Freitag, 31. August 2012

Halbfett

Eigentlich war ja für die große Show die extragroße Überschrift geplant - "Heiß & Fett", Seeed machen auf dicke Hose und präsentieren ihren neuen Song "Beautiful" auf dem besten Sendeplatz kurz vor der Tagesschau. Aber oje - es scheint, Seeed sind auf Diät. Der neue Track klingt seltsam glatt und poppy, nichts mit Yah! und Pressure! Alles so schön brav hier. Soll wirklich schlimm enden, was mit einem Bieretikett begonnen hat? Na, nun mal nicht verzweifeln, passen ja noch ein paar Songs drauf auf die neue Scheibe und wer weiß, vielleicht kann man sich mit ein paar Becks das Stück auch schönsaufen. Prost! Ach so - das Video? Na bei www.seeed.de ...

Ehrliche Arbeit

Bob Mould
“Silver Age” (Merge)

Als Einstieg zum neuen Album von Bob Mould kommt einem das Video zum Song “The Descent” gerade recht. Dort mimt er einen ausgemusterten Mitfünfziger, der seinen angestammten Büroarbeitsplatz mit dem handelsüblichen Pappkarton für die letzten, persönlichen Dinge räumen muss. Starren Blickes fährt er mit dem Aufzug nach unten, erträgt die peinlich berührten Blicke jüngerer Kollegen und macht sich auf in die Wildnis. Dort angekommen, baut er sich ein wackliges Tippi in’s Gestrüpp und verbrennt alles, was ihn an seine Vergangenheit erinnern könnte. Soweit, so realistisch, so deprimierend.

Dass allerdings auch seine Gitarre ein Opfer der Flammen wird, will man dem Mann dann aber doch nicht recht glauben – schließlich ist das hier, fiktive Identität hin oder her, nicht irgendwer, sondern eine Ikone des Alternative Rock, ein Mann, der auch das wahre Leben mit einer Vielzahl von Gesichtern, von Aliasen füllen kann: Sänger bei Hüsker Dü, ebenso beim Trio Sugar, zusammen mit Richard Morell als DJ und Remixer unter dem Pseudonym Blowoff unterwegs, solo ohnehin, Buchautor (“
See a Little Light: The Trail of Rage and Melody“) – fehlende Umtriebigkeit kann man Bob Mould nicht vorwerfen.

Was einen bei „Silver Age“, seiner mutmaßlich neunten Studioplatte, erwartet, läßt sich schnell zusammenfassen: beinharter, ehrlicher Rock – gern fällt hier auch mal die Bezeichnung „heavy pop“ – trockene, gut abgehangene Riffs, kompromißlos begleitet vom Superchunk-Drummer Jon Wurster. Alles nicht zu kompliziert, nicht übertrieben variiert, Mould wollte einen simplen, geraden und zupackenden Sound, nichts anderes ist es geworden. Dass in dem Mann mit dem schütteren Haupthaar noch genügend Mumm und Wut steckt, man kann es jedem der zehn Stücke mühelos anhören. Und auch wenn er nie jemand war, der seine Ansichten wie ein Banner vor sich hergetragen hat – obwohl er als Gay-Aktivist vor Ort allen Grund zu Groll gehabt hätte – und nach eigener Auskunft erst durch Obamas Präsidentschaft politisiert worden ist, ein Leisetreter droht aus Bob Mould nicht zu werden.
Ansonsten: „More than any other record I’ve made, this one gives a real glimpse into how much making music means to me as a means of expression, as well as what music means to me as a fan.“ Soweit, so gut. http://bobmould.com/

Komplettstream des Albums: Rolling Stone.

Hübsch

Beschauliches, was sonst, hat das Onlineportal des Rolling Stone zu bieten - und das ist nicht einmal anrüchig gemeint: Das Stuttgarter Geschwisterpaar Max & Laura Braun zupft hübschen Folk und hat im vergangenen Jahr die Aufnahmen für seine erste Platte "Telltale" bei Arctic Rodeo Recordings abgeschlossen. Ende des kommenden Monats kommt das gute Stück in die Kolonialwarenläden dieses Landes, vorher gibt's zum Song "The Telegraphist" ein schönes Filmchen - eben da.

Donnerstag, 30. August 2012

Slow Motion

Australia rocks einmal mehr, und zwar am 14. September. Denn dann erscheint endlich das neue Album "Pacifica" der Presets, noch in wunderbarer Erinnerung wegen ihres traumhaften Hits "If I Know You" vom letzten Album "Apocalypso". Von der neuen Platte sind bis jetzt zwei Stücke bekannt: "Ghosts" und "Youth In Trouble", ersteres hier im Übrigen mit dem äußerst sehenswerten Video, entstanden unter der Regie von Abteen Bagheri, verlinkt.

Unfaßbar

Animal Collective „Centipede Hz“
(Domino)

Man kann es drehen und wenden wie man will – diese Platte ist nicht nur eine Herausforderung, sondern eine Grenzerfahrung. Keineswegs die erste in diesem Jahr, die Swans schickten ja erst kürzlich mit “The Seer” ein Album in’s Rennen, dass durch seine gigantische Spieldauer beeindrucken konnte. “Centipede Hz” tut dies mit der masslosen Fülle, die hier auf den Tonträger verbracht wurde. Wenn Joachim Hentschel gerade fachmännisch in der SZ erläutert, Animal Collective feierten die allgemeine Überforderung und machten somit die Musik der Zukunft, ihre Platte würde sich so anfühlen wie das, “was ein Computer wahrscheinlich kurz vor dem Absturz empfindet”, dann sind das schöne Bilder – allein, sie helfen einem nicht wirklich weiter.

David Portner, Noah Lennox, Brian Weitz und Josh Dibb verfertigen also auf ihrem neuesten Werk Pop von seiner verschwenderischsten, versponnensten Seite. Das Problem: Nach laienhaftem Verständnis braucht selbst die größtmögliche Menge an genialen Ideen einen ruhigen Gegenpol, der sie zur Wirkung kommen läßt, der dem Hörer die Möglichkeit gibt, die Dinge für sich – und sei es auch nur kurz – zu ordnen. Die vier aus Baltimore haben sich entschlossen, auf diese Ruhepunkte konsequent zu verzichten, und so stellt sich schon nach drei Songs eine Sättigung ein, befeuert durch die begründete Ahnung, das gehe bis zum Rest der Platte so weiter.

Stillstand und Besinnung als strafwürdiges Vergehen, selbst “Revolution 9” der Beatles erscheint gnädiger als die elf Stücke hier. Dabei ist es sicher hohe und präzise erarbeitete Kunst, was Animal Colective als irrwitzige Freakshow bieten, weil jedoch alles und jeder auf einmal in den Vordergrund drängt, fühlt sich man sich unweigerlich überbeansprucht und zückt die weiße Fahne. Stücke wie “Moonjock”, “New Town Burnout” oder “Amanita” beginnen als Versprechen, jetzt werde es etwas differenzierter zugehen, nur um danach im wilden Geschrei- und Geräuschmassaker ebenso unterzugehen wie der Rest.

Bei anderen Stücken erkennt man liedhafte Züge, “Rosie Oh”, “Wild Eyed” und “Father Time”, skizzenhaft angedeutete Gesangslinien, die gefallen könnten, wenn, ja wenn… Fast hat man das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen, wenn man sich bei dieser Hetzjagd heimlich und benommen auf den Bordstein setzt, um von Elliot Smith, Bill Callahan, Will Oldham oder einem anderen der großen Weglasser zu träumen. Doch darum geht es wahrscheinlich gar nicht. Mit gutem Willen zu Ende gedacht zeigt einem „Centipede Hz” ja nur die eigene, hier gesunde Beschränkung auf – das zusammen mit dem Recht der Jugend auf Zügellosigkeit macht die Platte sogar recht amüsant. Der Eindruck aber, man habe sich schlichtweg überfressen, hält an, der Genuß bleibt dabei beizeiten auf der Strecke. Der aprubte Schluß des Schauspiels, wie anders hätte es wohl enden können, gleicht dann fast einer Erlösung. www.animalcollective.org

Mittwoch, 29. August 2012

Im Neuen nichts Falsches

Cat Power „Sun“ (Matador)

Je mehr man in diesen Tagen über Chan Marshall zu lesen bekommt, desto häufiger fragt man sich, warum in aller Welt es ihr denn so viele Menschen übel nehmen, dass sie offensichtlich nicht mehr dieselbe ist, die sie vor sechs Jahren noch war. Zu dieser Zeit hatte sie gerade die tatsächlich wundervolle Platte „The Greatest“ veröffentlicht, ein Meilenstein entrückten, düsteren Singer-Songwriter-Pops – ein jeder gab vor, nichts lieber zu tun, als mit ihr mitleiden zu wollen. Dass Cat Power das dann tatsächlich auch tat, war der Preis, den sie für all die Umarmungen und Sympathieadressen zahlen musste – Alkohol, Drogen, Zusammenbrüche, sie absolvierte das komplette Programm und es darf als ein kleines Wunder gelten, dass sie, mittlerweile Teenagermutter, aus dem Strudel wieder herausgefunden hat und wieder Musik zu machen bereit war.

Und diese klingt dann halt auch ein wenig anders, weil das Leben, ihr Leben ein wenig anders geworden ist. Insofern ist „Sun“ natürlich nicht „The Greatest II“, sondern ihre Kehrtwende, ihre Zäsur, ihre Überlebensplatte geworden und man muss kein großer Sprachdeuter sein, um darauf auch die passenden Textpassagen zu entdecken. Dem schönen „Nothin But Time“ als Duett mit Iggy Pop darf man dabei ganz sicher eine Schlüsselrolle zuweisen – zu satten Arrangements singt Marshall dort „You wanna live your way of livin’ … the world is just beginning, it’s up to you to be a superhero, to be like nobody.” Dem Guardian schob sie den ungereimten Satz hinterher: “I can still smile and laugh and know that in my heart I'm making the right choices for myself. Maybe somebody else doesn't agree but that's not my problem.”

Sicher, die Stimme ist zwar noch rauh, aber das Fragile, das Unnahbare und Geheimnisvolle früherer Songs ist unwideruflich dahin – Marshall hat dagegen hörbar Spaß an elektronischen Verästelungen, an kratzigen Gitarren und geloopten Beats gefunden. Der Einstieg mit “Cherokee” ist mehr als geglückt, auch “Sun” und “Ruin” zeugen von Spieltrieb und Spaß an der Überraschung – etwas Latinoflair, ein paar Takte Tanzmusik, das ist in der Tat neu. Nicht jedes der Stücke auf der Platte wirkt so geschlossen wie der Auftakt, “Always On My Own” zerfällt ein wenig, “Silent Machine” böllert etwas unbeholfen, dafür können “Human Being” und “Real Life” mit klugen Ideen punkten.

Die Texte dazu behandeln sowohl das große Ganze als auch manches persönliche Dilemma, mal ist es die ratlose Arroganz der westlichen Welt (“I’ve seen gypsies who made it all the way, and kept going, kept rolling with nowhere to go … what are we doing? We’re sitting on a ruin“, Ruin), (ur)menschliche Befindlichkeiten (“You got the right to scream, you got your own voice…”, Human Being), dann wieder ihre eigene Wut und Befreiung (“3, 6, 9”) – sie springt zwischen den Themen wie den Stilen einher und setzt sich auch gern mal zwischen die Stühle.

Der Killertrack, ja auch so etwas gibt es neuerdings auf Cat-Power-Alben, steht ganz am Schluß – „Peace And Love“ schüttelt alles noch einmal kräftig durch, gibt den Erwartungen den letzten Tritt und feiert mit allerlei Wortspielereien die neue Freiheit. Gut möglich, dass Marshall mit diesem Album einen Schritt geht, den viele frühere Anhänger nicht bereit sind mitzugehen. Ganz offensichtlich geht es ihr jedoch gut dabei und – das nur am Rande – die neue Kurzhaarfrisur steht ihr wirklich fabelhaft. http://www.catpowermusic.com/

Komplettstream des Albums auf npr.

Crash Test Dummies

Der Nazi-Trash von "Iron Sky" war sicher nicht das Kinohighlight des Jahres, Laibach als tonangebende Band konnte da auch nichts dran ändern. Zurück aus der Tate Modern, präsentieren sich die Slowenen nun auf einer separaten Tournee und mit eigenem Material. Die Auftritte flankieren das Erscheinen der CD "Reproduction Prohibited", einer Art Best Of... von Mute Records, darauf enthalten größtenteils bekannte Coverversionen der Beatles, Opus, Europe, DAF und von Drafi Deutscher. Auch eine Eigeninterpretation von The Normals "Warm Leatherette", hier natürlich "Warme Lederhaut" gehört dazu - die Spex präsentiert dazu das passende Video, hier.

Laibach unterwegs:
10.09.  München, Backstage Club
11.09.  Frankfurt, Batschkapp
18.09.  Bochum, Matrix
19.09.  Berlin, Berghain
21.09.  Leipzig, Schauspielhaus

Dienstag, 28. August 2012

Alt vor neu

Das hat natürlich schon einen gewissen Charme: Slut aus Ingolstadt haben ihre neue Platte für das Frühjahr 2013 angekündigt - die Aufnahmesessions laufen und man wähnt sich auf der Zielgeraden - weil man aber um die Ungeduld der Fans da draußen weiß, gibt es eine Art Pausenmelodie für all die Wartenden. Unter dem Titel "Five Long Songs" haben die Jungs fünf Stücke aus der Zeit ihrer ersten Gehversuche - es war 1994 und die Stücke landeten auf den damals üblichen Tapes, die bei Konzerten vertickt wurden - bei bandcamp.com zwischengelagert - zum anhören, erinnern, schwelgen und laden. Schöne Sache - hier.

Erbarmen!

Am Anfang, das will man gern zugeben, war's ja noch ganz unterhaltsam, Blue Lines, Nevermind, Is This It - doch langsam entwickeln sich die andauernden Gratulationsrunden für jedes noch so mittelmäßige Album zum Ärgernis. Vorschlag: Aufhören! Sonst wird man um folgende Glückwünsche nicht herumkommen:

Loonas "Colors" turns 10!
Amigos' "Herz an Herz" turns 10!
David Hasselhoffs "Return To Sunshine" turns 20!
Sandras "Mirrors" turns 25!
Scooters "Wicked!" turns 25!
Chris Normans "Rock Away Your Teardrops" turns 30!

Klingt nach mehr

Das denkt man sich, wenn man die Arbeitsproben von New War aus Melbourne, wärmstens empfohlen von quietus.com, hört. Verlegt werden sie auf dem Label von Nathan Howdeshell von The Gossip, in deren Vorprogramm sie auch diverse Male aufgetreten sind. Das selbstbetitelte Debüt ist am Kommen, vorerst existieren ein paar einzelne Tracks wie "Revealer" und "Ghostwalking" samt Videoclip.


Play it again, Neil

Macht er auch. Nach dem gelungenen Cover-Album "Americana" wird Neil Young zusammen mit seinen Mannen von Crazy Horse laut der Neil Young Times (jaja, die gibt's) noch im Oktober einen weiteres, neues Album veröffentlichen. "Psychedelic Pill" soll es heißen und dieses Mal befinden sich nur neue Eigenkompositionen auf der Platte. Gut zu wissen.

Montag, 27. August 2012

Wir alle waren so

Und schon wieder Film - diesmal aber eher als auslösendes Randmoment: Nora Tschirner, die hibbelige Quatschtante aus "Keinohrhasen" (böses Vorurteil, bäh!) hat zusammen mit Erik Lautenschläger und Tom Krimi einfach mal so eine Band gegründet. Prag heißen die und Nora spielt die Gitarre. Voll ernst, zu Beginn des kommenden Jahres kommt sogar ein ganzes Album mit dem Titel "Premiere" (schmunzel) und aus dem gibt es schon mal - Achtung: Jetzt der Filmbezug! - einen erstes Stück zum vorhören: "Sophie Marceau". Und wer's hört wird bemerken, dass hier das ganz dicke Brett gebohrt wird - Streicher! Streicher!! Alles voll davon. Und ein Dank an ohFancy für den Tipp ...

Feuchtgebiete

Ein paar Tage noch, dann erscheint auch hierzulande der Soundtrack zum lang erwarteten Prohibitions-Kracher "Lawless" von John Hillcoat mit Shia Labeouf, Tom Hardy und Gary Oldman - beachtenswert schon allein deshalb, weil das altbewährte Duo Nick Cave und Warren Ellis mit der Arbeit am Score betraut waren. Zu hören gibt es neben der Arbeit beider Herren interessante Coverversionen von Velvet Underground, Captain Beefheart, Grandaddy und Link Wray, dargeboten u.a. Mark Lanegan, Emmylou Harris, Willy Nelson und Ralph Stanley. Das Ganze wird derzeit bei bei Spinner gestreamt - hier.

Jugend mit Stil

Die Heiterkeit „Herz aus Gold“ (Staatsakt)

Der Name ein Jugendstilgemälde, eine Assoziation, die trifft, denn die drei blassen Damen aus Hamburg verkörpern genau das: Jugend mit Stil. Auch wenn es „Die Ernsthaftigkeit“ weitaus besser getroffen hätte, denn wirklich heiter schauen Stella Sommer, Rabea Erradi und Stefanie Hochmuth auf ihren Promofotos nicht drein. Understatement – schon klar. Die Eloge auf der Website der Band von Joachim Hentschel (Rolling Stone) macht den Leser, sofern er nicht eifrig nicken kann, sofort zum Ignoranten – wenn man dem Autor Glauben schenken will, so sind die drei Mädels da oben im Norden schon eine ganz große Nummer, so richtig mit incrowd, kultiger promo und so Sachen.

Verdient haben sie es, das kann man auch als Unkundiger hier im Süden schon sagen, allemal, das Debütalbum „Herz aus Gold“ ist feinster hanseatischer Gitarrenpop, unaufgeregt, abgeklärt und – Klischee, Klischee – einigermaßen unterkühlt. Von Pavement und Velvet Underground ist öfters die Rede, und das stimmt auch immer dann, wenn man deren Werke auf die ruhigeren Sachen eingrenzt. Denn Die Heiterkeit kommen mit einem Sound um die Ecke, der sehr genügsam, sehr kontrolliert ist, dem Text nichts wegnimmt und die Regler kaum mal aufreißt. 

Beim ersten Stück der Platte „Alles ist so neu und aufregend“ probieren sie es mal, da wird’s kurz ruppig, lauter, das kommt aber so nicht wieder. Zuweilen bedauert man das etwas, aber dann denkt man wieder an den „Stil“ und ist’s zufrieden. Überhaupt entschädigen die lakonischen, verwinkelten Texte für die musikalische Schonkost – Sommer gibt mit ihrem spröden, rösinger‘schen Charme die Königin im Figurentheater und dem Hörer die willkommene Projektionsfläche. „Gefällt mir gut, ich bin bereit, I touch you with my Heiterkeit“, mal gibt sie sich erbarmungslos („Baby, wein mir keine Träne nach“), dann als Trösterin („Komm in meine Arme“), „Für den nächstbesten Dandy“ darf verwirren und „Die Liebe eines Volkes“ wird nur widerwillig angenommen („Schlagt Euch mich aus dem Kopf“).

Den einen oder andere Querverweis kann, wer will, heraushören – „Komm in meine Arme“ ist Sillys „Großer Träumer“ ohne das gewichtige Drama, „Auf dem Gipfel des Erfolges“ standen auch schon 2Raumwohnung „Oben“ – je länger man zuhört, je lieber gewinnt man die neuen Interpretationen der drei zu altbekannten Themen. „Herz aus Gold“ entpuppt sich mit der Zeit als amüsanter Gedanken(aus)tausch, als Zwiegespräch ohne unmittelbaren Gegenüber – etwas ungewohnt, keine Frage, aber man hat ja die Zusage: „Solange es Euch gut geht, bin ich auch zufrieden.“ http://dieheiterkeit.de/

Die Heiterkeit auch unterwegs:
01.09.  Dresden, Societätstheater
07.09.  Berlin, Berlin Festival
10.10.  Berlin, Monarch
19.10.  Köln, King Georg
28.11.  Stuttgart, Schocken
29.11.  München, Feierwerk
10.12.  Frankfurt, Mousonturm

Sonntag, 26. August 2012

Same song, different staff

Fast ist man versucht, hochzuzählen, also "Second time ...", aber es bleibt der gleiche Song. Weil Wayne Coyne und seine Flaming Lips nach der Veröffentlichung ihres Videos zu "First Time Ever I Saw Your Face" mit Erykah Badu eine Menge Unmut zu hören bekamen, wurde das Ganze nun kurzerhand noch einmal abgedreht, gleiche Kulisse, gleiche Choreografie, neue Protagonistin - jetzt macht sich Amanda Palmer in der Badewanne nützlich. Zu sehen auf vimeo.

Samstag, 25. August 2012

Wilde Jagd

Na, so schlimm, dass man sie deswegen gleich durch die Wüste jagen muss, sind die ersten Ausblicke auf das nächste Album "Mirage Rock" der Band Of Horses nun auch wieder nicht - genau das passiert ihnen aber in ihrem aktuellen Video zur Single "Knock Knock" - zu sehen auf npr.

Für den Moment

"Zu den überraschenden Momenten gehört immer der Augenblick, in dem sich Flückingers Kollegin irgendwo vorstellt und ihren Namen nennt. Liz Ritschard heißt die Frau, aber im Halbschlaf, in dem man sich als Zuschauer dieses Tatorts schnell befindet, hört es sich an, als sage sie "Keith Richards". Da schreckt man dann kurz hoch. Aber gleich danach versinkt man wieder."
Süddeutsche Zeitung, Holger Gertz, Tatort-Kolumne, 25. August 2012

Freitag, 24. August 2012

Das Beste im Ersten, Yah!

Diese Meldung geht nicht von ungefähr am ersten Tag des diesjährigen Chiemsee Reggae Summers ins Netz: Sieben Tage noch, dann gibt es den ersten Track "Beautiful" vom neuen Album des Berliner Großkollektivs Seeed und deren neuem Album. Wie das heißt? Wie das aussieht? Wie das klingt? Keine Ahnung, erfahren werden wir's laut Bandhomepage am 31. August, und zwar direkt vor der guten, alten Tagesschau - kein Witz. Durchhalten!


My Dear Electric Friend

Matthew Dear „Beams“
(Ghostly International)

Immer noch sehr smart, der Mann. Was ihn von dem Matthew Dear unterscheidet, der noch 2010 mit dem umwerfenden „Black City“ die letzte Richtungskorrektur vollzog? Der hier kann jetzt tanzen. Dem hier scheint’s jetzt richtig gut zu gehen – der singt sogar. In eigenen Worten: “A new band, a new album, a new live show, an overflow of unreleased material, remixes to work on, a new house in the woods, a happy dog, a loving wife, and a wish list of synthesizers. In other words, positive change surrounds me, and it is creatively inspiring” (Dog Day Press).

Das möchte man fast nicht glauben, denn auf der letzten Platte klang Dear noch klaustrophobisch und düster, die Beats noch verhalten und verzwickt – da lag der Vergleich mit Fad Gadget noch sehr nah. Der Postrock ist ihm geblieben, kantig wie im Stück „Earthforms“ ist er noch immer, aber Stücke wie das poppige „Her Fantasy“ am Anfang oder „Up & Out“, obschon noch aus der Aufnahmephase des Vorgängers, wirken doch deutlich aufgehellter, haben keine Angst mehr vor Verspieltheiten und kreuzen schon mal den Disko-Beat.

Überhaupt ist es wirklich erstaunlich, was dieser Junge mit Hilfe programmierter Drumsets und verschiedensten Pedals, Sequenzern und analogen Synthies an Wärme, Glücksgefühl und positiver Spannung erzeugen kann. Beispiel „Overtime“ – wo Gadget nach anfänglichem Gewummer offenen Blickes in Chaos gestürzt wäre, stürzt Dear auf die Tanzfläche. Ebenso: „Get The Rhyme Right“ – nach verzerrtem Beginn entfaltet sich das Ganze mit einer Lässigkeit, die an die kühle Präzision eines MC 900 Ft. Jesus denken läßt.

Immer wieder verquickt er das Schräge mit dem Leichtgängigen, das Schwere mit dem Luftigen – „My heart, it weighs about a ton in flames, pouring down from the sun to the ground in mistakes" („Do The Right Thing“), das klingt nicht nach dem was es meint und ist die große Kunst der Täuschung, die Dear perfekt zu beherrschen scheint. Er nutzt sein Talent verschwenderisch, macht aus einem alten Demo wie „Shake Me“ von 2003 einen träumerischen, verspielten Song, und läßt auch das Schlußstück „Temptation“ noch mal bezaubernd taumeln und hüpfen. Nahe dran an der Platte des Jahres – bis hierhin. www.matthewdear.com
(Komplettstream bei SPIN)

Rad ab?

Besser kann man einen Altersunterschied nicht illustrieren: Mark Knopfler, der alte Gitarrenzupfer, wird nächste Woche sein nächstes Soloalbum mit dem Titel "Privateering" aus der Presse lassen - dessen Cover stellen wir jetzt mal frech gegen das der Black Keys und ihr "El Camino". Fällt was auf? Wärend bei der Rostlaube links schon der Lack blättert, die Räder fehlen und selbst der Hund schon das Weite sucht, kann das Gefährt rechts noch mit ordentlichem Zustand glänzen. Also - Rentner im Sonnenuntergang vs. kraftstrotzende Jugend? Walk Of Life.

To whom it may concern

Ende Oktober werden die Texaner ... And You Will Know Us By The Trail Of Dead ihr achtes Studioalbum mit dem Namen "Lost Songs" veröffentlichen. Conrad Keely, Sänger der Band, beklagte in einem Statement kürzlich den Umstand, dass die Indieszene seit Jahren keine ernsthaften, politischen Standpunkte mehr besetze: "The music was inspired by the apathy to real world events that has plagued the independent music scene now for over a decade. The first preview of our album, entitled 'Up To Infinity', is about the Syrian civil war. We believe that tyranny and despotism suffered by any people, anywhere, is intolerable and should not be treated as an internal matter, but completely justifies intervention by the international community." Besagtes "Up To Infinity" widmete die Band folgerichtig auch den russischen Pussy Riot  -anzuhören hier.
(Photo: Blare)

Kim kommt [fast]

"Was der Ex kann ..." wäre eine allzu platte Einleitung gewesen, so machen wir es eher förmlich: Nachdem Thurston Moore sich derzeit solo und mit seinem zweiten Baby Chelsea Light Moving auf Tour befindet, ist auch seine ehemalige Partnerin und Bandkollegin Kim Gordon nicht faul. Zusammen mit Gitarrist Bill Nace wird sie im September mit ihren Projekt Body/Heat für ein paar Termine nach Europa kommen - Deutschland zählt leider bisher nicht zu den Gastländern. Aber was nicht ist ...

Donnerstag, 23. August 2012

Man(n) lernt nie aus

Olle Herbert, ja genau, der - Mensch, Eisbär, Männerfreund, Bochumer, Herbert Grönemeyer also plant für Anfang Oktober ein neues Album. Tja nun, das ist eigentlich keine Nachricht, die einem schlaflose Nächte bereiten sollte. Er tut dies aber zum einen als mittlerweile ausgewiesener Kenner und Förderer der musizierenden Weltjugend (Boy, Gang Of Four, Metric, Fujiya Miyagi, William Fitzsimmons), er wird desweiteren ausnahmsweise in englischer Sprache performen und auf dem Album mit dem Titel "I Walk" werden sich zwei ungewöhnliche Duette tummeln. Das erste mit dem Manic Street Preacher James Dean Bradfield ("To The Sea"), und das zweite mit dem ausgewiesenen Menschen- und Naturfreund Antony Hegarty ("Will I Ever Learn"). Aus diesem Anlaß hat sich der Netzdienst quietus.com den Herbert für ein recht ausführliches Interview geschnappt, was man jedem nur wärmstens empfehlen kann - bei der Gelegenheit gibt es auch eine visuelle Kostprobe des Hegarty-Songs zu sehen und das komplette Stück zu hören - hier.

Second Coming

Die Tour zur aktuellen Platte "Always" haben Xiu Xiu zur Freude aller, die dabeiwaren, gut gemeistert, nun gibt es aus Anlaß der Veröffentlichung eines Reissues ihres Albums "The Air Force" von 2006 einen Nachschlag - auch Good Old Germany ist gebucht:

04.11.  Nürnberg, K4
05.11.  Wiesbaden, Schlachthof
06.11.  Erfurt, Theater Am Palais
07.11.  Dresden, Beatpol
08.11.  Würzburg, Cafe Cairo
12.11.  Köln, Baustelle Kalk
15.11.  Heidelberg, Karlstorbahnhof

Passend dazu - immer wieder schön: Xiu Xiu mit dem Joy-Division-Cover "Ceremony":

Er nun wieder

Na gut, dann also auch hier. Aber nur deshalb, weil Chris Martin behauptet, "Madness" (2nd Law) sei der beste Song, den Muse jemals geschrieben hätten - was eher ein vergiftetes Kompliment, ganz sicher aber eine Frechheit ist. Was allerdings wirklich stimmt, ist die frappierende Ähnlichkeit mit Queen - ist die Stelle von Freddy schon wieder ausgeschrieben und Muse haben nur die Einsendeadresse verwechselt? Sei's drum, das Stück ist in der Tat kein schlechtes, wenn man es an dem Olympiazeugs der letzten Monate misst - hier.

Happy Hardcore

Vorbei die Zeit, wo Claire Boucher alias Grimes arglos durch naßgeschwitzte Männerumkleiden turnte. In ihrem neuen Video zum Song "Genesis" geht das ästhetische Verwirrspiel weiter - Amazonenkostümierung vs. Happy Harcore (Spex), alles sehr lustig anzuschauen, anzuhören sowieso - hier.

Alter Meister

Phillip Boa “Loyalty” (Cargo)

Täuscht der Eindruck, oder hat sich unser Lieblingsindieonkel, der vormals bissige Herr Boa, im Laufe der Zeit – und er wird im nächsten Jahr immerhin auch schon fuffzich – noch die Entspannung und Abgeklärtheit zu eigen gemacht, die man dem Alter so gern zuschreibt? Der Dortmunder Jung also, der schon immer jede Art von Beschimpfung stolz wie eine Monstranz vor sich hertrug, hat mittlerweile offenbar so viel Inselluft inhaliert, dass er fast ohne Ausrufezeichen, ohne das Boaphenia-Gedöns und diese ganze spätpubertäre Kraftmeier-Attitüde auszukommen scheint. Boa macht jetzt in Alterswerk, so der Waschzettel zum neuen Album, sammelt seine Einflüsse und irgendwie auch sich selbst auf und steckt sie in zwölf recht unspektakulär erscheinende Songs.

Kaum mehr eitel also, die Stimme darf dem Erscheinungsbild entsprechend auch mal ungeschönt daneben liegen, wen kümmerts? Nicht, dass ihm seine Hörer egal wären, den Titel darf man schon auch als Aufforderung nehmen, nicht von der Fahne zu gehen – “Don’t run away, show some loyalty” proklamiert er im dazugehörigen Stück, der leichtgängigen ersten Single dieser neuen Platte, zuvor schon “listen to us, you pitiless” (“Black Symphony”), unbekümmert also schon, nicht gleichgültig. Natürlich ist das, was er als Essenz bewerben läßt, kein “Helios”, kein “Copperfield” und schon gar kein “Hair”. Stücke, die mit dem Zauber von “Fine Art In Silver” und “Container Love” oder dem Furor von “Kill Your Idols” und “Albert Is A Headbanger” gesegnet sind, wird man auf “Loyalty” vergeblich suchen – aber, hey, der Mann hat über fünfzehn Alben gemacht und dieses hier ist mindestens respektabel.

Geschredderte, blecherne Gitarren, das bekommt er noch immer bestens hin, die Riffs ziehen noch und so kann man sich über Stücke wie “Black Symphony”, “Want” und “Till The Day We Are Forgotten” nicht beschweren. Das erste Selbstzitat “Ernest 2”, die Fortsetzung zu “Ernest Statue” von “Hispaniola” also, pocht schön trocken aus den Boxen und auch die Ausflüge in elektronische Gefilde gelingen zumeist recht stimmig. Ja, man kann so Sachen wie “My Name Is Lemon” und “Lobster In The Fog” durchaus hören, auch wenn sie auf den ersten Ritt etwas spröde und inspirationsarm daherkommen – aber wer traut sich heute schon noch ein astreines Schlagzeugsolo alter Schule?

Auch wie früher: Die Titel klöppelt Boa noch immer nahe am Kitsch, aber als Verschachtler und Umschreiber war er ohnehin nicht bekannt und was er an Grant nach außen trug, steckte er seit jeher an hoffnungsloser Romantik in seine Songs – hier: “Sunny When It Rains”, “You Are So Strange And Beautiful” und, ach, “Under The Bombay Moon Soon”. Bloß gut deshalb, dass er sich selbst nicht mehr ganz so ernst nimmt (“In my head there’s a hole, I climbed down, it feels beautiful”) und gegen Ende noch mal Schwung in die Bude kommt (“Dream On Planet Cherry”), denn ganz so altersmilde und gefühlsduselig, ehrlich, wollen wir ihn nun auch nicht haben. http://www.phillipboa.de/

WinWin: Für den ersten Einsender auf info@mapambulo.de gibt es das neue Album gratis per Post!

Mittwoch, 22. August 2012

The Nice Nice Nick

War der nicht ... in der Tat: Nick McCarthy, Gitarrist und Keyboarder der zum Glück derzeit wieder etwas agileren Franz Ferdinand, gilt ja eigentlich als Kind der Stadt München, auch wenn er in Vagen geboren und in Bad Aibling Abitur gemacht hat. Spielt aber keine Rolle, studiert hat er in der Landeshauptstadt und somit gehört der Erfolg seiner Band auch irgendwie hierher. Gleiches wollen wir natürlich gern auch für seine neue Zweitformation The Nice Nice Boys in Anspruch nehmen - für die hat er sich mit Johnny Marr und Andy Knowles (The Healers) zusammengetan und mit dem Rapper Marvellous Macc Mello den Song "Round Town" ins Netz gestellt - hört, hört, hier. http://www.theniceniceboys.com/

Das Ende ein Anfang

Swans „The Seer“ (Young God)

Was soll man sagen? Es ist das und etwas mehr, was von Michael Gira zu erwarten war – eins obendrauf auf das letzte Epos „My Father Will Guide Me...“, maßlos, gigantisch, ein grimmiges Ungetüm von Rockoper, Giras „The Wall“, besser: seine „Metal Machine Music“. Oder so. Furchteinflößende 01:59:06, gezwungen in zweimal Plastik und dreimal Vinyl. Eine Herausforderung. Und jeder der behauptet, das Anhören bereite neben dem unbestrittenen Genuss keine Mühe, besitzt entweder ein beneidenswert kindliches Gemüt, alle Zeit der Welt oder den Hang zur Selbstverleugnung. Zwei Stunden, in denen sich Gira samt Band und Gastpersonal zum Seher geriert und durch die Apokalypse führt – seltsamerweise wünscht man sich als Zuhörer recht bald die eine oder andere zusätzliche Dimension hinzu. Nicht deshalb, weil das Akustische nicht genügend Anspruch böte, sondern um die chaotischen Bilder im Kopf zu einer Inszenierung zu ordnen – den Stoff also, aus dem die Albträume sind.

Eine Studioplatte im Live-Format, nicht weniger. „Lunacy“, das Gira mit Alan Sparhawk und Mimi Parker von Low zur Eröffnung bringt, hält sich noch zurück, aber schon „Mother Of The World“ im Anschluss, zehn lange Minuten, bringt das große, weltumspannende Drama zur Aufführung: Ausbeutung der Erde, irrsinniger Raubbau: „And where are you now, oh mother earth, and we feed of your hands and we drink your filth and you oil – in and out and in and out again…“, eine gewaltige Anklage. Mit dem Titelstück „The Seer“, sagenhafte zweiunddreißig Minuten, lässt Gira endgültig alle Zurückhaltung fahren – begonnen als orchestrale Disharmonie, setzt nach ein paar Minuten ein schleppender Beat ein, der nach und nach immer variantenreicher wird, um in einer wilden Gitarrenorgie zu münden – dann fade out, den vorläufigen Punkt setzt ein wirrer Teufelsgesang.

Des Sehers Rückkehr erscheint gegen dieses Monument fast konventionell, dafür gibt es im folgenden „93 Ave. Blues“ allerlei grelles, atonales Pfeifen und Quietschen. Den zweiten Teil leitet Karen O (Yeah Yeah Yeahs) und ihr „Song For The Warrior“ ein, auch dieser ist eher liedhaft strukturiert und soll wohl die Neuordnung aka. Hoffnung nach dem zwangsläufigen Zusammenbruch thematisieren: „Some people say God is long dead, but I heard something inside you with my head to your chest … Use your sword, use your voice and destroy. Then begin again.” Es bleibt natürlich groß, das mantraartige Spiel mit dem Licht bei “Avatar” zwischen marschierenden Drums und finalem Getöse, danach mit knapp zwanzig Minuten “A Piece Of The Sky”, das Stück, auf das viele sehnsüchtig gewartet haben, sollte doch Jarboe, kultisch verehrte Ex-Sängerin der Band, mit von der Partie sein.

Letztendlich belassen es Gira und seine frühere Partnerin bei einer kurzen Stimmcollage, das Stück ist auch sonst schon beeindruckend genug, manchmal sogar humorvoll: “In the then that was now, in the now that is not, in our names we forgot, in a thought we just lost, we become what we choose, we are stumbling fools, who are not there?” Abschließend stampft und wummert sich mit gleicher Spieldauer noch “Apostate” seinen Weg, da wird es noch mal schnell, da dreht sich im ohnehin schon tauben Kopf noch mal alles von unten nach oben. “Get out of my mind” als Bitte, der dann tatsächlich entsprochen wird – es endet. Besser, es ruht, denn wenn Lars von Trier “The Seer” in die Hände bekommt, kann aus dem Wunsch nach Kulisse schnell Realität werden. Und wer weiß – vielleicht hat ja auch Frau Wagner am Grünen Hügel in Bayreuth noch ein Zeitfenster frei …? http://www.swans.pair.com/

Na logisch! [Update]

Ob es das im Englischen auch gibt - ein Sommerloch? Summerhole? Naja. Jedenfalls findet man beim NME zur Zeit einen nicht eben neuen Thread zum Thema Bandlogos. Was da alles verwurstet wird, ist schon recht abenteuerlich, denn Spaß macht ein Logo ja irgendwie erst dann, wenn einem der Urheber nicht gleich mit dem Holzhammer übergezogen wird - was bitte ist denn an den Entwürfen zu Daft Punk, Iron Maiden oder Van Halen innovativ? Einige schöne Stücke sind dann aber doch dabei - eben die, welche gänzlich oder nahezu typofrei funktionieren, oder solche, die, aus einem anderen Zusammenhang herausgelöst, mit der Zeit von einer Band okkupiert worden sind. Zwanzig der bekanntesten, witzigsten und einfallsreichsten gibt es hier zu sehen.

Update: Hier nun die Lösung - Bad Religion, Aphex Twin, Black Flag, Phillip Boa & The Voodooclub, Public Enemy, HIM, Red Hot Chili Peppers, Justice, Madness, Men Without Hats, Wu Tang Clan, Prince (Tafkap), Hyroglyphics, Nirvana, Jamiroquai, Scissor Sisters, The Who, Rolling Stones, Radiohead, The XX (links nach rechts, oben nach unten).

Dienstag, 21. August 2012

Achtbares Unentschieden

Bloc Party „Four“
(Universal)

Es ist ja nicht so, dass Bloc Party nicht zu überraschen wüßten. Gut, die Überraschung Nummer eins bestand eigentlich darin, dass es das Album mit dem Ceranfeld (Kochplatte, haha) überhaupt in Produktion geschafft hat – nach all dem Geplänkel der letzten Monate hatte man ja den Eindruck, Kele Okereke müsse sich arbeitsrechtlich in die Rolle des charimatischen Bandleaders zurückklagen – erst hatte er keine so große Lust, dann wollten die Kollegen nicht mehr so recht, man hat selten ein alberneres Verwirrspiel erlebt. Mittlerweile haben sich aber alle wieder mächtig lieb und können so auf die ihnen angelegenere Weise irritieren: Nicht wenige hatten nach den wiederholten Soloausflügen von Okereke („The Hunter“) die endgültige Hinwendung der Band zu vollumfänglicher Synthetik erwartet – Okereke mag das Dancezeugs und ist sogar richtig gut damit unterwegs, dazu haben die Kolleginnen Beth Ditto und Karen O, mit ihren Kapellen aus ähnlicher Spur gestartet, den Dreh mittlerweile vollzogen, so what?

Aber nichts da. Neben den bewährten, hyperventilierenden Gitarrenloops – sehr fein hier die erste Single „Octopus“, auch „Truth“ und „3x3“sind nach dem quirligen Muster gestrickt – stößt man aber auf „Four“ durchaus auf Schwerverdaulicheres. Stoner-Rock, Metal-Sequenzen, ist es wahr? Tatsächlich regieren bei einem Stück wie „Kettling“ unverkennbar die rauhen Saiten, „Coliseum“ wiederum holt sich den Electroblues von „Personal Jesus“ zu Hilfe, Okereke jault und kreischt psychotisch zum Herzerweichen, und auch die zweite Hälfte von „Team A“ gerät eher harsch als gefällig – textlich geht es dabei mit wütender Anklage, Autoagression und bissigem Geheul zwar rätselhaft, aber eher grob zur Sache.

Schon aus diesem Grunde hätte der krachende Synthiepunk von „We Are Not Good People“ eigentlich an den Anfang des Albums gehört („This Is A Warning“ – aha), andererseits kommen auch die Londoner nicht raus aus ihrer Haut und so muß dem Stammpublikum nicht bange werden – sie können auch noch süß. „V.a.l.i.s.“, „Day Four“ und „The Healing“, allesamt aus Zuckerwatte, mal leicht verdaulich, mal klebrig. Der Kontrapunkt dazu in Sachen Arrangement - "Real Talk", mit verhallten Banjosequenzen, Falsettgesang und feinem Stop & Go der beste Song des Albums. Die Mischung wirkt in der Summe irgendwie unentschieden, seltsam zerrissen und macht die Platte zwar zu einem interessanten, aber nicht sehr konsequenten Wurf. Vielleicht kann man es am besten mit einem ehrenwerten Versuch umschreiben, die Hintertür noch offen, aber nur noch mit einem Fuß drinnen. Wohin die Reise geht, wird dann wohl Nummer fünf zeigen. http://blocparty.com/

Live dabei:
11. November  Hamburg, Docks
12. November  Stuttgart, Theaterhaus
13. November  Dresden, Eventwerk
15. November  München, Tonhalle

Breitseite

Die volle Packung - den Namen hat sich diese Box mal redlich verdient: Am 30. Oktober werden Columbia Records laut Paste ein prall gefülltes Packet von Johnny Cash schnüren. Enthalten wird das Prachtstück mit dem Namen "The Complete Columbia Album Collection" ganze 63 CDs, beginnend mit der ersten Veröffentlichung aus dem Jahr 1958. Außerdem dabei ein paar Liveaufnahmen, die außerhalb von Amerika erschienen sind, so Cashs Auftritt im Osteraker Gefängnis in Schweden 1972 und ein Konzert in der Prager Sporthalle von 1978, die komplette Liste - hier. Schlappe 268 Euro soll der Import bei Amazon kosten - na denn, Sparschwein füttern!

Verbildlichung

"Wenn alles mit rechten Dingen zu geht, werden sie bald weltberühmt sein. Sicher sein kann man sich mit so was ja nie. Aber wenn die kaum volljährigen Engländer von The XX überall als die zeitgemäße Variante von The Cure gefeiert werden, dann sind die Marriages mindestens die Siouxsie And The Banshees von heute."
SZ vom 21. August 2012, Verdichtungen und Lichtungen, Peter Richter

Montag, 20. August 2012

Zur Hölle

Gallon Drunk „The Road Gets Darker From Here“ (Clouds Hill Records Ltd.)

Fünf Jahre können sehr lang werden, wartet man auf ein Lebenszeichen, auf einen Hinweis, dass es voran, dass es weitergeht. Die Nachrichten, die von Gallon Drunk in den letzten Jahren zu hören waren, gaben zur Hoffnung wenig Anlaß, man würde die Londoner Band bald wieder auf der Bühne begrüßen können – Terry Edwards und James Johnston schlugen sich die Zeit bei Faust und Lydia Lunchs Big Sexy Noise um die Ohren, Simon Wring, der Bassist der Gruppe, verstarb noch dazu im Mai vergangenen Jahres – es sah nicht gut aus. Und trotzdem hat das Trio, ergänzt um den Studiomusiker Leo Kurunis, ein neues, das siebte Album gezwungen und nach den ersten Durchläufen darf man mutmaßen, dass es nicht das schlechteste geworden ist.

Aufgenommen im Studio des jungen Hamburger Produzenten Johann Scheerer, bekanntgeworden durch seine Arbeiten mit Stella, Frank Spilker, Phantom/Ghost und 1000 Robota, ist den dreien ein ziemlich krudes, vielgestaltiges Werk gelungen. Der markige, dunkle Swamprock wie zuvor, bereichert um jede Menge klug gestreute Effekte und Schichtungen, geloopte und verfremdete Gitarren sogar – es hat dem Sound nicht geschadet. Die Voodoomesse “You Made Me” zu Beginn setzt das Maß, kreischendes Riff zu Ian Whites sattem Gepolter, “Hanging On” nimmt einen Chor dazu und “A Thousand Years” läßt mit der Titelzeile in die Mördergrube blicken: “It feels like a thousand years, it feels like a million miles, it feels like the end is near, the road is gets darker from here”. Wenig Platz für Besinnliches also, dafür das Killersax von Edwards – wer sagt eigentlich, dass der arm dran ist, der sich ins trübe Schicksal schickt?

Acht Songs nur für den Höllentanz, die aber geraten furioser und wuchtiger denn je. Ein fabelhaftes Gilmore-Riff für Johnstons Duett mit Marion Andrau in “Stuck In My Head”, der schmutzige Bluesrock bei “The Big Breakdown” und das schwere, verschleppte “I Just Can’t Help But Stare” – den Kulminationspunkt setzen Gallon Drunk ans Ende mit dem tiefschwarzen, schillernden “The Perfect Dancer”. Hier hört man Johnstons Zeit bei Nick Cave, hier glaubt man ihm dennoch das Eingeständnis: “I’ve played with a lot of musicians now, but absolutely nothing comes close to the feeling of the three of us playing together” (louderthanwar.com). Wenn das der Preis für die lange Abwesenheit ist, dann will man ihn gern zahlen. http://www.gallondrunk.com/

Die Hölle unterwegs:
17. September  München, Ampere
18. September  Ulm, Roxy
19. September  Stuttgart, Club Schocken
20. September  Frankfurt, Zoom
21. September  Köln, Underground
23. September  Bielefeld, Heimat & Hafen
26. September  Bremen, Tower Musikclub
27. September  Hamburg, Hafenklang
28. September  Berlin, Cassiopeia

Verdammt!

Divine Fits “A Thing Called Divine Fits” (Anti)

Jawohl – verdammt! Weil man keine Glaskugel braucht um zu wissen, dass „A Thing Called Divine Fits“ – diese mit Abstand lässigste, smarteste Sommerpopplatte des Jahres – mit Sicherheit nicht die Aufmerksamkeit erhalten wird, die sie fraglos verdient. Den Machern sollte dieser Umstand nichts Neues sein – die großen Weihen blieben Britt Daniel, Sänger der Indierockkapelle Spoon und somit unmittelbar an so gradiosen Alben wie „Gimme Fiction“, „GaGaGaGaGa“ und „Transference“ beteiligt, und Dan Boeckner, bei Handsome Furs und Wolf Parade am Mikrophon, bislang verwehrt. Und auch der dritte Mann im Bunde, Sam Brown, Schlagmann der New Bomb Turks, hat den großen Durchbruch noch nicht geschafft. Was die Divine Fits, Supergroup hin oder her, mit ihrem Debütalbum geschafft haben, ist aller Ehren Wert – eingängiger, schwereloser Gitarrenpop, mal von synthetischen Beats getrieben („My Love Is Real“, „The Salton Sea“), mal mit schmeichelnden Gitarrenloops unterlegt („Flaggin‘ A Ride“, „For Your Heart“), das kratzt („What get’s You Alone“), das croont („Baby Get Worse“) – nie langweilig, nie plump und immer mit der nächsten Idee eine Ecke weiter. Das ist vielleicht 80er, aber auch schon egal, denn Boeckner und Daniel belassen es nie bei der Schablone, sondern verpacken alle elf Stücke so gekonnt, dass man immer das Gefühl hat, man höre genau das genau so zum ersten Mal. Und wenn die drei dann mal auf hiesigen Bühnen stehen, gibt’s Anwesenheitspflicht! Macht Laune. Anhören: http://divinefits.com/

Sonntag, 19. August 2012

Geschenkt

Das ist nicht nur ein gelungenes Plakatmotiv - entworfen für das alljährliche ATP - nein, nicht das Tennis-Turnier - sondern All Tomorrows Parties, höchstbeachtetes Konzertspektakel in New York, welches in diesem Jahr vom 21. bis 23. September in Manhattan stattfindet. Kuratiert wird diesmal von Greg Dulli, Frontmann der Afghan Whigs, und da passt es ganz gut, dass sich Frank Ocean als Headliner angesagt hat. Dieser wiederum hat uns in Europa ein bittersüßes Geschenk gemacht, als er kürzlich all seine Supportkonzerte cancelte - wir sehen dann ihn zwar nicht so schnell, kommen aber nicht in die zweifelhafte Versuchung, den Hauptact Coldplay mit dazukaufen zu müssen. Langer Rede, kurzer Sinn: Es ist dies eine gute Gelegenheit, noch einmal auf die fabelhafte Coverversion der Afghan Whigs von Oceans "Lovecrimes" hinzuweisen - hier.

Samstag, 11. August 2012

Warten können

Gut, das darf natürlich nicht unerwähnt bleiben: Es gibt den ersten Outtake vom neuen Album der Mumford And Sons, nennt sich irritierenderweise "I Will Wait" und will somit gar nicht recht zur allgemeinen Ungeduld passen, die sich beim Warten auf "Babel" mittlerweile eingestellt hat. "I Can't ..." wäre also passender, aber was soll's, Ende September ist's ja ohnehin soweit.


Was Eigenes

Nach der visuellen Manifestierung ihrer schon länger bekannten Kollaboration mit den Metalheads von Mastodon ("A Commotion") gibt es nun wieder ein ganz und gar eigenes Video von Feist - diesmal zum Song "Anti-Pioneer" und natürlich vom nach wie vor unvergessenen Album "Metals" aus dem letzten Jahr. Gedreht hat Martin de Turah, zu sehen ist es bei Nowness.

Say my name

Erst da, dann weg - der Post geht flöten und muß natürlich eingefangen werden: Paul Banks, Sänger von Interpol, wird im Oktober sein Versprechen einlösen und der kürzlich erschienenen EP unter seinem Pseudonym Julian Plenti nun einen Longplayer mit dem griffigen Titel "Banks" folgen lassen. Schluß also mit dem Alter Ego, Klarname rules - pitchfork hat mit "The Base" auch schon einen ersten Song parat - hier.

Freitag, 10. August 2012

Namenloses Treiben

Marion Brasch „Ab jetzt ist Ruhe“
(S. Fischer) 

„Die interessantesten Geschichten findet man sowieso immer da, wo man sie nicht erwartet, hatte er gesagt. Das ist wie im Leben. Also ließ ich mich treiben.“

Das ‚treiben lassen‘ ist ein stetig wiederkehrendes Motiv in Marion Braschs autobiografischem Roman, sie tut es gern und oft – durch den Tag, eine Stadt, eine Jahreszeit, sie treibt genussvoll durch die schönen, antriebs- und lustlos durch die tristen Zeiten ihres Alltags und der Leser nimmt einen großen Schluck Melancholie, schwingt sich auf’s Erinnerungsvehikel und treibt mit. Mit „Ab jetzt ist Ruhe“ ist der gebürtigen Ostberlinerin ein warmherziges, nicht selten anrührendes Buch gelungen, ein dokumentarisches Familienstück, eine Zeitreise, welche die großen, die weltbewegenden Dinge ihrer Vita seltsam klein und die kleinen, ganz persönlichen Momente perspektivisch vergrößert erscheinen lässt.

Und würde nicht der Name der Autorin auf dem Einband stehen, man täte sich schwer, die Geschichten mit Personen zu verknüpfen, sie selbst belässt sie größtenteils unbenannt, vage umschrieben. Ob sie nur mit diesem Hilfsmittel imstande war, die intimen, teilweise doch recht tragischen Lebenslinien ihrer Familie nachzuzeichnen – man kann es nur vermuten: Obschon alles Menschen, die untrennbar mit den ostdeutschen Zeitläuften verwoben sind, diese sogar entscheidend mitbestimmten, sie bleiben „der Sänger mit dem Schnauzbart“, der „blinde Moderator“, der „Dichter mit der weiten Stirn“, der „Vorsitzende“. Auch ihr Vater, ihre Brüder - kein Horst, kein Thomas, kein Peter und kein Klaus, Marion Brasch ordnet sie allein dem Alter nach, nur der älteste und bekannteste kommt manchmal ohne Attribut zu Wort, als „mein Bruder“ erscheint er auch als derjenige unter den drei Geschwistern, zu dem sie das widersprüchlichste Verhältnis zu haben schien.

Was es an Namen nicht hat, das hat es an liebevollen Details, an wundersamen Begebenheiten, an Gedankengängen und Einsichten. Dass sie sich selbst des Öfteren als das mäßig talentierte und am wenigsten interessanteste Mitglied der Familie Brasch herausstreicht, überrascht weder noch stört es, denn auch wenn sie sich als Tochter und Schwester zuweilen selbst bemitleidet, so bleibt Marion Brasch dabei doch humorvoll und gleichermaßen bescheiden – sie ist, nicht nur als Überlebende, ohnehin wohl die einzige unter den möglichen Kandidaten, die diese Geschichte hätte so zu Papier bringen können.

Trotzdem wird auch dieses Buch in seinem ganzen Spektrum nicht jedem Leser zugänglich sein. Mag die Einsicht in das bewegte Leben der Künstlerfamilie, in die gesellschaftlichen wie privaten Verwerfungen, Zwänge und Verirrungen für einen gesamtdeutschen Kulturkreis Relevanz haben, die leise romantische, nie verklärende, dennoch verschwörerische Begleitmelodie der Erzählung wird denen verborgen bleiben, die zur Zeit nicht vor Ort, also in anderen Umständen verhaftet waren – man muss das nicht bedauern, es heißt ja schließlich, auch andere Mütter hätten schöne Töchter. Wer Glück hat, dem bleibt am Ende neben viel Wehmut und ein wenig Sehnsucht die wohltuende Erinnerung an eine längst vergangene, irgendwie immer auch gemeinsame Zeit.

Anmerkung: Nach dem Stöbern in alten Briefen aus dem geliebten Sender DT64, Schreibmaschinenseiten, eng beschrieben mit Manuskripten und Songlisten, die dankbare Erkenntnis, dass man der Autorin und ihren Mitstreitern darüber hinaus noch die Bekanntschaft mit Velvet Underground, Nico und Nick Cave mit seiner Birthday Party verdankt, damals in Karl-Marx-Stadt anno 1988. www.marionbrasch.com