Dienstag, 2. Februar 2021

Divide And Dissolve: Ohne viele Worte

Divide And Dissolve
„Gas Lit“

(Invada Records)

Wer in der glücklichen Lage ist, sich nicht täglich mit dem verbalen Schmutz zu befassen, der die Kanäle diverser Netzplattformen flutet, ist fein raus. Doch selbst jene, die nicht direkt damit konfrontiert werden – sei es, dass sie selbst Adressat*innen solcher Schmähungen sind oder aber als niedrigbelohnte digitale Reinigungskräfte versuchen, den ganzen Mist zu löschen – wer also diesen ganzen Müll, der aus dumpfer Leute Hirne quillt, dann doch einmal liest, dem fehlen oft die Worte ob der Unverfrorenheit, des unstillbaren Hasses und des verstörenden Mangels an Beherrschung, Sachlichkeit und Empahthie, die solche Kommentatoren in diverse Foren bringen. Man darf leider davon ausgehen, dass Takiaya Reed als Frau mit sowohl schwarzen als auch indigenen Wurzeln und Sylvie Nehill als gebürtige Maori selbst in ihrem noch jungen Leben viel von diesen schlimmen Dingen zu lesen und zu hören bekommen haben – die Tatsache, dass sie darüber nicht den Lebensmut verlieren, fordert schon mal ersten Respekt.



Die beiden Australierinnen sind schon seit Jahren vehemente Kämpferinnen gegen systematischen Rassenhass, postkoloniale Unterdrückung, Misogynie und die Allmachtsphantasien weißer Übermenschen. Sicher fehlen ihnen für diese Zwecke nicht die passenden Worte, allerdings haben sich die zwei für ihre Art von Widerstand resp. Kunst dazu entschieden, fast ohne Sprache, heißt hier Gesang, auszukommen. Unter dem Namen Divide And Dissolve spielen sie seit 2017 eine überaus fesselnde Mischung aus Jazz und Drone-Metal. Eine durchaus ungewöhnliche Kombination, zu der sich wenig Vergleiche finden, denn mit den Vertretern der reinen Lehre von Doom oder Sludge wie sun o))), Boris oder Dystopia hat das nicht wirklich viel zu tun.



Angefangen haben Reed und Nehill mit ihrem Debütalbum „BASIC“, die Benennung der einzelnen Titel war schon dort richtungsweisend, hießen sie doch „Black Is Beautiful“, „Black Resistance“, „Black Supremacy“ und natürlich „Black Power“. Ein Jahr darauf folgte mit „Abomination“, auch hier ein Statement, Studioalbum Nummer zwei, 2020 dann der Wechsel zu Invada Records und nun die vorliegende Platte. Die startet in „Oblique“ mit einer Art opernhafter, zarter Overtüre, bevor dann nach anderthalb Minuten die tonnenschweren Gitarren einsetzen. Es ist dieser Gegensatz aus sanften, schmeichelnden Melodien mittels Saxophon, Flöten und anderen Effekten zu den mächtig krachenden Gitarrenwänden, die sie iim Laufe der acht Stücke aufschichten, der diesen Sound so reizvoll und unverwechselbar macht.



„Prove“ an zweiter Stelle ist das vielleicht durchgängigste Metal-Stück des Albums, hernach folgt das ungewöhnlich kurze „Did You Have Something To Do With It“, für welches sie ein Gedicht von Minori Sanchiz-Fung von der Künstlerin selbst vortragen lassen, die auch schon auf ihrem Erstling zu hören war. Ein Poem, Klage und Anklage zugleich über die bedrückende Geschichte von Gewalt und Rassismus, Armut und Entrechtung. Geliehene Worte, die natürlich zum Anliegen der Band passen: "We would like to observe a radical shift in the current paradigm of complacency in regards to oppressive power dynamics, genocide, racism, white supremacy, and colonization. To give weight and validation to voices that are traditionally misrepresented and criminalized before given a chance to speak." Auch in der Folge der Wechsel zwischen sanfter Anmut und bleierner Zersetzung, man lauscht und will nicht, dass es aufhört, selbst wenn ab und an die Ohren schmerzen. Eine wahrhaft großartige Zumutung, das Ganze.

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