Dienstag, 28. Februar 2012

Frohsinn Fuck Off [always]


Xiu Xiu „Always“ (Bella Union)
Man kann einem Außenstehenden, wenn er nicht gerade als Exorzist oder Psychoanalytiker unterwegs ist, schwer vermitteln, warum gerade die Wiederkehr von Jamie Stewarts weinerlichem Gewimmer verschämte Glücksgefühle auszulösen vermag, warum einen gerade dieser synthetisch generierte, also vollkommen künstliche Sound innerlich erwärmt. Und höchstwahrscheinlich haben all jene, welche einem dringend zum Einchecken in einer vermauerten, stacheldrahtumzäunten Heilanstalt raten, so unrecht nicht – das Faszinosum Xiu Xiu läßt sich schwer in Worte fassen, erklären noch viel weniger.

Seit nunmehr knapp zehn Jahren widmet sich besagter Jamie Stewart in wechselnder Begleitung Platte um Platte – acht sind es mittlerweile – der Tortur, dem Selbsthass, der Perversion, aber auch der verzehrenden Liebe und der totalen Vereinsamung, kurz: Kein menschlicher Abgrund, der ihm zu fremd ist, um ihn nicht in Musik und Worte fassen zu können. Songs wie „Dear God, I Hate Myself“, „You Are Pregnant, You Are Dead“ oder „Ian Curtis Wishlist“ sind vielleicht nicht die bekanntesten, wohl aber deutlichsten aus dem Kanon des Schreckens – keine Überraschung also, dass auch auf dem neuen Album mit „I Luv Abortion“ oder „Born To Suffer“ markig getitelt wird. Woher also diese Anziehungskraft?

Vielleicht liegt es am Kontrast zwischen den messerscharf geschliffenen Technobeats, dem bohrenden, nervenzerrenden Sound und der klagenden, hilflosen Verletzlichkeit von Stewarts Stimme, vielleicht am Nebeneinander von schroffem Gewummer und zarten Tönen, vielleicht daran, dass dieser Mann expressiv sein Leiden ausstellt und den Hörer an jedem noch so fremdartigen Gedanken teilhaben lässt, Jahrmarktspektakel, Horrorshow, whatever. Die Single „Hi“ zu Beginn kommt, wie auch später “Honey Suckle”, recht harmlos, fast konventionell daher („If there’s a hole in your head, say ‚Hi‘, if you don’t know what to say, say ‚Hi‘, if your bed is a living hell, say ‚Hi‘“) – Synthiepop. “Joey’s Song”, bleischwerer Klagegesang, läßt einen an Nick Cave denken und „Beauty Towne“ pumpt gewaltig aus der Schwärze. Dann schon besagtes „I Luv Abortion“ („I luv abortion, you too good for this world, let all you have lived be as if a dream!”), klirrendes, zerhacktes Getöse, „The Oldness“ als trügerische Pianoballade, bevor erneutes Gemetzel ("Gul Mudin") anhebt – diesmal als Kriegsparabel aus Afghanistan – schön ist das nicht, krank aber eher das Erzählte als der Erzähler selbst.

Stewart fühlt sich offenbar berufen, von Dingen zu singen, die nur wenige hören wollen und die er selbst kaum erträgt („born to suffer“), auch das grauenerregende Schlußstück „Black Drum Machine“ macht mit seinen Vergewaltigungsfantasien keine Ausnahme. Und hätte er sich nicht den Sinn für die schönen Melodien bewahrt – wahrscheinlich wäre Stuart schon vor die Hunde gegangen.
So bleibt wieder eine Platte, die gegensätzlicher nicht sein könnte und ein Mann, der den leichten, den gefälligen Weg nach wie vor tief verabscheut. Nur wenige tun das mit dieser Konsequenz. http://xiuxiu.org/

Mit der Heidi in die Hölle



Django 3000 “Django 3000” (7daysmusic)
Jedem halbwegs gebildeten Muttersprachler werden ein paar Zeilen aus dem Volkslied „Lustig ist das Zigeunerleben“ geläufig sein – die Sache also mit des Kaisers Zins und dem grünen Wald, dem Hunger und dem Hirschlein – Zeilen, mit denen man heute keinen Menschen mehr hinterm Ofen oder Schreibtisch hervorzuholen vermag. Ob das an der verlogen spießigen Sozialromantik liegt oder an den allzu trägen Schunkelrhythmen – Fakt ist, dass mit „Faria-Faria-Ho“ heute kein Staat mehr zu machen ist, da muss man sich schon etwas cleverer anstellen. Und weil Django 3000 als oberbayerische Zigeunerburschen, bekennende Strizzis und Möchtegernstenze, genau dies machen, ist die Verweildauer bei Liedern wie dem genannten minimal. Ebenso unbegründet die anfängliche Angst, hier reite jemand die Mundartwelle geradewegs in die Studios der Formatsender und ergo ins Grab – sicher ist nach allem Hype etwas mehr Vorsicht angebracht, wenn nun nicht mehr die örtlichen Gäubodenfeste, sondern ganze Almen oder Mehrzweckhallen für die Anhängerschar verbucht werden.

Trotzdem ist, was die vier Jungs da veranstalten, mehrheitlich originell und in höchstem Maße elektrisierend. Die Richtung stecken sie selbst ab – Vogelwildes, Unbehauenes, Heimatverliebtes und allzeit extragroßes Gefühl zwischen Django Reinhardt und Tierpark-Toni. Klischee als jugendliches Vorrecht, das gelebt werden will – na klar: „I bleib mei Lem lang frei, i hob mei Lem lang Zeit fia ois, werds bugglad aufm Weg, muast mittn durche geh. Wer woast wost ois vasammst, wennst steh bleibst und grod drammst“ (Zeit fia ois). Wenn der Kreisel sich dreht, wird mancher Vorbehalt über Bord geworfen und die gefurchte Denkerstirn weicht einem breiten Grinsen – wer möchte nicht lieber mit „Heidi“ eine Runde drehen („Leg Osch danzd de, Harrschaftszeidn!“) oder Tscharlie-gleich in die Kitschsonne reiten („Und koana wird woana um di, doch aufhoidn lasst du di nia“, Django Django). Langes Philosophieren ist ihre Sache nicht („Wo’s schee ist, da bin i“, Südwind) und wenn’s einmal zu Ende geht, dann bitt‘schön statt zum Portner gutgelaunt geradewegs in „d’Höll“ („Kimm no nei! Für di, für di is no a Grillrost frei!“, Da Wuide und da Deife). Die Fiedel weint, der Basskasten hüft und die Gitarren zwirbeln umeinander – schwer wird leicht und selbst aus dem ehemals spaßfreien Besatzerruf „Rucky Werch!“ (Hände hoch!) gelingt der bunt gemischten Truppe ein feines Stück Tanzmusik.

Wenn man von einem Debüt wie diesem behaupten kann, die Band habe eigentlich nichts falsch gemacht, dann ist das einerseits sicher ein willkommenes Kompliment. Andererseits hofft man natürlich auch, dass die vier ein ordentliches Maß der hier vertonten Weltsicht verinnerlicht haben, also Djangos genug sind, um sich die Lässigkeit und den Witz dieser Platte auch für kommende zu bewahren. www.django3000.de

Django 3000 unterwegs (ausgewählt):
13. März München/Ampere
14. März Regensburg/Gloria
17. März Passau/Zeughaus
24. März Augsburg/Kantine
28. März Stuttgart/Kellerklub
21. April Nürnberg/DESI

Montag, 27. Februar 2012

So oder ähnlich


Anläßlich der akutuellen Kurztour der Londoner Duke Spirit durch deutsche Landen (9. März Hamburg, 10. März Berlin, 12. März München) hat der deutsche Rolling Stone einen feinen Remix des Songs "Procession" von Gary Numan auf seine Seite gestellt. Wer etwas weiter vom Weg wildern will, kann sich auch gern mal das großartige Album der Heartless Bastards "Arrow" zu Gemüte führen, Liela Moss und Erika Wennerstrom offenbaren im Vergleich manch erstaunliche Gemeinsamkeit. Selber hören - hier.

Durch die Nacht mit ...



... den Arctic Monkeys und ihrem brandneuen Song (Hey, 'Non-Album-Track'!) "R U Mine?" - dazu ein Videoclip, alles: hier.

Hätte wäre wenn ...



Hilft alles nix, er feiert halt jetzt woanders: Gestern wäre Johnny Cash 80 geworden und wenn alles mit rechten Dingen zugeht, dann haben die da oben am Tag danach einen gehörigen Schädel auf - nicht viel zu erwarten also heute vom "Schicksal".

Samstag, 25. Februar 2012

Dann eben doch


Die Gorillaz sind bekanntermaßen nicht jedermanns Sache und hierher gehören sie auch nicht unbedingt. Allerdings klingt "DoYaThing", ihre neueste Nummer, ein MashUp und Converse-Jingle mit James Murphy (Ex-LCD Soundsystem) und André 3000 (Outkast), in der Tat nach ganz heißem Scheiß. Und weil davon jetzt auch noch eine satte 13minütige Version aufgetaucht ist, will man sie eigentlich nicht mehr ignorieren. "I'm the shit!" - also bitte, hier.

Freitag, 24. Februar 2012

Auch schön



Das ist heute ganz offensichtlich der "Tag der befremdlichen Plattenhülle", denn schon wieder gilt es auf ein Exemplar hinzuweisen, bei dessen Anblick einem leicht schwummrig in der Omme wird. Diesmal reden wir von der Singleauskopplung "Hey Jane" aus dem Mitte April erscheinenden Spiritualized-Album "Sweet Heart Sweet Light", der Neunminutentrack ist auch schon im Netz verfügbar. Das Albumcover von Jason Pierce' spaciger Truppe macht die Sache im Übrigen auch nicht viel besser, hier kann man nur fehlende Motivation, die falschen Stimulanzien oder aber WordPerfect als Grafikprogramm vermuten.

Pixar tries feminism (oder so)



Ende Juli soll er ja kommen, der neue, langerwartete Pixar-Animationsfilm "Brave" - gerade im Netz aufgetaucht die erste komplette Szene. Kann man sich in deutsch anhören (muss man aber nicht oder sollte man besser lassen) und im Original, beides zu finden im Pixarblog.

Quer gestellt



Um Unwohlsein und epileptischen Anfällen vorzubeugen, sollte man nicht zu lange auf das oben abgebildete Cover schauen, sondern lieber hier lesen und dann dem Link folgen. Als Belohnung gibt es nämlich einen wunderschönen Track aus dem Album "Transverse" (Mute), eingespielt von Chris Carter und Cosey Fanni Tutti, zwei von ursprünglich vier Mitgliedern der legendären Industrialband Throbbing Gristle, und Nick Void, dem Kopf der britischen Post-Punk-Truppe Factory Floor, unter dem griffigen Namen Carter Tutti Void - vier Stücke, im Studio zusammengeschraubt, live präsentiert und aufgenommen, sind auf der Platte, V3 gibt's hier zu hören.

Donnerstag, 23. Februar 2012

Nimm 2



Da sind sie also, die beiden ersten Stücke vom neuen Album "Out Of The Game", der vielversprechenden Zusammenarbeit von Rufus Wainwright und Mark Ronson. Take 1 "Montauk" kommt via twentyforbit.com, das Titelstück postet Ronson selbst auf seiner Homepage.

Ein Stuck zuruck - naturlick [Update]



Immer wieder lustig, wenn sich die Engländer an der Sprache der Krauts versuchen - unvergessen der durchgeknallte John Cleese alias Basil in "Fawlty Towers" und seine irre Suada "Don't mention the War!" Ganz so amüsant ist David Gedge, dem Leadsänger von Wedding Present, die deutsche Version seines Songs "Back A Bit ... Stop" nicht gelungen, aber soll keiner sagen, er hätte sich um die Fans hierzulande nicht bemüht. Auf dem neuen Album "Valentina" wird davon aber nur die Originalversion zu hören sein - deshalb: hier und hier.

Mittwoch, 22. Februar 2012

Reunion? Muss nicht.



School Of Seven Bells „Ghostory“ (Full Time Hobby)
Gerade noch mal nachgeschaut – annähernd vierzehn Jahre gibt es jetzt die Cocteau Twins nicht mehr und bis vor wenigen Wochen hätte man noch darauf gehofft, dass sich Elizabeth Frazier und Band wie so viele andere Verschollene und Todgesagte auch melden und die große Reunion verkünden. Müssen sie aber gar nicht. Denn mehr als bisher, mehr als mit dem letzten Album „Disconnect From Desire“ haben sich School Of Seven Bells, mittlerweile zum Duo geschrumpft, als die legitimen Nachfolger in Sachen synthetischem Glitzerpop erwiesen. Von den Geschwistern Deheza ist also nur noch Alejandra an Bord, ein Verlust, den man diesem dritten Album kaum anhört. Die Platte ist in der Gesamtheit noch sphärischer und noch homogener als ihre Vorgänger und auch wenn sie in punkto Ideenreichtum dem Erstling „Alpinisms“ nicht das Wasser reichen kann, bietet sie doch reichlich bestrickende Melodien und flotte Tanznummern. Die längeren Stücke sind wieder die besseren, „Low Times“ knackt und kracht schön mit seinen sechseinhalb Minuten und auch „When You Sing“ (mit achteinhalb) muß sich nicht verstecken. „Scarvenger“ und „White Wind“ sind für die Clubs gebastelt und funktionieren wahrscheinlich mit einem Vielfachen an Phon noch besser als an der häuslichen PA. Fazit: Personalkosten reduziert, trotzdem nichts falsch gemacht und Level gehalten, paßt. http://sviib.com/

Anziehend



Nein, noch keine neue Platte, nicht mal ein Gedanke daran - aber wenigstens haben sich Interpol kleidungstechnisch ein paar Gedanken gemacht. Urban Outfitters, ohnehin bekannt für lässige Streetwear, bietet zusammen mit den New Yorkern zur Abwechslung mal ein geschmackvolles Shirt an, nach all den eher verunglückten Versuchen der letzten Jahre ist das ein Volltreffer - bestellen: hier.

Dienstag, 21. Februar 2012

Hot Chip go Wolperath



Na wenn das mal nicht investigativ ist!? Joe Goddard, einer der fünf Köpfe der Londoner Synthiepop-Band Hot Chip hat dem NME erzählt, dass die Band für Juni dieses Jahres eine neue Platte plant. Dazu gab's den erfrischend unaufgeregten Hinweis: "It basically sounds like Hot Chip, we haven’t done anything particularly weird”. Nichts also mit "die beste Platte unseres Lebens" oder "es ist unfassbar, wir haben so viele verrückte Dinge ausprobiert". Wie das gute Stück heißen wird, weiß noch kein Mensch, auch das Bild da oben ist keineswegs das Cover (sondern einfach nur ein hübsches Foto von Goddard). Eine kleine Randbemerkung ist ihm dann aber doch noch eingefallen - abgemischt worden ist das Album nämlich mit einem Pult, das früher einmal der deutschen Produzentenlegende Conny Plank gehört haben soll. Plank, verstorben 1987, hatte - wikiseidank! - sein Studio in Neunkirchen-Seelscheid, Ortsteil Wolperath bei Bonn und arbeitete dort mit Größen wie Kraan, Can, Neu!, Ash Ra Tempel, aber eben auch den Scorpions zusammen. Was genau das nun für die neue Hot Chip heißt? Keine Ahnung.

Düsterer Gleichklang



The Twilight Sad „No One Can Ever Know“ (FatCat)
Im Fanforum der britischen Editors stand vor einiger Zeit zu lesen: „Schade, dass die Editors nicht so klingen wie The Twilight Sad, dann könnten sie mir direkt gefallen.“ Nun, dem User konnte geholfen werden, wenn auch nicht in dem Sinne, der ihm ursprünglich vorschwebte. The Twilight Sad haben mit „No One Can Ever Know“ gerade ihre dritte Platte veröffentlicht und bewegen sich mit dieser, man mag das gut finden oder nicht, auffällig in Richtung der wavelastigen Indierocker um Tom Smith. Allerdings stand ihnen dabei offensichtlich nicht deren druckvolles Frühwerk Pate, sondern eher das letzte, recht zwiespältig besprochene „In This Light And On This Evening“. Natürlich sind The Twilight Sad von einer Kopie meilenweit entfernt, ihr Opus ist mehr Goth, noch düsterer, noch trostloser – aber Andrew Weatherall, der an den Reglern saß, hat in der Mehrzahl die kreischenden Gitarren des Vorgängers „Forget The Night Ahead“ mit jeder Menge analoger Synthies aufgewogen. Wie ein roter Faden schleppen sich diese bleischweren Klänge, wie in den Anfangstagen von New Order, durch die neun Stücke und leider droht diese schlingernde Masse an Tönen dann manchen der Songs zu begraben. „Another Bed“, „Don’t Move“, „Alphabet“ – sie alle kommen nicht recht auf die Füße, auch das dunkel dräuende Requiem „Nil“ wirkt manchmal etwas verkleistert. Besser wird es immer dann, wenn doch einmal gezupft werden darf – „Sick“, die erste Single, und „Not Sleeping“ können sogar richtig poltern und auch für den Schlussakkord „Kill In The Morning“ haben sich die Mannen um James Graham des engen Stilkorsetts entledigt. Grahams kehliges schottisches Idiom hat im Übrigen an Reiz nichts verloren und gibt selbst den weniger gelungenen Stücken noch etwas morbiden Glanz. Insgesamt ist das Album jedoch kein Schritt nach vorn, mehr Wagemut und weniger Gleichklang wären hier hilfreich gewesen. http://www.thetwilightsad.com/

Montag, 20. Februar 2012

Stellungswechsel



Bisher konnte er sich immer hinter der Kamera verstecken, nun ist sie auf ihn gerichtet: Auf der gerade zu Ende gegangenen Berlinale wurde Klaartje Quirijns 90minütige Dokumentation "Inside Out" über den Fotografen und Filmemacher Anton Corbijn vorgestellt, am 3. Mai soll der Streifen laut depechemode.de in die Kinos kommen. Mehr dazu: Wissenswertes, Wiki und Trailer.

Weiterwarten


Gesehen in: München, Westend, Parkstraße

In Jahren nicht



Ein wenig - na, sagen wir mal: Genugtuung schwingt da schon mit, wenn während eines ostdeutschen Sonntagabendkrimis ein Ostdeutscher zum Bundespräsidenten ausgerufen wird. Hauptaugenmerk gilt aber dem Film, denn der Gauck muss sich, sagt der Prantl zu Recht in der SZ, schließlich erst beweisen. Der Polizeiruf 110 aus Rostock mit der mittlerweile verstorbenen Maria Kwiatkowsky, Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau und dem herrlich überdrehten Gerdy Zint (zuletzt: "Die Kriegerin") hat das schon getan, ist mittlerweile konkurrenzlos gut und zeigt, dass der Tatort wohl Jahre zu solchem Format brauchen wird. Für Verpasser - ab 20:00 Uhr in der ARD-Mediathek.

Sonntag, 19. Februar 2012

Mädchen und Maschine



Grimes „Visions“
(4AD)
Es ist wie immer, wenn jemand auf den Schild gehoben wird, der bisher nur von einem sehr ausgewählten Hörerkreis wahrgenommen worden ist: Die einen überdrehen gnadenlos, die anderen lächeln abschätzig und senken denDaumen. Darf man den dürftigen Informationen glauben, hat Claire Boucher unter dem Namen Grimes mit 23 immerhin schon zwei Alben und diverse 12“s abgeliefert, ganz so geheim sollte der Tipp eigentlich nicht mehr sein. 4AD hat sich jedenfalls weder von den dünnen Organ abschrecken und von der DIY-Attitüde leimen lassen und das Mädel trotzdem ins Haus geholt. Was kein Fehler war, denn abgesehen von der tatsächlich etwas dürftigen, eher piepsigen Singstimme sind die Stücke auf „Visions“ musikalisch hochklassig und müssen sich hinter Robyn oder Goldfrapp keineswegs verstecken. Der Sound von „Genesis“, „Circumambient“ und„Visiting Statue“ ist kunstvoll geschichtet, die Sythies wabern und wummern gefällig und die Beats sitzen punktgenau. Es klappt mit Dance („Vowels = Space And Time“, „Be A Body“) ebenso gut wie mit epischeren Stücken („Colour Moonlight“), das federleichte und doch recht traurige „Skin“ (“You’re leaving, so why don’t you talk to me? You act like nothing ever happened, but it meant the world to me“) ist mit seinen sechs traumhaften Minuten weit hinten platziert, obwohl es gut auch als Mittelpunkt gelten könnte. Was das Mädchen aus den Maschinen herausholt, zeugt von einigem Talent und Gespür und ist, wenn schon kein entgeistertes Lobgeschrei, so zumindest Anerkennung und Respekt wert, für abgedunkelte Rückzugsräume gibt es wohl momentan kaum eine bessere Beschallung. http://www.grimesmusic.com/

Allmächt!



Das Bild ist natürlich nicht neu, aber wert, auch nachträglich gepostet zu werden: Wer bisher dachte, der gemeine Fussballfan sei ein tumber, gewalttätiger und kulturloser Rowdy, der muss beim Anblick dieses Fotos die Koordinaten seines Weltbildes vielleicht neu justieren. Dass über die Immobilität von Dürers "Selbstbildnis im Peltzrock" mittlerweile zwischen der Alten Pinakothek München und dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg knirschendes Einverständnis besteht, ficht den Närmbercher Fan nicht an - der kunstsinnige Ultra will das Bild daheim, basta! Und wer möchte auch einer Stadt, deren Fussballhistorie auf so klangvolle Namen wie Störzenhofecker, Beierlorzer, Rübensaal, Cantaluppi, Eichelsdörfer, Beauchamp, Felsenstein, Gerstacker, Hannakampf, Reitzenstein, Kamavuaka, Rosenmüller, ja sogar Kennedy und Stauffer zurückblicken kann, das Recht auf dieses Bildnis absprechen? Zeit zum Handeln wäre noch genug - die Schau beginnt am 24. Mai.

Samstag, 18. Februar 2012

Eine Nacht



Auftritt Heiko K. aus E., wieder mal. Sag ich zum ihm: "Schick mir doch ein Bild!" Sagt er: "Mach ich." Ich: "Aber ein stimmungsvolles." Er: "Logisch!" Hat geklappt - St. Pauli schlägt Duisburg auswärts 1:0, Boller sei Dank. Tabelle? Egal. Trotzdem - Erster für eine Nacht, auch kein schlechtes Gefühl.

Freitag, 17. Februar 2012

Neue Chance



Dass nicht jeder, der in Berlin wohnt, eine zweite Chance verdient hat, das haben wir heute wieder erleben dürfen. Gut so. Die Geschwister Ramadani allerdings, seit 2003 unter dem Namen Super 700 unterwegs, dürfen es gern noch einmal probieren. Die letzte Platte "Lovebites" war ja trotz Starproduzent Gordon Raphael ein ziemlich dünner Aufguß, das soll nun mit "Under The No Sky" anders werden. Ende März erscheint das Album, vorab daraus die Single "Decent Snow" - hier.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Clash of cultures



Der Untertitel könnte auch lauten: "8 Mile vs. Dead Poet's Society" - bei einem Rap Battle des Videokanals Dontflop.com standen sich kürzlich der 17jährige MC Blizzard aus Manchester und der 30jährige Hilfslehrer und Autor Mark Grist gegenüber, Basecap gegen Schlipsträger. Sieger nach Punkten - der Lehrer. Selber gucken: hier.

Späte Einsichten

Lambchop „Mr. M“ (Merge)
Eine Zeile, alles drin. Meint man zumindest, wenn Kurt Wagner die ersten Takte der neuen Platte einleutet: „Don’t know what the fuck they’re talking about“ grummelt der Mann aus Nashville aus einer Welt, die nicht von dieser ist, aus einer Zeit, die stehengeblieben scheint, seit Jahren schon. Das elfte Album also. Doch auch wenn man geneigt ist, das Gesamtwerk von Lambchop über die Jahre als warmes und wohltuendes Grundrauschen zu betrachten, so sind doch Änderungen erkennbar: Die gebremste Funkyness der frühen Jahre („Hank“, “Thriller“, “Nixon“,etc.), der Reggae von „Is A Woman“, die abgrundtiefe Düsternis von „Damaged“ – „Mr. M“ fügt dem Ganzen eine neue Variante hinzu. Im Waschzettel des Albums gibt Wagner bekannt: “This is a record of, and about, love and the healing, binding force that it represents. It’s the thing that becomes, more and more, the only thing worth living for as we move on through these years together, not alone“ – love, healing, together?! – der Mann hat sich für seine alten Tage trotz Verbitterung und Sarkasmus offensichtlich noch ein paar Einsichten aufgehoben. Aber nach überstandener Krebs-OP und dem Verlust des engen Freundes Vic Chesnutt, dem diese Platte gewidmet ist, blickt auch Wagner wieder milder in die Zukunft. Und setzt zumindest im ersten Teil von „Mr. M“ die Lebendigkeit fort, die schon auf dem Vorgänger „OH (Ohio)“ zu spüren war – „If Not I’ll Just Die“ swingt noch verhalten, für „2B2“ lassen sich die Jungs dann einige feine Spielereien einfallen – eine knirschende Gitarre, Gesprächsfetzen, alles recht stimmungsvoll arrangiert. Das knapp siebenminütige „Gone Tomorrow“ ist dann wohl das interessanteste, wiewohl auch unentschiedenste Stück des Albums, nach drei beschaulichen Minuten wird zum free-jam geladen, die Streicher wild, das Piano klimpert, geordnetes Durcheinander. Der Rest des Albums inklusive des schönen Titelstücks besteht, ganz ohne Häme, aus grundsoliden, typischen Lambchop-Standards, mal instrumental („Gar“, „Betty‘s Overture“), mal elektrisch verstärkt („Good Life“) und zum Schluß ein paar Takte mit Darling Cortney Tidwell („Never My Love“). Auf die Frage, wie lange er das noch durchhalten wolle, antwortete Wagner dem Guardian: "Realistically in five years I will be 60, or close to it. Is that something someone's gonna want to see or care about?" Nun, ein paar Jährchen dürfen es schon noch sein. http://www.lambchop.net/

Ab nach New York! [encore]



München war gestern, heute ist New York. Genauer: das Museum Of Modern Art (MoMa), denn genau dort werden Kraftwerk vom 10. bis 17. April unter dem Projektnamen "Kraftwerk Retrospektive 1 2 3 4 5 6 7 8" acht ihrer Alben in Gänze zur Aufführung bringen. Natürlich wieder in 3D und im engen Zusammenhang mit einer begleitenden Ausstellung zum historischen - ja, Kraftwerkwerk. Für Vielflieger - die Planung:

10.04. Autobahn (1974)
11.04. Radio-Activity (1975)
12.04. Trans Europe Express (1977)
13.04. The Man-Machine (1978)
14.04. Computer World (1981)
15.04. Techno Pop (1986)
16.04. The Mix (1991)
17.04. Tour de France (2003)

Mittwoch, 15. Februar 2012

Nicht zum Fürchten



Sleigh Bells „Reign Of Terror“ (Zomba)
Neues von der Band mit dem irreführendesten Namen seit die Birthday Party ausgefeiert hat. Die Sleigh Bells aus – na? – richtig: Brooklyn haben mit „Reign Of Terror“ ihr zweites Album vorgelegt und machen damit weltauf, weltab die ganz große Welle. Erstaunlicherweise tun sie dies nicht in einschlägigen Nischenmagazinen, sondern z.B. im Feuilleton der großen, alten New York Times, ein Zeichen dafür, dass die Zeiten solcher Krachmucke längst noch nicht vorbei sind und mit Schmollmund, Lederjacke und angeschlagenem Maschinengewehr noch so mancher Redakteur aus dem Licht seiner Tolomeo zu locken ist. Jugendkultur! Da geht was! Bei näherem Hinhören hat sich im Vergleich zum Vorgänger „Treats“ aus dem Jahr 2010 nicht so richtig vielt verändert, Alexis Krauss (die mit dem Maschinengewehr) und Derek Miller verfertigen immer noch hochexplosive Musik die so klingt, als würde eine Festplatte bei vollem Lauf formatiert und gleichzeitig geschreddert werden. Angst muss man davor allerdings nicht mehr haben, das Schema ist bekannt, wenn auch etwas weniger reizvoll als noch vor zwei Jahren. Agressive Gitarrensamples und böse wummernde Beats fast über die komplette Länge, dazu Krauss‘ gedoppelte Stimme und ab und an ein wenig kreischendes Cheerleadergebrüll – gelungen bei „Bomb To Lose“, besser noch für „Crush“ und „Demons“. Luft holen darf man auch zwischendrin, in diesen leichteren Momenten („End Of The Line“, „Road To Hell“) klingen die zwei wie eine verschärfte Variante der Raveonettes. Dass Miller nach eigener Auskunft Damen wie Cyndie Lauper und Belinda Carlisle bewundert, wirkt nur auf den ersten Blick verwunderlich – im Grunde machen die Sleigh Bells nichts anderes, nur eben gnadenlos überdreht und hochgepitcht. Wenn man sie dann, wie in der New York Times, auf einem Foto vor einer „wall of Marshall stacks“ stehen sieht, er im grungigen Farmerhemd, sie in pinkfarbenen Hotpants, zwischendrin das unvermeidliche Sternenbanner, wirken sie fast ein wenig niedlich. Mal schauen, wie lange sie mit der Masche noch landen können.

That what is hot or not



Über einen Mangel an spöttischen Kommentaren konnte sich John Lydon, Chefpunk der nunmehr ausgezählten Sex Pistols, in den letzten Wochen sicher nicht beschweren, hatte er doch in einem Statement gegebnüber dem NME sauertöpfisch gejammert: "In fact, if you ever want to know why I'm not on a record label, look at The X Factor!" Prompt wurde von einem Leser gepostet: "If you want to know why John Lydon is a twat, look at 'I'm a Celebrity, Get Me Out Of Here'..." Das saß. Wenn man jedenfalls den Meldungen von SPIN glauben darf, dann ist das neue Album von Lydons Zweitbaustelle Public Image Ldt., das erste nach sagenhaften 20 Jahren, bereits im Kasten und wartet nur noch auf Titel und, ja - Label. Einen ersten Song gibt's schon mal vorab - "One Drop" heißt er, zu hören: hier.

Captain Jamie [Update]



"Don't worry, he's not keeping it!" - das war wahrscheinlich der wichtigste Satz zu einer ansonsten kargen Celebrity-Meldung auf Holy Moly. Das Wenige: Starkoch Jamie Oliver soll beim Umbau einer alten Bank zu einem, seinem Restaurant in Manchester neben jeder Menge Schmuck und Schießwerkzeug auch auf Masterbänder von Joy Division und New Order gestoßen sein - geschätzter Gesamtwert des Fundes 1,1 Mio. Pfund. Pflichtbewußter Bürger, der er ist, hat er aber alles fein säuberlich in staatliche Hände gegeben. Über den Inhalt der Bänder darf und muss nun spekuliert werden, Auskünfte dazu gibt es leider noch keine. Na dann: Mahlzeit!

Update: Stimmt alles nicht, wäre aber schön gewesen ...

Dienstag, 14. Februar 2012

Angekommen



Tindersticks „The Something Rain“
(V2)
Naheliegende Vermutung und haltlose Unterstellung zugleich: Jedes Mal, wenn ein neues Album der Tindersticks erscheint, möchte man meinen, die Männer um Stuart Staples hätten es sich, so gut es eben geht, bequem gemacht im samtigen Dämmerlicht ihrer verträumten Melancholie – die Welt ist schlecht und dauerhafte Besserung nicht in Sicht, die schwarzen Anzüge gebügelt und griffbereit, ein Königreich für den nächsten traurigen Trinkspruch auf ein Leben in Moll. Nur, nach Bequemlichkeit klingen ihre Platten eben nun mal nicht, wie auch die letzte ist die aktuelle das beste Beispiel für die immerwährende Suche nach neuen Ausdrucksformen, neuen Facetten und Spielarten einer – zugegeben – oft recht traurigen Weltbespiegelung. Wieder, wie schon beim Vorgänger „Falling Down A Mountain“, das längste Stück gleich zu Beginn, hier das größtenteils lauschige „Chocolate“ – nahe verwandt der ähnlich angelegten rezitativen Meditation „My Sister“ vom genialen Debüt – neun Minuten inklusive gezügeltem Jazzintermezzo. „Show Me Everything“ kommt gänzlich anders daher, satte Bluesgitarre, Gina Foster als souliger Backround. Dann mit „This Fire Of Autumn“ und „Slippin‘ Shoes“ zwei regelrechte Gute-Laune-Stücke, nur Staples‘ barmende Stimme sorgt hier für die Art von ernsthafter Dringlichkeit, die einem jeden Song der Tindersticks zu eigen ist. „Medicine“, der vorausgesandte Ausblick auf dieses Album, hat an Stärke nichts verloren – „Medicine you are, medicine you need, …“ behutsames Raunen, der Beat pocht, das Cello weint und man selbst ist auch nicht mehr weit entfernt, gleich loszuheulen. Irgendwie passt hier alles zueinander, können die behutsam angedeuteten Diskorhythmen von „Frozen“ problemlos neben der loungigen Kammermusik von „Come Inside“ Platz nehmen – mühelos all das und am Ende irgendwie gar nicht mehr so düster wie in früheren Zeiten. Großer Wurf also, nahezu perfekt. http://www.tindersticks.co.uk/

Ab nach New York!


Das NP Contemporary Art Center New York, das Plattenlabel MUTE und der Veranstalter Envoy Enterprises werden aus Anlaß des zehnten Todestages des Musikers Frank Tovey aka Fad Gadget vom 1. März bis zum 18. April eine Ausstellung mit dem Namen FG.FT veranstalten. Das Programm wird Live-Performances (Xeno & Oaklander, Ike Yard), verschiedene Künstlerbeiträge und die Aufführung einer Filmdokumentation ("Fad Gadget by Frank Tovey") enthalten. Zudem plant MUTE für Ende März eine Veröffentlichung unter dem Titel "An Introduction To ... Fad Gadget". Programm - hier, "Ricky's Hand", live at the Hacienda/Manchester, 1984 - hier.

Gefahrengut



Neues vom Modfather: Die erste offizielle Single des Albums "Sonik Kicks" von Paul Weller, VÖ-Termin 26. März, wird "That Dangerous Age" heißen und am 11. März erhältlich sein. Als Zugaben werden auf der 12" u.a. auch Remixe von Ladytron und Matt Helders, dem Drummer der Arctic Monkeys, enthalten sein. Vorhören des Originals - hier.

Montag, 13. Februar 2012

Easy Listening



Ob das Video von Alberto Rossini nun eine Meisterleistung ist, darüber kann gewiß gestritten werden - über die Güte des Songs sollte es allerdings keine zwei Meinungen geben: Für ihr aktuelles Album "Kill For Love" covern die Chromatics aus Portland "Hey Hey, My My (Into The Black)" von Neil Young. Leichtgängig, zart fast, die Chromatics waren ja jüngst wieder durch ihren Beitrag zum Soundtrack des hochgelobten Ryan-Gosling-Films "Drive", also ihren fünfzehnminütigen Song "Tick Of The Clock" im Gespräch. Das besagte Cover, hier.

Rock'n Roll will never dead - trotzdem



Kein schönes Wochenende. Erst weint der Bodyguard um seine Schutzbefohlene, dann sagen auch noch Superpunk 'Au Revoir!' Ein Ausschnitt aus dem Originalwortlaut: "Meine Damen und Herren, verehrte Hörerinnen und Hörer, Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter auf ach so vielen Reisen, in ach so vielen rauschenden Party-Nächten, nach 15 Jahren Bandgeschichte haben sich Ihre »Top Old Boys« entschieden, getrennte Weg zu gehen!" Mehr davon hier, ansonsten gibt's standesgemäß noch eine Abschiedstour - Dabeisein ist alles:

24.05. Essen - Zeche Carl
25.05. Köln - Gebäude 9
26.05. Frankfurt - Zoom
27.05. München - Atomic Cafe
28.05. Stuttgart - Schocken
01.06. Berlin - Festsaal Kreuzberg
02.06. Hamburg - Knust

Freitag, 10. Februar 2012

Grip & Grips



Deichkind „Befehl von ganz unten“
(Universal)
Im Zimmer nebenan läuft „The Voice Of Superstar sucht Germany“ – das hier ist anders, das hier ist besser. Bukowski auf Ballermann, wobei das erste so über- wie das zweite untertrieben ist. Feuilletonisten-Techno, irgendwie. Die Leute von der Geistesarbeit schreiben: „Größer als groß“. Die Leute haben Recht. Texte herzubeten ist, zugegeben, nicht sehr einfallsreich, bei Deichkind sind sie mehr als die halbe Miete – deshalb einmal durchgeblättert, Lesestunde:

+++“Sprechgesang und Völkerball, Schadenfreude überall, Hasselhoff und Mauerfall, Achtung alle Hände hoch, Beckenbauer Soccer Team, Bahnhof Zoo und Heroin, guten Tag, wie geht es ihn‘, Achtung alle Hände hoch, Pfälzer Magen Kräutergeist, Hannelore Suicide, Helmut Kohl will never die, Achtung alle Hände hoch“ (99 Bierkanister)+++“Man bringe uns ein Opfer vorne vom Foyer, die Füße von der Klofrau wärn für uns okay … wir wissen, ihr vertraut uns, Power ohne Zweifel, Pogo ohne Pause, nun dreht euch wie ein Kreisel, Schläuche und Randale, Konfetti, Sturm und Plastik, das passiert nicht ausversehen, wir machen das mit Absicht, danke für die Klicks, dafür könn‘ wir uns nix kaufen, als ehrliche Entschädigung müsst ihr den Tag jetzt saufen“ (Befehl von ganz unten)+++“Schlecht für den Nachwuchs, schlecht für die Nordsee, schlecht für den Kopf, doch leider geil, schlecht für dein Karma, schlecht für die Zukunft, schlecht für den Job, doch leider geil, tu doch nicht so, du magst es doch auch, ich bin ein Teil von dir, kuck dich doch um, sieh sie dir an, sie sind genauso wie wir“ (Leider geil)+++“Die Dixieklos vom Hurricane schenken wir Lars Ulrich, dort kann er gerne kacken gehen, Hacker sind geduldig“ (Illegale Fans)+++“Klick dich, fax dich, mail dich hoch, grabsch dich, quetsch dich, schleim dich hoch, kick dich, box dich, schlaf dich hoch … bück dich hoch, komm steiger den Profit, bück dich hoch, sonst wirst du ausgesiebt, bück dich hoch, mach dich beim Chef beliebt, bück dich hoch, auch wenn es dich verbiegt“ (Bück dich hoch)+++“Selbstbezogen, selbstzentriert, wenn‘s um mich geht engagiert, ich rede laut am Telefon, weil ich bin von mir fasziniert, ich hab mit mir kein Problem, du etwa, dann musst du gehen, mit sowas halt ich mich nicht auf, ich kann mich so gut verstehn“ (Egolution)…

Nur eine Auswahl, auch der Rest kann locker mithalten. Die Beats dazu nicht billig, greifen zu, haben Grip – „Partnerlook“ ist Kraftwerk mit anderen Mitteln, lupenreiner Punkrock für „Die rote Kiste“ und Metzgerliebe als poetischer G-Punkt („Herz aus Hack – mit Pfeffer, Salz und Zwiebeln“) ganz zum Schluss. Diese Hamburger Schule ist von „Bon Voyage“ so weit entfernt wie von „Tausend Tränen tief“ und „Kapitulation“, trotzdem ganz bei sich und im Jetzt sowieso. Die Jungs machen so viel Spaß, dass einem das Lachen vergeht – ganz heißer Tipp für den Grimme-Preis. Mindestens.

Auf den Leim



Bausparer? Krankenkasse? Erweckungskirche? Scheißegal. Wer Kinder hat, wird sich vom neuen Videoclip der Crooked Fingers aus North Carolina ("Our New Favorite" vom Album "Breaks In The Armor"/Merge) bezaubern lassen und dabei lächelnd und altersweise mit dem Kopf nicken. Alle anderen dürfen gern davon schwadronieren, mit welch simplen Mitteln einem die Leute auf den Leim gehen - infantiles Gestolper, Zahnfee und Zettelkasten. Tja, so sind wir nun mal: Einfaches Gemüt und stolz darauf - ausprobieren, hier.

POTUS? POTUS!



Man hat sich ja schon an einiges gewöhnt - Merkozy, Brangelina, TomKat, Bennifer, komische Abkürzungen für komische Paarungen. Gibt's im Übrigen auch für Einzelpersonen, neuestes Beipsiel: POTUS. Dahinter verbirgt sich natürlich der "President Of The United States", also der Barack Obama, welcher gerade mordsmäßig im Wahlkampfgetümmel steckt, auch wenn er noch gar nicht weiß, welche der republikanischen Hulpen sich gegen ihn eine blutige Nase holen wird. Sicherheitshalber hat er sich mal, auch aus Coolnessgründen, eine Playlist bei Spotify zusammengebastelt, die neben den üblichen Verdächtigen wie REO Speedwagon, Al Green, Bruce Springsteen und Aretha Franklin auch einiges an Frischobst enthält: No Doubt ("Different People"), Arcade Fire ("We Used to Wait"), Wilco ("I Got You") und Florence+The Machine ("You've Got The Love"). Warum er bei U2 das vergleichsweise dünne "Even Better Than The Real Thing" wählt und wieso Ricky Martin mit Joss Stone, aber kein Kanye oder Jay-Z auftauchen - nun, er wird's schon wissen, so interessant ist das dann auch nicht. Viel spannender: Newt, where's your playlist?

Donnerstag, 9. Februar 2012

Good News



Seit der Bekanntgabe der Scheidung von Thurston Moore und Kim Gordon und somit der Quasiauflösung von Sonic Youth war es eine Zeit recht still geworden um die Mutter und Ikone des Indierock. Das ändert sich nun, jede Menge Nachrichten in kürzester Zeit: Kim Gordon tourt mit ihrem Kollegen Bill Nace und dem gemeinsamen Projekt Body/Heat, vorerst leider nicht in Deutschland. Kim Gordon gestaltet eine Modelinie für das französische Modelabel Surface To Air. Kim Gordon unterhält sich für die Februarausgabe der Illustrierten Interview (auch der deutschen) mit Chloe Sevigny. Kim Gordon auf dem Cover der aktuellen Ausgabe das Clash Magazine. Wurde ja auch Zeit.

Two men and the blues



So recht glauben wollte man die Meldung vor einigen Wochen ja nicht die da lautete, Tom Jones, der tanzende Tigertanga, hätte sich mit Jack White zusammengetan - für manches reicht einfach, gottlob so dachte man, die Fantasie nicht aus. Das Ergebnis ("Evil" von Howlin' Wolf) ist nun weit weniger erschreckend als befürchtet - scheppernder Knochenblues, Jones röhrt allein und überläßt White die musikalische Untermalung - perfekte Teamarbeit, hier.

Langer Ritt



The tribute continues: Nachdem 2009 mit dem Titel "We Are Only Riders" ein erstes Album zu Ehren des 1996 verstorbenen Ausnahmemusikers Jeffrey Lee Pierce, Ex-Frontmann des legendären Gun Club, erschien, kommt nun Anfang April die Fortsetzung in die Regale. "The Jeffrey Lee Pierce Sessions Project - The Journey is Long" wird das Album heißen, wieder enthält es bisher unveröffentlichte oder unvollendete Songs und wieder ist das Staraufgebot, welches sich um die Interpretation kümmert, mehr als großartig: Nick Cave, Debbie Harry, Mark Lanegan, Warren Ellis, Isobell Campbell, Lydia Lunch und Mick Harvey sind u.a. mit von der Partie. Mit "The Task Has Overwhelmed Us" ist für Ende des Jahres im Übrigen auch schon der Abschluß der Triologie terminiert - Tracklisting und mehr: ride on.

Nur keine Häme



"Wir schätzen Holger Stanislawski als Menschen und als fachkundigen Trainer. Doch nach einem langen, konstruktiven Gespräch mit ihm sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass es besser ist, die Zusammenarbeit im Interesse aller Beteiligten zu beenden. Die jüngsten sportlichen Entwicklungen waren hierfür sicherlich ausschlaggebend."
(Ernst Tanner, 1899 Hoffenheim)

Mittwoch, 8. Februar 2012

Nah dabei



Sharon Van Etten “Tramp”
(Jagjaguwar)
Sie wird ja nicht müde zu betonen, dass sie keineswegs ein so todtrauriger Mensch sei, wie ihre Platten vermuten lassen – „I’m not totally screwed up, I swear. I’m fine, thanks“ (npr). Nun, man wird ihr das glauben müssen, auch wenn die neue Platte eine gänzlich andere Sprache spricht. Selten hat man in den letzten Jahren jemanden gehört, der sein Innerstes so sehr nach außen kehrt, der die eigene Einsamkeit, die Verlorenheit so bewusst und so intensiv zum Thema des eigenen Schaffens macht wie die junge Frau aus New Jersey. Denn auch wenn Sharon van Etten seit langer Zeit im Moloch New York gemeldet ist, auch wenn sie pausenlos mit Band und Bus durch die Hallen dieser Welt tourt – nichts ersehnt sie nach eigener Aussage mehr als ein Stück Sesshaftigkeit, auch Heimat und verlässliche Zweisamkeit. Diese Sehnsucht atmet jedes der intimen Stücke auf „Tramp“. Im ersten Moment meint man, Thom Yorke habe sich den besten Song dieses dritten Albums, „Give Out“, gekapert, aber es ist Sharon van Etten selbst, die sich da so behutsam dem Ohr des Gegenübers nähert „You’re the reason, why I’ll move tot he city, you’re why I’ll need to leave“.

Traurig schöne Songs also allesamt – ein bisschen erinnern sie an die der ebenso großartigen Kristin Hersh – schleppendes Tempo, dunkle Akkorde, schonungslose Ehrlichkeit wohin man hört. „All I Can“ bittet da rührend um Nachsicht („I do all I can, we all make mistakes, even though I try to stand even though it’s slowly, I do all I can but who is my man”), wo das zärtliche Duett mit Zach Condon alias Beirut "We Are Fine" fürsorgliche Begleitung einfordert (“Tell me not to trip or to lose sight, you are walking in my dotted line, take my hand and help me not to shake”). Selten, dass die von Aaron Dessner (The National) produzierten Stücke mal ihre Zurückhaltung ablegen, für “Serpents”, „Magic Chords“ und „I’m Wrong“ wagt sich van Etten an die Elektrische und gewinnt. In Erinnerung aber bleiben solch fragile Zwiegespräche wie „Ask“ oder das unendlich schmerzvolle Schlußstück „A Joke Or A Lie“: „What should I do? I am lost. Tell me to leave the next time I'm in front of you. I can't relate, chip on your shoulder, how do you deal with that weight? My hands are getting tired.” Was sie so bittere Zeilen schreiben läßt, möchte man aus reinem Selbstschutz eigentlich gar nicht wissen, dass es ihr guttut davon zu singen, kann man dabei nur hoffen. www.sharonvanetten.com

Essen gehen #2 [Nachtrag]



Der Eindruck war nachhaltig, deshalb soll's auch die Empfehlung sein: Hier noch ein Link für die umfassende Werkschau von Chris Killip, geboren 1946 in Douglas/Isle Of Man, gefunden bei Kroutchev Planet Photo.

Dienstag, 7. Februar 2012

Monopoly [tbc.]



Lange keine Liste mehr gesehen? Überhaupt kein Problem - aus quasiaktuellem Anlass hier meine Top 15 der deutschen Stadtschreibereien. Nicht aufgenommen die Songs, in deren Titel die Örtlichkeit selbst fehlte (Peter Fox "Schwarz zu blau", Willy Michl "Isarflimmern"), wo die Stadt nur ein Stadtteil war (Die Ärzte "Westerland", Bernd Begemann "Oh, St. Pauli") oder der oder die Interpret/en sich als Zugroaste (bayr. für Auswärtige) entpuppten (Editors "Munich", Matthew Herbert "Leipzig", Lou Reed "Berlin") - also:

1. Lassie Singers "Hamburg"
2. Tocotronic "Freiburg"
3. Foyer des Arts "Wissenswertes über Erlangen"
4. Superpunk "Parties in München"
5. Go Plus "Hannover"
6. Christiane Rösinger "Berlin"
7. Bernd Begemann "Sie lebt jetzt in Dresden"
8. Dos Hermanos "Berlin"
9. Fettes Brot "Hamburg Calling"
10. Adolar "Magdeburg"
11. Kraftklub "Karl Marx Stadt"
12. Die Toten Hosen "Modestadt Düsseldorf"
13. Ideal "Berlin"
14. Rainald Grebe "Mike aus Cottbus"
15. Bosse feat. Anna Loos "Frankfurt Oder"

Montag, 6. Februar 2012

Solo weiter



Die Nachrichtenlage ist mehr als spärlich, da sich diese Seite jedoch diesem Mann und seiner Musik irgendwie verpflichtet fühlt, sei das Wenige trotzdem erwähnt: Laut pitchfork arbeitet Paul Banks unter seinem Solopseudonym Julian Plenty an einer neuen, zweiten Platte. Woher die das haben, weiß keiner so genau, aber hier zählt eher das was, weniger das wie. Warten also.

Renn, wenn Du kannst



Wild Flag, Gebäude 9, Köln, 5. Februar 2012

Man hätte den Kölner Lokalmatadoren ahuizotl diese Bemerkung sicher gern erspart, als man die Jungs dann aber selbst mit bewunderndem Blick am Bühnenrand stehen sah, war klar: Auch sie hatten erkannt, dass die vier Frauen da oben, Wild Flag aus Portland/Oregon, alle um die vierzig, schon da waren, wo sie mit ihrem zuweilen etwas arg brav angelegten Indierock noch hinwollten. Klar, in Punkto Bühnenpräsenz müssen sich Mary Timony, Carrie Brownstein, Janet Weiss und Rebecca Cole, jede mit ausreichend Berufserfahrung ausgestattet, nicht verstecken. Was die Mädels aber vor knapp 300 Besuchern auf die Bretter brachten, war vom Allerfeinsten und in dieser Wucht und Energie trotz des erstklassigen Debüts so vielleicht erhofft, aber kaum erwartet worden. Unschwer zu hören, dass hier Profis am Werk waren, deren Zusammenspiel nahezu blind funktionierte, selbst ungeplante Unterbrechungen ließen die vier mit einem Lächeln abperlen. "Run if you can, here comes the electric band" - so furios wie der Einstieg ("Electric Band") geriet auch das restliche Programm - kompakter, kraftvoller Sound, keinerlei Durchhänger und somit keine Langeweile. Es war klar, dass sie für die Setlist nur wenig mehr als diese eine, ihre erste Platte zur Verfügung haben würden, was sie aber aus dieser mit Improvisation und Feedbackjam herausholten, war schon aller Ehren wert. Klare Arbeitsteilung dabei: Timony für die gemäßigten, die melodiösen Momente, für den Roll also - Brownstein, optisch zwischen Mick Jagger und Patti Smith verortet, gehörte dann eher der Rock, sie gab den durchgeknallten Vamp, die Rampensau, mal vollkommen entrückt, mit wirrem Lächeln, dann wieder als kreischende Göre vor der jubelnden Mini-Crowd, verwundert über die anfängliche deutsche Zurückhaltung: "You're so quiet and so shy between the songs, we're don't wanna stop too long ..." Angetrieben von der zupackenden Präzision der lässig grimmigen Schlagfrau Janet Weiss wurde jeder Song zu eruptiver Höchstleistung gepusht. Und als dann nach "Glass Tambourine", "Future Crimes", "Racehorse" und und ... das Repertoire aufgebraucht war, wurden als Zugabe einfach Television ("See No Evil") und Bobby Freeman ("Do You Wanna Dance?") gefeiert. "You watch us dance, we dance till we're dying, we dance to free ourselves from the room ... We love the sound, the sound is what bound us, the sound is the blood between me and you" heißt es in "Romance" - ein Manifest. Fünfundsiebzig Minuten und ein dröhnender, jedoch vollumfänglich zufriedener Schädel - es gibt nicht viele, die so nahe an der Perfektion arbeiten wie Wild Flag an diesem Abend.

Sonntag, 5. Februar 2012

Essen gehen #3



Curry-Wurst am Haus Scheppen am Baldeneysee, 2,50 Euro/Stk.

Essen gehen #2



Museum Folkwang Essen, Fotografische Sammlung: Chris Killip/Work, 4. Februar bis 15. April - (Abb.) "Youth On The Wall, Jarrow", Tyneside 1976

Essen gehen #1



Ruhr Museum Essen, Zeche Zollverein, Führung Nachtschicht, 3 h, 15 Euro, -10° C mit einem stillgelegten Vorarbeiter über's stillgelegte Fabrikgelände: "So ein Seilbruch, dat passiert nich oft, aber wenn, tja, hat's den Mann in zwei Hälften geteilt - jo, hatter'n Problem gehabt..."

Freitag, 3. Februar 2012

Limitierter Schwanengesang



Es war ja ansich schon eine mittlere Sensation, dass die legendären Postrocker Swans 2010 mit einer neuen Platte "My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky" reüssieren konnten - von der Urbesetzung war zwar außer Gründer Michael Gira nicht mehr viel übrig und auch Jarboe wurde schmerzlich vermisst. Dennoch wurden die Platte wie auch die folgende Tournee schwer gelobt. Mit einem limitierten Live-Album wird diesem Erfolg nun Rechnung getragen - "We Rose From Your Bed With The Sun In Our Head" versammelt Konzertausschnitte der letzten zwei Jahre und kommt mit einem von Gira handsignierten Holzschnitt daher. Die Erlöse aus dem Verkauf fließen dem Vernehmen nach gleich wieder an die Produktionspressen zurück, mit ihnen soll die neue Platte "The Seer" finanziert werden, die 2012 erscheint. Bezugsquelle und Live-Clips - hier.

Donnerstag, 2. Februar 2012

Wiederholungstäter



Warum soll, was einmal geklappt hat, nicht ein zweites Mal funktionieren? Zum wiederholten Mal kommt das MOJO-Magazin mit einer Cover-CD von Leonard Cohen an den Kiosk. Waren es bei der ersten Größen wie Nick Cave, Katie Melua, Ian McCulloch und Martha Wainwright, so steuern nun Bill Callahan ("So Long Marianne"), The Low Anthem ("Stories Of The Street"), Cass McCombs ("Teachers"), Liz Green ("Sisters Of Mercy") und andere ihre Bearbeitungen bei - snipped: hier.