, treffend und irgendwie liebenswert. Den Sound von Mogwai als liebenswert zu bezeichnen ist sicher sehr gewagt (da müsste man dann schon etymologisch ran), aber er passt genau in diesen Tagen zu besagter Rubrik: Ihr klingt, wie ich mich fühle. Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen, hört man sich das neue Album der Schotten an. Sechzig Minuten loten sie alle Höhen und Tiefen menschlicher Stimmungen aus, von überraschend entspannten Popmelodien inklusive Gitarrensoli bis hin zu dröhnenden Lärmkasskaden ist eigentlich alles dabei.



Seit Mitte der 90er sind Stuart Braithwaite und Kollegen unterwegs und das, wenn man den Äußerungen ihres Frontmannes und Gitarristen glauben mag, eigentlich ziemlich ziellos. Mogwai, so sagt Braithwaite, sind nie einem bestimmten Plan gefolgt, haben sich stets von ihren Empfindungen und von den äußeren Einflüssen treiben lassen. Das gilt sicher nicht für ihre hochgelobten Filmscores, sehr wohl aber für die zahlreichen Studioplatten. Logisch, dass sich das Quartett Zeit seines Bestehens dagegen verwahrt, in die Post-Rock Ecke geschoben zu werden, denn solche Etikettierungen stehen der Experimentierlust der Band eher im Wege. Und auch das Argument, sie seien früher viel kerniger, lauter gewesen, geht ins Leere, weil Krach eben kein Ziel, sondern eher das Ergebnis momentaner Befindlichkeit war und ist.



„As The Love Continues“ ist ein klassisches Lockdown-Album geworden, daran besteht für Braithwaite kein Zweifel. Die Musiker waren durch die allgemeinen Einschränkungen länger als sonst auf sich allein gestellt, erst ganz am Ende fand das Material zusammen. All die Dinge, welche eine solche Pandemie in uns auslösen kann, die den Menschen in seinen Gewohnheiten ändern, neu justieren, haben natürlich in die Tracks Eingang gefunden. Und vielleicht auch das, was uns das Leben in dieser Zeit eben verwehrt (hat) – die Ausbrüche, Fluchten, entspannten Entgleisungen. Deshalb gibt es Tanzbares („Here We, Here We, Here We Go Forever“), Post-Punk á la Wire und New Order („Richie Sacramento“), dunkles Gewitter („Ceiling Granny“) und viele, viele Klangcollagen zu hören – the soundtrack of your life sozusagen. Beim nächsten Mal kann das schon wieder ganz anders klingen. Ach ja, und die Liebe? Die bleibt für immer.

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